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In einem britischen Abschiebezentrum für Migranten In einem britischen Abschiebezentrum für Migranten  (AFP or licensors)

Großbritannien: Katholische NGO kritisiert Gesetz gegen Migration

London will bei illegaler Einwanderung das Asylrecht außer Kraft setzen und Migranten sofort und ohne Prüfung eines Asylgrunds abschieben. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS kritisiert das geplante „Stop the Boats"-Gesetz als ungerecht, weil es Menschen bestrafe, die vor dramatischen Wirklichkeiten fliehen mussten.

Linda Bordoni und Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Großbritannien hat diese Woche Einzelheiten eines neuen Gesetzes festgelegt, das Asylbewerbern, die in kleinen Booten über den Ärmelkanal kommen, die Einreise verwehrt. Der konservative Premierminister Rishi Sunak erklärte das Abfangen von Booten vor den Küsten des Landes zu einer seiner fünf Hauptprioritäten. Humanitäre Organisationen bis hin zu den Vereinten Nationen bewerten sein Gesetzesvorhaben „Stop the Boats“ als klaren Verstoß gegen das Völkerrecht.

„Im Wesentlichen ist dies eine weitere Maßnahme der britischen Regierung, mit der sie versucht, Menschen davon abzuhalten, mit kleinen Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu kommen", sagte im Gespräch mit Vatikan William Neal, Mitarbeiter des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Großbritannien. Die Einzelheiten des Gesetzesvorhabens seien zwar noch nicht bekannt, die Richtung aber klar. „Die Idee ist, dass das Innenministerium versuchen wird, diese Menschen entweder in ihr Herkunftsland oder in ein so genanntes ,sicheres Drittland' zu bringen, obwohl noch nicht bekannt gegeben wurde, was diese sicheren Drittländer sind -  abgesehen von dem laufenden Ruanda-Plan, der seit vielen Monaten vor den Gerichten in Großbritannien verhandelt wird."

Hier zum Hören:

Der Ruanda-Plan

Dieser Plan, der im April angekündigt und im Dezember 2022 für rechtmäßig erklärt wurde, sieht vor, dass Personen, die ohne Visum oder sonstige Einreiseerlaubnis im Vereinigten Königreich ankommen, nach Ruanda in Ostafrika ausgeflogen werden. Dort soll ihr Asylantrag bearbeitet und entschieden werden.

Bestrafung und Verwarnung

„Im Wesentlichen versucht der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form Menschen zu bestrafen, die im Vereinigten Königreich ankommen, nachdem sie den Ärmelkanal überquert haben“, erklärt Neal. „Das soll ein Signal sein für diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, ins Vereinigte Königreich zu kommen, und ihnen sagen, dass sie auf dieser Reise nicht willkommen sind."

William Neal zufolge will Großbritannien mit dem „Stop the boats“-Gesetz seine Verantwortung im Rahmen der Flüchtlingskonvention umgehen – zu Lasten anderer Länder. Der Vorstoß kommt zu einer Zeit, in der Millionen von Menschen weltweit und in Europa vor Gewalt, Verfolgung, Klimawandel und Armut fliehen. Vor den Küsten Italiens ertranken kürzlich 70 Männer, Frauen und Kinder beim Versuch, sich per Boot nach Europa zu retten. 

„Wenn Ihr Haus brennt, haben Sie nicht die Wahl, aus Ihrem Haus zu fliehen oder zu bleiben, während es um Sie herum brennt.“

„Offensichtlich“, so der Sprecher des britischen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, „treffen Menschen diese unglaublich schwierigen Entscheidungen, die ihr Leben in Gefahr bringen, um Zuflucht zu suchen. Aber wir scheinen zu vergessen, dass die Menschen in ihrem Heimatland verfolgt werden, dass sie keine Wahl haben. Wenn Ihr Haus brennt, haben Sie nicht die Wahl, aus Ihrem Haus zu fliehen oder zu bleiben, während es um Sie herum brennt."

Wer Menschen wirklich davon abhalten wolle, riskante und gefährliche Reisen zu unternehmen, müsse „Möglichkeiten entwickeln und anbieten, wie die Menschen sicher in ein Zufluchtsland reisen und sich dort niederlassen können", so Neal. Allerdings: „Die Antworten auf diese Fragen sind komplex und vielschichtig und werden die Zusammenarbeit vieler, vieler Länder erfordern."

Migration wird bleiben

Die Migration über den Ärmelkanal hat zuletzt drastisch zugenommen. 2018 hatten es nur 300 Bootsmigranten über die Meerenge zwischen Frankreich und Großbritannien geschafft. 2022 zählte das britische Innenministerium 45.000 Flüchtlinge, und für 2023 gehen die Prognosen von 85.000 Migranten aus.

Premier Rishi Sunak erklärt seine Initiative
Premier Rishi Sunak erklärt seine Initiative

Auch William Neal vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst hält fest, dass Migration „in den kommenden Jahren" ein bestimmendes Thema bleiben wird. Fertige Antworten in dieser Frage sieht er vorerst nicht. Aber, so betonte er, „Menschen für die Realität zu bestrafen, dass sie aus ihrer Heimat fliehen müssen, ist nicht die Antwort".

„Die Gemeinschaften des Willkommens gibt es"

Papst Franziskus hat in den zehn Jahren seines Pontifikats ungezählte Male dazu aufgerufen, Menschen auf der Flucht zu schützen, aufzunehmen, zu integrieren und zu fördern, und die Kirche in Europa stellt diese Frage den politischen Entscheidungsträgern immer wieder. Eine Stimme, so Neal, die „ungemein wichtig" ist. „Es kann sich schon entmutigend anfühlen, wenn sich eine laute Minderheit zu Wort meldet und man das Gefühl hat, ständig gegen diese unwillkommene und feindselige Kraft zu kämpfen. Aber diese Gemeinschaften des Willkommens, diese Gemeinschaften des Schutzes und der Integration, der Unterstützung und der Solidarität mit migrierenden Menschen, die gibt es.“

(vatican news – gs)

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10. März 2023, 09:12