Suche

Ein Jahr nach dem zerstörerischen Erdbeben vom 6. Februar in der Türkei und in Syrien sind einige der Betroffenen noch immer nicht umgesiedelt worden. Ein Jahr nach dem zerstörerischen Erdbeben vom 6. Februar in der Türkei und in Syrien sind einige der Betroffenen noch immer nicht umgesiedelt worden.  (AFP or licensors)

Ein Jahr später: Weiterhin Angst vor Erdbeben in Aleppo

Das Trauma des Erdbebens vom 6. Februar 2023 hat unauslöschliche Spuren bei den Menschen in Syrien hinterlassen, die bereits von einem 13-jährigen Konflikt und einem beispiellosen Preisanstieg gezeichnet sind. Radio Vatikan sprach mit Georges Sabé, einem Maristenbruder in Aleppo, der an die internationale Gemeinschaft appelliert, den Syrern zu helfen.

Alexandra Sirgant und Mario Galgano - Vatikanstadt

In der Nacht auf den 6. Februar 2023 verwüstete ein schweres Erdbeben der Stärke 7,5 den Südosten der Türkei und den Nordwesten Syriens. Danach folgten weitere schwere Erdstöße, die insgesamt fast 60.000 Todesopfer forderten - die schlimmste Naturkatastrophe für die Region seit dem Erdbeben in Izmit von 1999.

Zum Nachhören - zur Lage in Syrien

In Syrien, einem Land, das bereits von 13 Jahren Krieg verwüstet wurde, kamen 6.000 Menschen ums Leben. Ein Jahr später verlässt die Angst vor weiteren verheerenden Beben nicht die Bewohner der betroffenen Regionen, die bereits von der Gewalt des Krieges gezeichnet sind und nun mit einer beispiellosen Wirtschaftskrise konfrontiert sind, die die Bevölkerung in die Armut treibt. Hinzu kommt, dass die Nahrungsmittelhilfe des Ernährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), die rund 5,6 Millionen Syrer ernährte, seit dem 1. Januar 2024 eingestellt wurde.

Das zerstörte Aleppo
Das zerstörte Aleppo

Der Maristenbruder Georges Sabé lebt in Aleppo, einer der am stärksten vom Erdbeben betroffenen Städte im Nordwesten Syriens. Er ruft die internationalen Organisationen dazu auf, „eine leidende Bevölkerung nicht im Stich zu lassen“ und erklärt uns auch seinen täglichen Einsatz, mit dem er versucht, den Menschen in Aleppo wieder Hoffnung zu geben.

Heute sehe Aleppo folgendermaßen aus: „Im Alltag sehe ich teilweise zerstörte Gebäude, die sich in völliger Unsicherheit befinden, doch wenn ein Stockwerk nicht zerstört ist, ist es oft bewohnt. Vom Prinzip her sollten die Bewohner sich dort nicht aufhalten. Aber es gibt Menschen, die aufgrund von Armut, aufgrund von Elend, aufgrund der Tatsache, dass es ihr Zuhause war, beschließen, trotzdem darin zu wohnen.“

„Das Schlimmste an der ganzen Sache ist die Angst.“

Wiederaufbau steht noch an

Es habe auch Umsiedlungen gegeben. Zwischen 500 und 600 Familien mussten ihren Wohnort wechseln, berichtet Sabé. Der Wiederaufbau der Stadt stehe heute noch nicht an, weder von dem, was vom Krieg getroffen wurde, noch von dem, was ebenfalls durch das Erdbeben zerstört wurde, erläutert er:

„Das Schlimmste an der ganzen Sache ist die Angst. Es gibt Menschen, die eine Zeit lang in ihren Kleidern geschlafen haben, weil sie Angst davor hatten, dass es wieder passieren könnte. Es gibt Kinder, denen es bis heute sehr schwer fällt, sich von ihren Eltern zu trennen, sowohl nachts als auch für manche tagsüber. Und das ist eine Aufgabe, die wir bewältigen müssen: Wir müssen die Häuser wieder aufbauen, aber auch das Gefühl der Sicherheit bei vielen Menschen. Man darf auch nicht vergessen, dass dieses Trauma auf der Erfahrung des Krieges mit all seinen Folgen beruht.“

