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Der Weinberg des Herrn Der Weinberg des Herrn 

Unser Sonntag: Was nützt der Glaube, wenn er keine Frucht bringt?

Dekan Susak zeigt in dieser Betrachtung, dass sich für Jesus der Konflikt mit dem Establishment weiter zuspitzt. Und der korrupten Tempelhierarchie geht es nur um den Selbsterhalt.

Dekan Pfarrer Kurt B. Susak

27. Sonntag im Jahreskreis A

Evangelium Mt 21, 33–42.44.43


Er wird den Weinberg an andere Winzer verpachten

In der Reihe der Gleichnisse aus dem Matthäusevangelium, die uns die gegenwärtige Leseordnung präsentiert, haben wir am letzten Sonntag vom Gleichnis der beiden ungleichen Söhne gehört.

Wir erinnern uns an den zeitgeschichtlichen Zusammenhang der heutigen Bibelstelle:
Nachdem Jesus am Palmsonntag in die Heilige Stadt eingezogen ist und den Jerusalemer Tempel betritt, muss er die traurige Erfahrung machen, dass das Haus seines Vaters zu einem Ort verkommen ist, in dem es primär nicht mehr um die Ehre Gottes geht, sondern um den Selbsterhalt der Systemelite. «Ihr habt aus dem Tempel eine Räuberhöhle gemacht», das Wort Jesu. In einer mächtigen Geste treibt er die Händler und die Kaufleute aus dem Tempel hinaus, und stösst die Tische der Geldwechsler und Händler um.

Hier zum Nachhören

Der Konflikt mit dem Establishment spitzt sich zu

Der Konflikt mit dem religiösen und gesellschaftlichen Establishment spitzt sich in diesen Tagen der Karwoche zu. In drei aussagekräftigen Gleichnissen hält Jesus den Hohepriestern und Ältesten des Volkes den Spiegel vor Augen.
Im heutigen Gleichnis vom 27. Sonntag im Jahreskreis stellt Jesus zusammengefasst die Frage: Was nützt der Glaube aber, wenn er keine Frucht bringt?
Dieses zweite Gleichnis ist gleichsam ein prophetisches: Denn Jesus spricht hier von sich selbst und seinem Schicksal: Er hat den Karfreitag vor Augen. Er ist zwar gekommen, um die treulosen Winzer zur Besinnung und Umkehr zu rufen, wird aber letztendlich von ihnen getötet.

...es erinnert an die weltweite Christenverfolgung

In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an einen früheren Evangelien-Abschnitt, in dem es um den Feigenbaum geht, der keine Frucht bringt. Auf gleiche Weise bringt auch der heute im Text genannte Weinberg keine Frucht. Die Diener, die gesandt werden um die erwarteten Früchte einzubringen, werden geschlagen, sie werden misshandelt und manche werden sogar getötet. Hier erinnern wir uns unweigerlich an das Schicksal der weltweiten Christenverfolgung heute, die leider allzu oft im Fokus mitteleuropäischer Kirchenpolitik untergeht.

Zuletzt sandte er seinen Sohn

Jesus schildert in diesem Gleichnis, wie Gott mit dem Volk des Alten Bundes umgegangen ist. Er hat immer wieder Propheten gesandt. Immer wieder hat er einen neuen Versuch unternommen, um das alttestamentliche Gottesvolk doch noch zur Umkehr zu rufen. Genauso im Bild des heutigen Gleichnisses: Immer wieder schickt der Gutsherr Diener, damit sie doch noch die erhofften Früchte einholen können.
Schliesslich kommt es zum letzten Schritt. Dort heisst es: «Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. » Nochmals schildert Jesus hier eindrücklich die Geduld und Barmherzigkeit Gottes mit seinem Volk, der immer wieder weitere Versuche unternimmt das Volk – aber auch jeden einzelnen Menschen – für sich zu gewinnen.

„Die Tempel-Hierarchie dient nicht wirklich Gott und den Menschen, sie ist korrupt und dient dem eigenen Selbsterhalt.“

Was dann folgt, zeigt allerdings das egoistische Interesse der Pächter. Sie sagen: «Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn umbringen, damit wir sein Erbe in Besitz nehmen». Bildhaft beschreibt Jesus hier die Gier der Tempelaristokratie, die den Kult in Besitz genommen hat, um daraus für sich selber Profit zu schlagen. Die Tempel-Hierarchie dient nicht wirklich Gott und den Menschen, sie ist korrupt und dient dem eigenen Selbsterhalt. Dies leider oft, bis heute. Sie bringt nicht die erwarteten Früchte.

Ist Jesu Tod ein Versehen?

Im Galaterbrief heisst es: «Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen».
Warum tut Gott der Vater das? Warum sendet er seinen Sohn, die zweite göttliche Person der Dreifaltigkeit, in die Welt? Warum inkarniert sich der Logos – und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt? Im Gleichnis hat der Weinbergbesitzer noch gehofft: Das ist mein Sohn, vor diesem werden sie Achtung haben – und er hat sich getäuscht.
Ja, hat sich Gott der Vater, der Allmächtige, der Schöpfer des Himmels und der Erde, wie wir ihn im Glaubensbekenntnis bekennen, denn getäuscht? Ist der Tod Jesu schlichtweg ein Versehen - weil Gott die Selbstgerechtigkeit und Bosheit des Menschen unterschätzt hat?

