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Papst Franziskus Papst Franziskus

Großes Papst-Interview für das mexikanische Fernsehen

Papst Franziskus beklagt Gewalt gegen Frauen. In einem großen Interview mit einem mexikanischen Fernsehsender, dessen Transkript am Dienstag veröffentlicht wurde, rügte er, dass Frauen „in der kollektiven Vorstellung nur an zweiter Stelle“ stünden.

Stefan von Kempis und Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Von dieser „zweiten Stelle“ bis zur Sklaverei sei es nur ein kurzer Weg; das verstehe man, wenn man mal durch die Seitenstraßen des römischen Hauptbahnhofs Termini gehe. „Und das sind Sklavinnen in Europa, im gelehrten Rom!“ Von dieser Sklaverei wiederum sei es dann nur ein kurzer Weg bis zur Gewalt und zum Mord an Frauen. Dabei funktioniere „die Welt nicht ohne die Frau“. Er hoffe, dass „das Blut so vieler getöteter, missbrauchter, verkaufter, ausgebeuteter Frauen“ zu einem neuen „Bewusstsein“ führe.

Zum Nachhören

In seinem Interview rührt Papst Franziskus an zahlreiche aktuelle Themen. Er verurteilt zum Beispiel den Bau von Mauern an der Grenze zwischen Mexiko und den USA mit der Bemerkung: „Wir hatten schon eine Mauer, die von Berlin, und die hat uns genug Kopfzerbrechen und Leid gebracht.“ Er staune darüber, dass der Mensch, anders als Tiere, Mauern und Zäune baue, „als wäre das unser Schutz“. Der wirkliche Schutz bestehe doch im Dialog, in Aufnahme und Integration. Das würde er übrigens genauso formulieren, wenn er jetzt nicht einer Interviewerin gegenübersitze, sondern dem US-Präsidenten Donald Trump.

Franziskus verteidigt sein Vorgehen im Fall Zanchetta

Der „Reichtum der Welt“ sei in den Händen einiger weniger Menschen konzentriert, „und jedes Mal gibt es mehr Arme mit weniger Möglichkeiten zum Leben“. Da sei es doch „klar“, dass die Armen „Auswege und neue Horizonte“ suchten. Politikern rät Franziskus zu Kreativität und Dialog – allerdings lässt er erkennen, dass er von Gesprächen mit Drogenbossen im Fall Mexiko nichts hält. „Das hört sich für mich übel an. So als ob ich, um der Evangelisierung in einem Land aufzuhelfen, einen Pakt mit dem Teufel einginge… Es gibt Pakte, die kann man nicht machen.“

Der Kardinalsrat leistet, auch wenn von seinen ursprünglich neun Mitgliedern derzeit nur noch sechs mitmachen, nach Ansicht des Papstes gute Arbeit – eingeschlossen Kardinal Maradiaga, den Franziskus als „ehrlich“ rühmt. Ausführlich äußert er sich zum Fall Zanchetta: So heißt ein argentinischer Bischof, dem sexueller Missbrauch an Seminaristen vorgeworfen wird und den Franziskus an die Kurie geholt hat. Zanchetta habe sich in einem Gespräch mit ihm zunächst „gut verteidigt“, darum habe er gedacht „In dubio pro reo“. Der Papst legt dar, welche Schritte er in dieser Hinsicht unternommen hat, und erklärt dann, ein großer Teil seiner Arbeit geschehe im Stillen. „Der Papst kann nicht jeden Tag öffentlich machen, was er alles getan hat. Jedenfalls habe ich in diesem Fall vom ersten Moment an nicht geruht.“

„Ich habe von McCarrick nichts gewusst -nichts, nichts“

Auch bei schweren Vorwürfen gegen Bischöfe gelte zunächst einmal die Unschuldvermutung: „Selbst bei den antiklerikalsten Richtern… Das muss man den Menschen erklären.“ Sein öffentliches Schweigen zum Fall des US-Kardinals McCarrick, angesichts von Vorwürfen des früheren Nuntius Viganò, bedenkt Franziskus mit dem Satz: „Die, die das römische Recht entwickelt haben, sagten, dass auch das Schweigen eine Art und Weise des Sprechens ist.“ Er fühle sich bekräftigt in seiner Absicht, die Medien einen Teil der öffentlichen Aufklärung des Falles übernehmen zu lassen. „Das war ein Schweigen des Vertrauens Ihnen (den Medien) gegenüber… und das Resultat war gut. Es war besser, als wenn ich die Dinge erklärt und mich verteidigt hätte.“

