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Die spektakuläre Scheich-Zayed-Moschee von Abu Dhabi Die spektakuläre Scheich-Zayed-Moschee von Abu Dhabi 

Öl, Sand und Dollars – Fragen und Antworten zu den Emiraten

Unser Korrespondent Stefan von Kempis berichtet von Abu Dhabi aus über die Reise von Papst Franziskus. Hier versucht er sich an einem kleinen Emirate-Porträt… im Q&A-Format.
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Warum haben die Emirate den Papst überhaupt eingeladen? Ist das reine Propaganda?

Bevor ich hierher kam, hatte ich offen gesagt diesen Eindruck, ja. Es gab kaum Informationen über die interreligiöse Konferenz, zu der Franziskus anreist (noch nicht mal eine Teilnehmerliste!), und die Fahrer der Shuttle-Busse gucken einen ratlos an, wenn man sie bittet, zur katholischen Kathedrale zu fahren. Aber Franziskus wird laut Programm an den schönsten Touristenstellen auftreten. Also nicht in einem Arbeiter-Vorort, sondern vor der spektakulären Scheich-Zayed-Moschee, die nachts ganz suggestiv blau leuchtet, und im „Gründer-Memorial“ am Meerufer, wo für diesen Scheich Zayed, den „Vater“ der Emirate, ein fast schon peinlicher Personenkult betrieben wird.

Aber ich habe gemerkt: Die Menschen in den Emiraten sind durchaus neugierig auf Franziskus. Sie haben gehört, dass sein Herz für Migranten schlägt, auch wenn sie Moslems sind – das interessiert die Leute. Und auf der Religionskonferenz (die allerdings im luxuriösesten Hotel der Emirate ausgerichtet wird) sagten mir alle Nicht-Muslime, die ich danach fragte: Nein, das ist keine Show hier. Das ist authentisch. Daraus kann etwas Interessantes, Neues werden. Ein Rabbiner aus Polen sagte mir: Schauen Sie mich doch an – ein Rabbi im Ursprungsland des Islam! Das ist doch unglaublich!

Ist Franziskus schon fast in Saudi-Arabien, oder sind die Emirate etwas ganz anderes?

Historisch gibt es schon Ähnlichkeiten zwischen Saudi-Arabien und den kleinen Scheichtümern am Golf: Sie wurden erst im 20. Jahrhundert unabhängig (die Emirate sogar erst 1971), und erst Ölfunde haben aus früheren Piratennestern oder Handelsoasen eine superreiche Region gemacht. Sowohl Saudi-Arabien als auch die Emirate haben eine immer besser ausgebildete Jugend, einen wachsenden demographischen Druck und die Notwendigkeit, sich wegen schwindender Ölvorkommen in den nächsten Jahrzehnten sozusagen neu zu erfinden.

Aber die Unterschiede überwiegen doch: Die Emirate waren immer an Handel und Wandel gewöhnt, das macht sie beweglicher, neugieriger auf andere, auch ihre Art zu glauben ist darum weniger starr. Und sie haben kein Mekka und Medina: Ihre nationale Identität müssen sie noch selbst mit Inhalt und Leben füllen. Dazu dienen architektonische Großtaten (z.B. eine Filiale des Louvre auf einer Insel vor Abu Dhabi) und Großereignisse – ob das Sport-Weltmeisterschaften sind oder eben ein Papstbesuch.

Weltweit haben nur die Emirate ein Verhältnis von nur fünf Prozent Staatsbürgern gegenüber 95 Prozent Ausländern. Das ist doch ein krasses Ungleichgewicht…

Ja, natürlich. Man hat oft über die schwierigen Arbeitsbedingungen der meist asiatischen Arbeiter gesprochen, und tatsächlich gibt es vielfach sklavenähnliche Zustände. Aber immer mehr dieser Nicht-Staatsbürger steigen doch auf in der Gesellschaft der Emirate, werden reich, schicken ihre Kinder in dieselben Schulen wie die Scheichs (das sind übrigens manchmal katholische Schulen!).

Und um nochmal auf das nationale Selbstbewusstsein zurückzukommen – die Emiratis definieren sich in ihrer Identität auch anhand dieses Gegenübers. Darauf hat eine sehr interessante Analyse des britischen „Chatham House“ vor ein paar Jahren aufmerksam gemacht, die ich im Internet gefunden habe. Nach dieser Einschätzung sind die Ausländer gar nicht die „Bedrohung“, als die sie immer dargestellt werden, sondern das zur eigenen Profilgewinnung nötige „Andere“. Natürlich tragen auch diese Ausländer dazu bei, dass die Emirate bunter und offener sind als Saudi-Arabien.

Apropos Bedrohung – die Emirate gelten doch als sehr stabil, sind sie das nicht?

Es stimmt, dass sie vom sogenannten Arabischen Frühling ab 2011 nicht erfasst wurden. Aber eine Garantie für Stabilität ist das nicht. Die Unruhen in Bahrain haben vor ein paar Jahren gezeigt, dass es auch am Golf auf einmal losgehen kann. Auch Kuweit ist unruhig; und Monarchien haben nicht automatisch eine bessere Chance auf Stabilität als andere autoritäre Systeme. Die Regimes hier am Golf sind jedenfalls sehr auf der Hut gegenüber Unzufriedenen und Radikalinskis; auch darum boykottieren sie Katar (Katar hat traditionell gute Beziehungen zu den Muslimbrüdern), und darum greifen sie in der Region in immer mehr Konfliktherde ein. Im Jemen-Krieg sind auch die Emirate dabei, und zwar um al-Quaida zu bekämpfen. 

In Europa lässt man sich ein bisschen vom Las-Vegas-Image der Emirate täuschen, aber in Wirklichkeit sind diese längst starke militärische und strategische Player. Sie schaffen es immer, sich in dieser Hinsicht hinter dem breiten Rücken der großen saudischen Nachbarn zu verstecken.

Die Golfemirate sind autoritäre Systeme – gibt es auch „demokratische“ Elemente?

Es gibt hier immerhin Parlamente – und zwar nicht als Hinterlassenschaft der Briten, sondern allesamt erst nach dem Abzug der Großmacht 1971 begründet. Und es gibt eine starke, jahrhundertealte Tradition des Ratschlagens: Madschlis nennt sich das. Sogar Markthändler und Schuhputzer können, jedenfalls in der Theorie, zu den Sprechstunden der Regierenden kommen und das Wort ergreifen. Regieren ist am Golf die Kunst, alle möglichen Interessen gegeneinander auszubalancieren: die der Kaufleute, der Studenten, der Frauen, die der Ausländer, die des religiösen Establishments und so weiter...

(vatican news)


 

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03. Februar 2019, 18:59