Zu den Folgen des Krieges gehöre auch die schwere Wirtschaftskrise in Syrien. Das mache sich in ihrem Alltag bemerkbar, so Sabé:

„In letzter Zeit haben wir das Erdbeben teilweise vergessen, weil wir eine schreckliche wirtschaftliche Krise erleben. Wir stehen immer noch unter (internationalen, Anm. d. Red.) Sanktionen. Obwohl behauptet wird, dass diese Sanktionen die Bevölkerung nicht betreffen, spiegeln sie sich in unserem Alltag wider. Wir befinden uns zum Beispiel mitten im Winter und haben nur zwei Stunden Strom am Tag. Das bedeutet, dass wir ständig auf der Suche nach Möglichkeiten sind, um zu heizen.“

Während des Erdbebens erhielten die Menschen in Syrien Hilfe von einigen NGOs und internationalen Organisationen, insbesondere von den Vereinten Nationen. 

„Die Hilfe, die kam, war sehr begrenzt und wurde seitdem eingestellt. Syrien war vor dem 6. Februar 2023 bereits von den NGOs vergessen worden, aber die Hilfe ging trotzdem weiter. Seit dem 1. Januar 2024 hat die UN-Organisation für Nahrungsmittelhilfe, das WFP (World Food Programme), jegliche Hilfe für Syrien eingestellt. Das Argument ist, dass es andere Orte gibt, an denen Hilfe geleistet werden muss. Ich persönlich glaube, dass wir in diesem Punkt nicht das Recht haben, eine leidende Bevölkerung im Stich zu lassen. Welches Recht haben wir heute, zu akzeptieren, dass eine Bevölkerung in Armut und Elend lebt? Ich appelliere (an die internationale Gemeinschaft, Anm. d. Red.): Wir müssen in Würde leben. Wir sind keine Bettler, aber wir haben so viele Schwierigkeiten, so viele Probleme und so viel Unglück erlitten, dass die Hilfe der Menschheit uns helfen sollte, wieder auf die Beine zu kommen, und uns nicht dazu bringen sollte, zu betteln.“

Kinder in Aleppo
Kinder in Aleppo

Gefühl der Sicherheit

Sabé spricht davon, das Gefühl der Sicherheit für die Menschen in Aleppo wieder aufzubauen. Was er den Menschen in Syrien sage, um ihnen zu helfen, in dieser Situation wieder Hoffnung zu schöpfen, sei folgendes:

„Vor allem muss man daran glauben, dass Hoffnung möglich ist. Trotz eines geschlossenen Horizonts muss man persönlich und gemeinschaftlich auf Kirchenebene daran glauben, dass Hoffnung möglich ist und dass der Herr uns nicht verlässt.“

Aus dieser Hoffnung heraus müsse man auf den anderen zugehen, um ihm zu dienen, wo immer man könne, und ihm die Hilfe zukommen zu lassen, „die er braucht, wo immer man kann“.

Der Glaube helfe ihnen, voranzukommen. „Der Herr hat versprochen, uns auch im Sturm nicht zu vergessen, wie die Jünger, die auf hoher See in den Sturm gerieten“, so Sabé und fügt an:

„Der Herr scheint zu schlafen, aber er ist da, um unsere Herzen zu beruhigen und unseren Geist zu besänftigen. Das ist das Prinzip, an dem wir als Maristen arbeiten, um weiterhin Hoffnung im Konkreten, im Realen zu säen: mit Lebensmittelpaketen, mit psychologischer Unterstützung, mit Bildung, mit der Entwicklung der menschlichen Person, mit Hilfe bei den Mieten.“

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

06. Februar 2024, 13:47