Er habe „von McCarrick nichts gewusst“, beteuert der Papst: „Nichts, nichts. Ich hatte nicht die geringste Vorstellung. Und wenn dieser (Viganò) sagt, er habe es mir in einem Gespräch gesagt – ich erinnere mich nicht, ob er davon gesprochen hat. Ob es stimmt oder nicht. Keine Ahnung! Aber Sie wissen, dass ich von McCarrick nichts wusste – sonst hätte ich doch wohl kaum geschwiegen, oder?“

Kinderschutzkonferenz? „Das Wichtige ist, dass wir in einem Prozess sind“

Die Kinderschutzkonferenz, zu der er Ende Februar 2019 Bischöfe aus aller Welt in den Vatikan einbestellt hatte, hat Papst Franziskus als Moment „sehr großer kirchlicher Gemeinschaft“ in Erinnerung. „Der Papst mit den Bischöfen… Es war sehr ernsthaft, sehr gut durchgeführt.“ Er sei davon überzeugt, dass die Bischöfe die Wichtigkeit des Kinderschutzes und des Kampfes gegen Missbrauch verstanden hätten. „Das Wichtige dabei ist, dass wir in einem Prozess sind. Meine Politik besteht darin, Prozesse anzustoßen.“

Ausdrücklich verteidigte Papst Franziskus seine Abschlussrede auf der Kinderschutz-Konferenz: „Einige haben nicht gut hingehört.“ Auf die „weltweite Korruption der Pädophilie“ hinzuweisen, bedeute nicht, die Skandale in der Kirche zu relativieren. Er habe „als Hirte sprechen“ wollen, „nicht wie beim Abschluss eines Kongresses“. Die Interviewerin wandte ein, vielen habe missfallen, dass der Papst die Missbrauchsskandale mit dem Teufel in Verbindung gebracht habe, antwortete Franziskus: „Das ist die Wahrheit, meine Liebe… Hier sehen wir nur den Geist des Bösen… Und ich sage ganz ehrlich: Ich kann mir das Problem der Pädophilie nicht anders erklären als mit dem Geist des Bösen.“

Causa Groer: Johannes Paul „wurde getäuscht“

In der Frage des Missbrauchs nahm Franziskus Papst Johannes Paul II. und den damaligen Kardinal Ratzinger vor Vorwürfen in Schutz, sie hätten nicht genug gegen Verdachtsmomente unternommen und Aufklärung verhindert. „Johannes Paul II. wurde manchmal getäuscht“, sagte Franziskus und verwies auf den früheren Erzbischof von Wien, Kardinal Hans-Hermann Groer.

Der Papst bestätigte im Gespräch mit der Journalistin auch, dass Johannes Paul II. am Ende seines Lebens Kardinal Ratzinger, den Präfekten der Glaubenskongregation und späteren Papst Benedikt XVI., ermächtigt hatte, im Fall des Mexikaners Marcial Maciel zu ermitteln. Ratzinger wie auch Johannes Paul seien „in diesen Dingen mutig gewesen“. Bei Johannes Paul II. müsse man auch seine Vergangenheit im Kommunismus betrachten, um seine Haltung zu verstehen, fuhr Franziskus fort. „Er kam aus einer geschlossenen Welt, eiserner Vorhang… und er hatte eine verteidigende Mentalität, oder er kannte tausend Dinge jener Welt.“ Niemand könne „an der Heiligkeit dieses Mannes und seinem guten Willen zweifeln“.

Ausdrücklich wiederholt Franziskus in dem TV-Gespräch einen Vergleich von Abtreibung mit Auftragsmord, für die er öffentlich viel gescholten wurde. Abtreibung sei nun mal „das Problem, dass ein menschliches Leben eliminiert“ werde. „Punkt. Mehr sage ich nicht… Ist es gerecht, ein menschliches Leben zu eliminieren, um ein Problem zu lösen? Antworten Sie selbst.“


China: Eine Minderheit der Katholiken fühlt sich ausgeschlossen

Zu China bestünden „sehr gute Beziehungen“, sagte der Papst, ohne Einzelheiten zu nennen. Anderntags hätten ihn wieder zwei chinesische Bischöfe besucht, einer der Untergrundkirche, der andere aus der staatlich anerkannten. „Sie anerkannten einander als Brüder und kamen hierher, uns zu besuchen. Das ist ein guter Schritt. Sie willen, dass sie gute Patrioten sein und die katholische Herde führen müssen.“ Angesprochen auf den Unmut, den einige chinesische Untergrundkatholiken über das vorläufige Abkommen zu Bischofsernennungen in China geäußert hatten, sagte der Papst, „die Katholiken genießen es jetzt, zusammen zu sein. „Mit der Außenpolitik der kleinen Schritte fühlen sich einige ausgeschlossen, das stimmt, aber es ist die Minderheit. De facto haben alle miteinander Ostern gefeiert, in diesem Jahr gab es keine Schwierigkeiten.“

(vatican news)
 

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28. Mai 2019, 14:16