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Bischof Pickel mit dem emeritierten Papst Benedikt (r.i.p.) Bischof Pickel mit dem emeritierten Papst Benedikt (r.i.p.) 

Bischof Pickel: „Dank an Benedikt aus dem fernen Russland“

Zum Gedenken an den verstorbenen Papst Benedikt XVI. hat uns der aus Deutschland stammende Bischof des russischen Bistums St. Clemens in Saratow, Clemens Pickel, an diesem Montag einen Text geschickt, den wir gerne veröffentlichen.

Von Bischof Clemens Pickel – Saratow, Russland

Es fällt mir immer noch schwer, in die heute letztlich selbst getroffene Entscheidung einzuwilligen: Ich kann nicht zur Beerdigung von Benedikt XVI. nach Rom fliegen. Das schmerzt umso mehr, weil ich weiß, dass auch die anderen drei Diözesanbischöfe unserer kleinen russischen Bischofskonferenz nicht dabei sein werden. Theoretisch könnte ich mir sagen: „Nimm dich nicht so wichtig!“ Und das Thema wäre vom Tisch. Im Herzen aber geht mir sein Tod nicht weniger nahe als der meiner Eltern. Mir hilft die Gewissheit, dass mir Benedikt XVI. mein Nicht-Kommen verzeiht.

„Mitarbeiter der Wahrheit sein, statt sie zu zerreden“

Nicht, weil er einst mein Vorgesetzter war, wollte ich dort sein. Für mich ist er ein heiliger Vater, aber auch ein großer Bruder. „Ist“, nicht „war“! Er hat mir geholfen, manch Wichtiges zu verstehen und anzunehmen. Die Teilnahme an der Beerdigung wäre möglicherweise auch ein Zeichen gewesen. Wem und wofür? Ein Zeichen im endlosen Brummkreisel von pro und contra? Der Tod eines geliebten Menschen erinnert auch an die Kostbarkeit der eigenen Tage. Auch ich möchte „Mitarbeiter der Wahrheit“ (Wahlspruch Joseph Ratzingers) sein, statt sie zu zerreden.

Jenen, die ihn weise, gelehrt, demütig und fromm nennen, kann ich nur dankend und mit Freude zustimmen. Für mich persönlich gehört noch das Wort „väterlich“ dazu. Einst trafen wir uns zufällig, als Kardinal Ratzinger quer über den Petersplatz von der Arbeit nach Hause ging. Da erinnerte er mich an das, was ich Jahre vorher während einer Synode, bei der über 200 Bischöfe zu Wort kamen, gesagt hatte. Als man mich ihm 2005 versehentlich als einen Bischof aus Kasachstan vorstellte, wandte er sich an mich und fragte: „Na, und wie geht’s in Russland?“ Und als ich ihm ein paar Jahre später in einem sehr persönlichen Gespräch unter vier Augen von verschiedenen Sorgen berichtete, antwortete er mir mit großer Ruhe: „Ich weiß“. In den zwei kurzen Worten klang kein oberflächlicher Hochmut, sondern Trost für Jahre im Voraus.

„Theologie und Spiritualität als nahtloses Ganzes“

Von seinen Predigten blieb mir die vom Weltjugendtag 2005 in Köln in besonderer Erinnerung. „Wir sind gekommen, um ihn anzubeten“ (Mt 2,2), war das Motto. Ausgehend von den heiligen drei Königen, die sich klein machen mussten, um die letzten Schritte ihres langen Weges zum Herrn zu machen, führte Papst Benedikt Jugendlichen den Sinn von Anbetung vor Augen, indem er das lateinische „Ad-oratio“ mit einem Kuss im Herzen deutete. Als sich der meine Muttersprache sprechende Papst dann bei seiner letzten Generalaudienz Ende Februar 2013 mit den Worten verabschiedete, dass wir uns nun nicht mehr sehen, aber uns im Gebet nahe sein werden, war ich dabei und nahm es schweren Herzens an.

Dass ich ihm später dennoch fünf Mal (heute gezählt) in den Vatikanischen Gärten und im Kloster Mater Ecclesiae begegnen durfte, zähle ich zu den großen unverdienten Geschenken in meinem Leben. Jedes Mal durfte ich jemanden mitbringen, und jedes Mal durfte ich erleben, wie sich dieser Heilige Vater ganz auf uns einstellte, erst recht, wenn er um Rat gebeten wurde. Übrigens hatte ich nie zuvor eine päpstliche Enzyklika mit solcher Leichtigkeit gelesen, wie seine erste: „Deus Caritas est“. Sie ist bis heute Richtschnur für die Caritas in unserem Bistum geblieben. Und in Benedikts Jesus-Trilogie (besonders: „Von Palmsonntag bis zur Auferstehung“) erlebte ich Theologie und Spiritualität als nahtloses Ganzes, wie es heute wohl nur ganz selten vorkommt.

Ja, nun werden wir uns vorerst nicht mehr sehen, aber im Gebet werden wir uns nahe sein. Das glaube ich heute hier an der Wolga noch fester als vor knapp 10 Jahren auf dem Petersplatz. Als ich am Silvestertag zufällig die Eilmeldung vom Tod Benedikts in den Nachrichten las, war ich allein in meine Kapelle gegangen und begann das „Großer Gott wir loben dich“ (auf Deutsch) zu singen. Schon bei der ersten Strophe kamen mir Tränen voller Dank und Vertrauen: Gott ist die Liebe.

Bischof Clemens Pickel

Saratow, den 2. Januar 2023
 

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02. Januar 2023, 19:46