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Zu Besuch in der „Fabrik der Heiligen“

Links vor dem Petersplatz steht eine Fabrik: die „Fabrik der Heiligen“ (fabbrica dei santi). Das ist der Spitzname der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, die in diesem Bürohaus aus der Mussolini-Zeit arbeitet. Ein Besuch in der Fabrik.

Lange Flure, viel Marmor und unzählige Büros voller Bücher und Dokumente - so sieht es aus an der Piazza Pio XII Nummer zehn.

„Die Praxis der Kirche, einige Gläubige selig- oder heiligzusprechen (Laien, Ordensleute, Priester, Bischöfe, Päpste), ist eine sehr alte Praxis.“ Das sagt uns der neue Hausherr, der sogenannte Präfekt der Kongregation: Es ist Kardinal Marcello Semeraro, ein enger Vertrauter von Papst Franziskus. „Aber die Kongregation, deren Aufgabe die Heiligsprechung ist, ist vergleichsweise jung. Papst Paul VI. hat 1969 zwei Realitäten voneinander getrennt, nämlich die jetzige Liturgiekongregation und unsere Kongregation.“

Die Verehrung von Heiligen geht in die früheste Zeit des Christentums zurück. Im ersten Jahrtausend waren es in der Regel die Ortsbischöfe, die jemanden heiligsprachen; später zog dann Rom die Sache an sich. Seit dem Mittelalter darf in der katholischen Kirche außer dem Papst überhaupt keiner mehr jemanden ins Buch der Heiligen eintragen.

Budget: 2 Millionen Euro pro Jahr

Dabei hat, wie Kardinal Semeraro uns erzählt, gerade der jetzige Papst Franziskus eine etwas eigenwillige Sicht der Heiligkeit.

„Der Papst hat eine sogenannte Apostolische Exhortation über die Heiligkeit geschrieben – darin steht eine Formulierung, die nahezu berühmt geworden ist, nämlich ‚die Heiligen von nebenan‘. Das ist die alltägliche Heiligkeit, die wir alle leben sollen, und das Zweite Vatikanische Konzil spricht ja in seiner Konstitution über die Kirche von der ‚allgemeinen Berufung zur Heiligkeit‘. Diese Berufung richtet sich nicht an außergewöhnliche Personen, an Helden. Nein, wir alle sind zur Heiligkeit berufen, und zwar seit unserer Taufe.“

Zum Nachhören: Ein Besuch in der Heiligen-Kongregation des Vatikans

Das heißt aber nicht, dass der Vatikan die Heiligenkongregation deswegen gar nicht mehr braucht – auch wenn er damit jedes Jahr ungefähr zwei Millionen Euro sparen würde, soviel hat Semeraro in seinem Jahresbudget. Nein, sagt der Kardinal, es gebe nun mal einige „Formen von Heiligkeit“, die als „Modell“ für alle Christen taugten. Und um diese Fälle kümmere sich seine Behörde, dazu werde sie auch weiter gebraucht.

Im Archiv
Im Archiv

Märtyrer sind Heilige erster Klasse

„An erster Stelle stehen in der Geschichte der Kirche natürlich die Märtyrer. Wir schreiben ihre Namen in den Kalender, setzen an ihren Festtagen besondere Liturgiefeiern an. Dann gibt es die, die Papst Franziskus die ‚neuen Märtyrer‘ nennt – Zeugen des Glaubens in der Welt von heute. Märtyrer sind etwas ganz Besonderes; in Italien hat besonders der Fall eines Anti-Mafia-Richters von sich reden gemacht, der im Mai seliggesprochen wurde.“

Und dann gibt es herausragende Christen, die keine Märtyrer waren, aber dennoch auf herausragende Weise ihren Glauben bezeugt haben. Diese Art des Glaubenszeugnisses nennt man im Vatikansprech „heroisch“. Semeraro erklärt: „Das soll heißen, diesen Menschen kann man als Modell, zur Nachahmung, allen Gläubigen empfehlen.“

Semeraro
Semeraro

Verfahren kommen nicht von oben, sondern von unten in Gang

Früher musste ein Christ schon fünfzig Jahre tot sein, ehe man auch nur ein Verfahren zu seiner Seligsprechung in Gang bringen konnte. Das hat sich 1983 geändert – da wurde ein neues Regelwerk in Kraft gesetzt, das diese Verfahren stark beschleunigt. Allerdings können sie sich immer noch sehr in die Länge ziehen, etwa bei komplexen Persönlichkeiten, die in schwierigen Zeitumständen gelebt haben, Stichwort Pius XII..

Aber wie kommt so ein Verfahren denn überhaupt ins Rollen, Herr Kardinal? „Das erste, wonach wir fragen, ist der sogenannte Ruch der Heiligkeit – das ist die vox populi. Heiligsprechung ist also nicht ein Prozess, der von oben einsetzt. Sie ist ein Prozess, der von unten anfängt, vom sensus fidei der Gläubigen aus. Damit geht eine sogenannte diözesane Phase los; die Bischöfe sind die ersten Verantwortlichen für den Start dieses Verfahrens.“

Derzeit fast 1.500 Verfahren in Rom anhängig

Und wenn die diözesane Phase ein positives Resultat erbracht hat? „Dann wird das ganze Dossier in die Kongregation gebracht. Sie untersucht die Gültigkeit des Prozesses, vertieft das Ganze, lässt es von Theologen, Historikern und schließlich von Bischöfen und Kardinälen prüfen. Und wenn deren Meinung einstimmig positiv ausfällt, geht das an den Papst.“

Derzeit sind – das verrät uns Kardinal Semeraro noch – in seiner Kongregation fast 1.500 Verfahren anhängig. Und in der diözesanen Phase sind es mehr als 600. Seit der Einrichtung der Kongregation im Jahr 1969 wurden über 3.000 Christen selig- und mehr als 1.400 heiliggesprochen. Jährlich bringt die „Fabrik der Heiligen“ zwischen 80 und 90 Verfahren zum Abschluss.

(vatican news – sk)

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13. Juli 2021, 10:58