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Phil Fontaine, kanadischer Indigenen-Ältester, bei seinem Rom-Besuch im Frühjahr 2022 Phil Fontaine, kanadischer Indigenen-Ältester, bei seinem Rom-Besuch im Frühjahr 2022 

Vergebungsbitte: Kanadischer Indigenen-Ältester bescheinigt dem Papst Mut und Demut

Die Vergebungsbitte von Papst Franziskus bei den kanadischen Indigenen war eine bemerkenswerte Geste. Das sagte uns Phil Fontaine, ein Ältester aus den First Nations, der selbst für einen Weg der Versöhnung offen ist. Dass alle Indigenen Kanadas die Vergebungsbitte des Papstes annehmen können, glaubt Fontaine aber nicht.

„Angesichts dieses empörenden Übels kniet die Kirche vor Gott nieder und bittet um Vergebung für die Sünden ihrer Kinder“: Diese denkwürdigen Worte hatte Papst Franziskus am Montag bei seiner ersten Begegnung auf kanadischem Boden vor 2.000 Indigenen in Maskwacis ausgesprochen. „Es kommt nicht jeden Tag vor, dass eine der mächtigsten Persönlichkeiten der Welt vor einer Gemeinschaft von Überlebenden von Internaten und deren Familien auftritt, und dass er die Überlebenden um Vergebung bittet“, sagte uns Phil Fontaine. „Ich denke, das erforderte eine Menge Mut und Demut. Es war ein besonderer Moment.“

„Ich denke, das erforderte eine Menge Mut und Demut. Es war ein besonderer Moment“

Phil Fontaine hatte 2009 seine dritte und letzte Amtszeit als Nationalleiter der „Assembly of First Nations“ beendet. Im selben Jahr traf er auch Papst Benedikt XVI. in Rom. Und im Frühjahr 2022 gehörte er zu der Indigenen-Delegation, die lange mit Papst Franziskus im Vatikan redete. Bereits damals habe Franziskus ähnlich gesprochen wie jetzt in Maskwacis und auch angekündigt, er werde seine Aussagen vertiefen, wenn er sie in Kanada besuche. „Denn darum“, erklärte Fontaine, „hatten wir schon lange gebeten, dass der Papst nach Kanada in unsere Gebiete kommt und bei den Überlebenden um Entschuldigung bittet.“ Dass Franziskus sein Versprechen nun eingelöst habe, sei ein bemerkenswerter Moment gewesen.

Zum Nachhören - was Fontaine sagt

Nicht alle können die Vergebungsbitte akzeptieren

Fontaine glaubt allerdings nicht, dass alle Indigenen Kanadas die Vergebungsbitte des Papstes akzeptieren werden. „Es liegt an jedem und jeder Einzelnen von uns Überlebenden zu sagen: Ja, ich akzeptiere die Entschuldigung, die Sie zum Ausdruck gebracht haben. Einige werden sagen: Nein, er ist nicht weit genug gegangen. Andere werden sagen: Nein, ich habe keine Entschuldigung nötig.“ Er selbst glaube, „dass Heilung und Versöhnung am besten durch Vergebung erreicht werden können“, sagte Fontaine, und Franziskus habe ausdrücklich um Vergebung gebeten, aber „für manche ist das ein sehr schwieriger Schritt.“ Wer diesen Schritt schon getan habe, so wie er selbst, durchlaufe einen heilenden Prozess der Versöhnung und bringe „sich selbst Frieden“, weil er die schreckliche Tragödie der Internatserfahrung ablegen könne.

„Für manche ist das ein sehr schwieriger Schritt“

Ab den 1880er-Jahren waren in Kanada Schätzungen zufolge 150.000 Kinder von Ureinwohnern von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in sogenannte Residential Schools gesteckt worden. Die Internate waren staatlich, wurden aber in vielen Fällen von Ordensgemeinschaften geführt. Die Kinder sollten darin ihre indigene Identität ablegen und sich an die europäisch geprägte Kultur Kanadas anpassen. Viele erlitten Misshandlungen und Gewalt, Hunderte starben.

„Wir haben immer noch das Thema der nicht markierten Gräber offen“

Erst seit dem Auslaufen der Indigenen-Internate in den 1980er-Jahren gelingt es mehr und mehr Überlebenden, über die erlittenen Misshandlungen zu reden und ihre Rechte einzufordern. „Wir haben immer noch das Thema der nicht markierten Gräber offen“, sagte Phil Fontaine im Gespräch mit uns. „Das wäre ein nächster Schritt in der Versöhnung mit der Kirche.“ Außerdem seien viele der Internate auf indigenem Land gelegen, sodass nun in einigen Situationen Druck auf die katholische Kirche in Kanada entstehen könnte, die Grundstücke zurückzugeben. Fontaine erwähnte auch einen Widerruf der sogenannten „Doktrin der Entedeckung" durch die katholische Kirche als ein noch anzugehendes Versöhnungsthema. Die „Doktrin der Entedeckung" basiert auf päpstlichen Bullen des 15. Jahrhunderts und sprach den spanischen und portugiesischen Kolonialherren das Recht zu, die indigene Bevölkerung zu unterwerfen. 

(vatican news – gs)

Der Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 29. Juli um 12 Uhr. 

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26. Juli 2022, 13:49