„Das Reich Gottes wird denen genommen werden, die keine Frucht bringen.“

In enger Verbindung mit dem heutigen Schrifttext steht auch der Prophet Jesaja wenn er von diesem Weinberg singt: Dem Weinberg des Volkes Israel. Auch dieser Weinberg bringt keine Frucht - also wird er niedergerissen. Das Reich Gottes wird denen genommen werden, die keine Frucht bringen. - Nur: Wenn bereits Jesaja dieses Handeln Gottes schon Jahrhunderte vorher angekündigt hatte, warum war es dann noch nötig, den eigenen Sohn hinzugeben und sterben zu lassen? Hätte Gott nicht sein gewaltiges Strafgericht über die gottvergessene Menschheit direkt vollziehen können?

Gott will unser Heil!

Ja, das hätte er tun können, aber er tat es nicht. Denn Gott geht es nicht in erster Linie um ein Strafgericht. Gott will unser Heil! Das Urteil am Ende des Gleichnisses: «Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten» kommt nämlich nicht aus dem Munde Jesu - das Urteil wird von den Hohepriestern und den Ältesten des Volkes vorgeschlagen.
Gottes Plan sieht aber eben kein Strafgericht vor, sondern eine Erlösung.

„Er kommt um in menschlich unerklärlicher Langmut und Geduld um jede Seele zu kämpfen.“

Er selbst kommt in den Weinberg - durch seinen Sohn - nicht um den bösen Menschen ein böses Ende zu bereiten, wie es die Pharisäer vorschlagen. Nein, er kommt, um auch noch um die bösen Menschen zu ringen. Er kommt um in menschlich unerklärlicher Langmut und Geduld um jede Seele zu kämpfen.
Nachdem Gott gezeigt hat, dass er bis zum Äussersten gegangen ist und sogar seinen Sohn geopfert hat anstatt die Winzer zu vernichten; lässt er sie immer noch am Leben:
Jetzt aber ohne Weinberg, ohne Gnade und ohne Reich Gottes. Das verheisst er jetzt einem anderen Volk: Das Volk, das sich auf seinen geopferten Sohn beruft und sagt: Diesen Gott beten wir an, der alles gegeben hat, sogar seinen Sohn.

Eucharistie ist Vergegenwärtigung des Erlösungsgeschehens

Hier wird deutlich, dass mit Jesus dem Christus das Gottesreich des neuen Bundes angebrochen ist. Im Kreuzestod und der Auferstehung Jesu Christi erkennt die Kirche das Opfer der Erlösung der Menschheitsfamilie an. Nach jeder Wandlung betet sie «Deinen Tod o Herr verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit». Die Eucharistie ist die Vergegenwärtigung des Erlösungsgeschehens, die das Gottesvolk des neuen und ewigen Bundes Sonntag für Sonntag feiert.
Es ist eine Tragik, dass das Geheimnis des Glaubens im Lebensvollzug der Christenheit kaum noch Widerhall findet. Dass das göttliche Werk der Erlösung der Menschheit in Jesus Christus kaum ein Echo in manchen Herzen findet. Ein Blick in die Sonntagsgottesdienste vor allem in Mitteleuropa zeigt uns dies. Mehr noch: Die innere Abwendung und die Nichtkenntnis der Glaubenszusammenhänge und damit der Abwendung von der Institution Kirche führt unweigerlich zum äusseren Vollzug eines Kirchenaustrittes.

Wie den Kirchenaustritten begegnen?

Wie dem begegnen? Indem das Evangelium und die Botschaft Christi immer mehr verwässert und einem Zeitgeist angepasst wird?Wenn in diesen Tagen der weltweite synodale Prozess beginnt, dann ringt die Kirche als Gottesvolk genau um diese Fragen. Welche Frucht bring das kirchliche Tun heute hervor? Können Menschen den Sinn im Glaubenswissen und persönlichen Glaubensvollzug erahnen, lernen, verinnerlichen? Ist die Weitergabe des Glaubens an die kommenden Generationen fruchtbar? Welche neuen Rahmenbedingungen braucht es, damit kirchliche Verkündigung fruchtbar ist? Denn: an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!

„Es sind alle willkommen im Gottesreich des neuen Bundes, alle, die nur ein wenig Bereitschaft mitbringen“

Bei all dem gilt doch immer noch die Einladung: Die Bereitschaft, Frucht zu bringen und Frucht zu sein - nicht für sich oder andere, sondern primär zur Ehre Gottes. Die Bereitschaft, sich nicht auf eigene Leistungen und Strategien zu berufen, sondern immer nur auf den Tod und die Auferstehung des Sohnes, der uns erlöst hat.

Die Bereitschaft, wie der Vater bis zum Äussersten zu gehen.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

 

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07. Oktober 2023, 10:27