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Markus Stefan Bugnyár Markus Stefan Bugnyár 

Unser Sonntag: Das Angebot Gottes gilt bis zuletzt

In diesem Kommentar verdeutlicht uns Markus Stefan Bugnyár noch einmal die Gerechtigkeit Gottes. Das Evangelium beruft sich auf die Tagesstruktur der Antike - die auch bei der Verleugnung durch Petrus und dem Hahnenschrei eine große Rolle spielte.

Mt 20,1-16 25. Sonntag im Jahreskreis A

Der Verwalter des Besitzers des Weinbergs kannte offensichtlich seinen Herrn schon recht gut, denn er brauchte gar keine weitere Erklärung dafür. Er wusste sofort, was sein Herr im Sinn hat, als er ihm den Auftrag gab, den Lohn für die Arbeiter auszuzahlen, angefangen bei den letzten bis hin zu den ersten.

Hier zum Nachhören

Er kennt seinen Herrn und weiß, dass er großmütig ist und jeder dieser Arbeiter, ganz gleich, wann er in den Weinberg geschickt wurde, denselben Lohn erhalten wird. Womöglich aber nicht nur der Verwalter kannte seinen Herrn, sondern auch die Arbeiter, die im Laufe des Tages angeworben worden sind. Denn, auffallender Weise fragt ja keiner nach: „Wie viel willst du mir denn bezahlen?“ Sie hören lediglich: „Du wirst bekommen, was recht ist dafür.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Wieder geht es um das Himmelreich

Erinnern wir uns an den letzten Sonntag. Da war auch von einem Gleichnis die Rede, ebenso vom Himmelreich, dem Königreich der Himmel und einem König. Und nun ist es ein Gutsbesitzer, der Menschen in seinen Weinberg schickt, ein Gutsbesitzer ein „Oiko Despotes“, also der Herr, der Gebieter über ein Haus, wobei Haus hier nicht nur ein physisches Gebäude meint, sondern die Menschen, die zu einem Haushalt gehören, die Familie des Besitzes ebenso wie jene, die für ihn arbeiten und in Dienst stehen.

Ein „Oiko Despotes“ ist ein Wort, das sehr oft bei den Synoptikern in den Gleichnissen Jesu begegnet. Das heutige Evangelium speist sich aus zwei Strängen. Das eine ist ein durchwegs biblischer, auf dem Boden des Alten Testamentes formulierter und der andere ein konkret aus dem Alltagsleben der Menschen gegriffener Erzählstrang, mit dem jeder etwas anfangen kann.

Arbeiten im Weinberg

Auch heute noch sehen wir in Großstädten Menschen in der Früh an bestimmten Plätzen sich versammeln, in der Hoffnung, dass irgendjemand stehenbleibt und sie mitnimmt, um Tätigkeiten in Haus und Garten auszuführen.

Der biblische Faden ist offensichtlich der Weinberg, von dem hier die Rede ist. „Weinberg“ als Ausdruck für das Volk Israel, der Weinberg Gottes, von dem uns Jeremia, der Prophet erzählt.
Der Weinberg ist das Eigentum Gottes, sein Volk, zu dem er den einzig geliebte Sohn Jesus schickt, nachdem die zuvor gesandte Knechte gemartet und ermordet wurden. Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben, sagte sich der Vater in Mk 12.

Struktur des Tages in der Antike 

Frühmorgens, um die dritte Stunde, um die sechste Stunde, um die neunte Stunde um die elfte Stunde. So hatte man den Tag in der Antike strukturiert. Frühmorgens bedeutet um etwa sechs Uhr, die dritte Stunde neun, die sechste Stunde zu Mittag, die neunte Stunde also 3 Uhr, nachmittags und die elfte Stunde etwa gegen 17 Uhr. In unserem Verständnis endete der Arbeitstag mit Sonnenuntergang. Und darüber hinaus hatte die damalige Zeit den Tag unterteilt in Nachtwachen, ebenso drei davon, wobei die erste Nachtwache von 18 bis 22 Uhr gehen würde, die zweite von 22 bis 2 Uhr morgens, die dritte von 2 Uhr morgens bis zum Sonnenaufgang. Der Sonnenaufgang wiederum wurde mit dem Hahnenschrei verbunden. Das war sogar die Bezeichnung für eine konkrete Uhrzeit. Die Zeit des Hahnenschreis.

Petrus und der Hahnenschrei

Das erinnert uns an den Prozess Jesu, an sein Verhör, an die Szene mit Petrus, von dem es ja heißt: „Ehe der Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnet haben.“ Wenn man nicht bedenkt, wie die Antike den Tag strukturierte, Uhrzeiten definierte, müsste man sich ja eigentlich fragen: „Woher wusste dieser Hahn, wann Petrus Jesus dreimal verleugnet haben wird?“ Nein, es ist eine Uhrzeit-Angabe bis zu dem Moment des Hahnenschreis. Also die ganze Nacht hindurch wirst du, lieber Petrus, nichts anderes, nichts Besseres zu tun wissen, als mich, deinen Herrn Jesus, zu verleugnen. Und genauso kam es ja, wie wir wissen.

