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Juli 2013: Papst Franziskus mit Flüchtlingen auf Lampedusa Juli 2013: Papst Franziskus mit Flüchtlingen auf Lampedusa 

Italien: Flüchtlingsschutz und Virus-Prävention vereinbar

Die Mittelmeer-Insel Lampedusa ist auch in der Corona-Pandemie weiter Anlaufstelle für Flüchtlinge, vor allem aus Afrika. Gerade diese Menschen sind den Folgen der Virus-Krise schutzlos ausgesetzt und brauchen Solidarität und Hilfe. Daran erinnert Inselpfarrer Carmelo La Magra im Interview mit Radio Vatikan.

Cecilia Seppia und  Anne Preckel – Vatikanstadt

Im Zuge der Corona-Pandemie war die Ankunft von Flüchtlingen auf Lampedusa zuletzt rückläufig. Mehrere Wochen waren keine mehr angekommen - bis vorletzte Woche, als auf einmal innerhalb von drei Tagen 150 Menschen in mehreren Booten die Insel erreichten.

Aufgrund der staatlichen Direktiven zur Eindämmung der Pandemie konnten diese Flüchtlinge jedoch nicht - wie sonst üblich - im Auffanglager der Insel untergebracht werden, berichtet Inselpfarrer Carmelo La Magra im Interview mit Radio Vatikan. Die Regierung in Rom hatte entschieden, die Flüchtlinge aufs Festland zu verlegen, und zwar unverzüglich. „Leider bedeutete dies, dass die Migranten eine Nacht in Kälte und Wind an der Anlegestelle verbringen mussten, um auf die Fähre zu warten“, erzählt La Magra.

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Flüchtlinge können nicht auf Lampedusa bleiben

Der italienische Geistliche macht sich in dieser Zeit viele Gedanken über schutzlose Menschen wie Flüchtlinge oder Häftlinge, die in Folge der Corona-Krise zusätzliches Leid erfahren. So befürchtet der Inselpfarrer, dass die ohnehin schon mangelnde Aufnahmebereitschaft gegenüber Flüchtlingen in Europa mit der Corona-Krise weiter schwinden wird.

„Das größte Risiko besteht doch derzeit darin, dass in dieser Zeit der Verwirrung und Angst Flüchtlinge allzu leicht als ,Sündenböcke’ herhalten müssen: sie werden als diejenigen gesehen, die uns (aufgrund der Ansteckungsgefahr, Anm.) in Gefahr bringen. Das geht freilich am Sinn der Aufnahme von Flüchtlingen vorbei - denn niemand will dabei ja den anderen gefährden, im Gegenteil.“

Mit der Corona-Krise haben existenzielle Sorgen auch die bislang sichersten und reichsten Länder der Welt erreicht. Pater La Magra appelliert an das Gewissen eines jeden Einzelnen: Statt jetzt ängstlich nur an den eigenen Schutz und Selbsterhalt zu denken, gelte es die schutzlosesten Menschen gerade jetzt nicht zu vergessen. Für sie seien Angst und Unsicherheit längst Alltag. La Magra:

„Wir sind es ja jetzt schon müde (aufgrund der Ausgangsbeschränkungen, Anm.), zu Hause zu bleiben. Denken wir aber an die Menschen in den Haftanstalten, in Flüchtlingslagern, an Kriegsschauplätzen. Wir sollten uns in die Lage derer versetzen, die jeden Tag mit dem Gefühl leben, in Lebensgefahr zu schweben.“

Lebensrettung auf Mittelmeer ausgesetzt

Viele Nicht-Regierungsorganisationen haben angesichts der Pandemie die Lebensrettung auf dem Mittelmeer ausgesetzt. Dies treibt fluchtbereite Menschen aus dem Süden erneut in die Hände von Menschenhändlern, denn der Strom der Flüchtlinge aus Afrika reißt auch in diesen Tagen nicht ab. Zugleich hat die Corona-Pandemie längst auch den afrikanischen Kontinent erreicht, wo der Virus in mehr als 30 Ländern nachgewiesen wurde.

