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Papst Franziskus (ganz links) bei der Generalaudienz am Mittwoch Papst Franziskus (ganz links) bei der Generalaudienz am Mittwoch 

Wie Schiffbruch: Franziskus sorgt sich um Christentum im Westen

Beim Blick auf die Zukunft des Christentums im Westen gibt es „mehr Gründe für Angst als für Hoffnung“. Das sagte Papst Franziskus im Interview mit einer norditalienischen Zeitung. Der Westen erinnere ihn an eine Situation des Schiffbruchs, bei dem die Überlebenden gerade ein Floß zimmern, um davonzukommen.

Andererseits habe Europas Geschichte auch schon tragischere Zeiten als die heutigen gesehen, sagte Franziskus dem „Eco di Bergamo“ in einem Interview, dessen Anlass die leihweise Überführung der sterblichen Überreste des heiligen Papstes Johannes XXIII. von Rom nach Bergamo war. Man müsse jedenfalls verstehen, dass in der heutigen Zeit „die absolute Identifikation des Christentums mit der westlichen Kultur keinen Sinn mehr macht“.

„Die absolute Identifikation des Christentums mit der westlichen Kultur macht keinen Sinn mehr“

Auch habe das Christentum „in sich die Kraft“, sich in der guten Nachricht vom gekreuzigten und für uns auferstandenen Christus zu erneuern. Franziskus gab Denkern und Theologen Recht, die eine bestimmte Linie dieser christlichen Erneuerung des Westens vertreten: „Entweder wird das zukünftige Christentum konkreter katholisch, universell, vollkommen kirchlich und respektvoll gegenüber den Kulturen, Afrika, Asien, Lateinamerika sein, oder es riskiert die Bedeutungslosigkeit in Bezug auf die Rettung der Welt“. Heilmittel des Christentums sei „ein immer größerer Vorrang der Liebe, der Verpflichtung zur Gerechtigkeit, zum Frieden“.

Zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten – einem gerade in Norditalien massiv diskutierten Thema -  stellte Franziskus klar, wahre Aufnahme könne nur selbstlos sein, sie koste Opfer. Die internationale Lage sei komplex, „aber auf jeden Fall bin ich überzeugt, dass die Mauern aus Angst errichtet werden, um das Leid des Bruders nicht sehen zu müssen, der stören könnte; sie werden errichtet, um das zu schützen, was man eigentlich mit anderen teilen müsste. Eine Mauer zu errichten bedeutet, sein Herz zu verschließen, es zu versiegeln wie ein Grab.“

„Eine Mauer zu errichten bedeutet, sein Herz zu versiegeln wie ein Grab“

Hier gebe es viel zu tun, fuhr der Papst fort, besonders in der Erziehung der Jüngeren: „Wir müssen eine neue Kultur, eine neue Mentalität schaffen, die neuen Generationen zum Denken erziehen, sodass sie sich selbst als eine einzige Menschheitsfamilie begreifen, als eine Gemeinschaft ohne Grenzen.“ Im Übrigen sei es ihm ein Trost, so Franziskus, dass das Geburtshaus von Papst Johannes XXIII. in Sotto il Monte bei Bergamo heute Asylsuchende aufnehme.

Abermals wandte sich der Papst deutlich gegen die Gleichsetzung von Terrorismus und Islam. „Diese Gleichsetzung mag in vieler Munde sein, aber sie ist eine Lüge und eine Dummheit.“ Die wichtigste Aufgabe der Religionen zusammen bestehe darin, „die Kultur der Begegnung zu fördern“ und zu verantwortungsvollem Umgang mit der Schöpfung zu erziehen.

„Die Gleichsetzung Islam und Terrorismus mag in vieler Munde sein, aber sie ist eine Lüge und eine Dummheit“

Der „dritte Weltkrieg in Stücken“ werde nicht nur mit Waffen geführt, sondern unsichtbar und immer stärker auch von Mechanismen der Unterdrückung geleitet. Ungleichgewichte dieser Art seien immer, so der Papst, mit einer „unüberlegten Ausbeutung von Mensch und Natur verbunden“. Die Aufgabe der Kirche angesichts dieser gesellschaftlichen Ungleichgewichte bestehe aber „nicht darin, die Regierungen zu wechseln, sondern die Logik des Evangeliums in das Denken und Handeln der Herrscher einzubringen“.

Zudem müsse man verstehen, dass Frieden die ganzheitliche Entwicklung von Individuen und Völkern voraussetze. „In Pacem in Terris hat uns Papst Johannes daran erinnert, dass es keine Harmonie, keine wahre Ordnung gibt, wenn wir nicht für eine gerechtere Gesellschaft, mehr Solidarität arbeiten: und das erfordert, dass jeder alle Formen von Egoismus, Individualismus, Gruppeninteresse auf jeder Ebene überwindet.“

(Vatican News – gs)

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25. Mai 2018, 13:44