P. La Magra macht nicht nur die schlechte Gesundheitsversorgung in den Herkunftsländern Sorge, sondern auch die prekäre Lage der Flüchtlinge in den Transitländern: „Ich denke da an Libyen, an den Libanon und Griechenland, so Migranten in großen Massen zusammenleben und wo Präventionsmaßnahmen kaum umzusetzen sind.“

Lampedusa könnte weiter Flüchtlinge aufnehmen

Dies ist nach Ansicht des Pfarrers von Lampedusa jedoch kein Grund, sich der Aufnahme von Flüchtlingen grundsätzlich zu versperren. La Magra ist überzeugt davon, dass auch Lampedusa trotz der Corona-Gefahr Flüchtlinge weiter aufnehmen könnte, wenn der italienische Staat das nur zuließe. Zumindest als Zwischenstation, angepasst an die neuen Gegebenheiten, die der Kampf gegen den Virus mit sich bringt.

„Die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften schließt die Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen nicht aus. Lampedusa darf die natürliche Berufung, eine Rettungsinsel für Flüchtlinge zu sein, nicht verlieren! Gerade in Zeiten, in denen es auf See an Rettungsmaßnahmen mangelt. Vielleicht könnte man den Transport besser organisieren und vermeiden, dass Migranten zu viel Zeit auf der Insel verbringen. So wäre es möglich, die Gesundheitsvorschriften einzuhalten und die Menschen in besser ausgestattete Quarantäneplätze zu bringen.“

Lampedusa hält sich an Auflagen zur Virus-Prävention

Grundsätzlich bemühten sich die Einwohner Lampedusas, alle Auflagen der italienischen Regierung und der Bischofskonferenz zu befolgen, um die Pandemie einzudämmen, unterstreicht P. La Magra weiter. Das bedeute aber nicht, „den Gläubigen fern zu bleiben“, so der Seelsorger, der weiterhin auch jeden Tag mit dem Auto auf der Insel herumfährt, um Menschen beizustehen.

„Jeden Tag wird hier Messe gefeiert, wenn auch hinter verschlossenen Türen. Ich läute dann die Glocken und alle Gläubigen wissen, dass sie sich in diesem Moment im Gebet vereinen können. Wir haben sozusagen eine Kirche geschaffen, die nicht ein paar Quadratmeter groß ist, sondern die die ganze Insel umfasst. Jeder fühlt sich dem Altar zugewandt. Auch nutzen wir stark das Lokalradio, das hier überall empfangen wird, verbreiten Einladungen, Gebete, Ermutigungen für diejenigen, die nicht hinauskönnen. Auch unsere Internet-Homepage, Facebook, WhatsApp ermöglichen uns, spirituell verbunden zu bleiben. und uns zum Beispiel zu einem verabredeten Zeitpunkt im Gebet zu vereinen. Dies ist die Zeit für Gemeinschaft, wenn auch nicht physisch, aber doch einer Gemeinschaft, die umso stärker erwünscht ist.“

Papstbesuch 2013 auf Lampedusa

Franziskus hatte die Mittelmeerinsel Lampedusa als eines seiner ersten Reiseziele als Papst gewählt, um Europa und der Welt von dort aus die Lage der Schutzlosesten vor Augen zu führen. Als der Papst die Insel im Sommer 2013 besuchte, kamen dort fast täglich neue Flüchtlingsboote an. Seitdem hat die Europäische Union unter anderem durch eine Vereinbarung mit Libyen den Migrationsfluss über das Mittelmeer zeitweise abgeschwächt. Dass die Fluchtbereitschaft von Menschen aus Afrika infolge der Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt werden könnte, hält Pater La Magra für möglich.

(vatican news – pr)

 

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23. März 2020, 13:35