Das Gleichnis Jesu orientiert sich am Alltagsleben der damaligen Menschen, an dem, wie es ihnen erging, an dem, wie sie ihren Lebensunterhalt zu verdienen trachteten, an dem, wie sie ihren Tag strukturieren. „Niemand hat uns angeworben.“ höret der Gutsherr um die elfte Stunde, „Geht auch ihr in meinen Weinberg!“

Wollte der Gutsherr die Spannung?

Ganz am Ende, als es nun Abend geworden war, sagt der Besitzer: „Zahl‘ jedem seinen Lohn aus. Angefangen bei den Letzen bis hin zu den ersten.“ Man dürfte fragen: „Hat der Gutsherr es darauf angelegt, eine gewisse Spannung zu erzeugen?“ Denn logisch wäre ja gewesen, bei den ersten anzufangen, die auch schon länger tätig waren, damit sie endlich nach Hause gehen können und nicht umgekehrt bei den letzten. Da aber die letzten denselben Lohn bekommen, der den ersten schon versprochen wurde, entsteht natürlich, ganz menschlich betrachtet, eine Erwartungshaltung bei den ersten, von frühmorgens um sechs, dass der Herr es sich vielleicht anders überlegt hatte, denn schließlich mussten sie ja, wie es heißt, die Last und die Hitze des ganzen Tages ertragen. Die Spannung steigt und offensichtlich wird sie ganz bewusst als Stilelement in diesen Text hineingetragen.
Aber auch Sie erhalten nur einen Denar und murren, - wie Sie meinen, „vollkommen zu Recht“ - denn diese letzten haben ja nur eine Stunde gearbeitet „und du, Herr, hast sie uns gleich gestellt.“

Dir geschieht kein Unrecht

Die Antwort des Gutsherrn überrascht, indem er nämlich sagt „Freund, dir geschieht kein Unrecht.“ Denn, das haben wir ja vereinbart. Nun, das ist nicht das Überraschende, dass er daran erinnert, daran gemahnt, dass man sich doch bitte auf beiden Seiten, bei beiden Parteien, dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer an die Arbeitsvereinbarung halten möge.

Der Knecht als Freund

Das Überraschende ist, dass dieser Gutsherr plötzlich den Knecht, den Arbeiter im Weinberg Freund nennt. Im Griechischen „hetairos“. Und das ist ein Wort, das wiederum nur bei Matthäus im Neuen Testament begegnet, in Kapitel elf für eine Gruppe spielender Kinder, die untereinander sich als Freunde, als Spielgefährten bezeichnen.

Judas als Freund

Das Wort „hetairos“ begegnet aber auch noch bei Matthäus im Kapitel 26, nämlich im Garten Gethsemane, als Judas Jesus verrät und an die Römer ausliefert und Jesus Judas fragt: „Freund,“, „Hetairos,“, „dafür bist du gekommen, um mich zu verraten und auszuliefern.“

Bei biblischen Schriftstellern tut man gut daran, solche Parallelen im Blick zu behalten. Solches Vokabular begegnet in den meisten Fällen nicht grundlos an zentralen Stellen der biblischen Erzählung. Und plötzlich erscheinen auch die Uhrzeitenangaben in einem gänzlich neuen Licht als nur Tageszeiten anzugeben.

Ist Dein Auge böse, weil ich gut bin?

Ist denn möglicherweise auch der, der Jesus verrät, ein Arbeiter der letzten Stunde? Sein ganzes Leben lang, den ganzen Tag über nichts mit ihm und seiner Kirche zu tun haben wollte, im übertragenen Sinne die Last des Tages und die Hitze der Arbeit nicht erdulden wollte, - ganz am Ende erst hinzukommt; davor ein, wenn man so möchte, anders strukturiertes Leben geführt hat oder aber auch nur gefaulenzt, bishin dazu, dass man zu Jesus in der Öffentlichkeit nicht stand, ihn verleugnet hat?Auch diese sind gerufen, zur Kirche, zum Volk Gottes zu gehören. Denn, darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder ist dein Auge böse, weil ich gut bin?

Ein böses Auge? Das gehört in die Erfahrungswirklichkeit der Menschen der damaligen Zeit.

Der böse Blick

Der böse Blick, das böse Auge, das kennen wir von den Babyloniern und Sumerern, davon erzählt uns der römische Schriftsteller Plutarch. Genauso wie es die Texte aus dem 19. und 20. Jahrhundert tun, wenn man den bösen Blick eines gerade erst Verstorbenen meiden wollte. Der böse Blick, der sich aus dem Neid anderen Menschen gegenüber nährt und wenn man ihnen nicht ausweichen kann, auch zu bösen Folgen im eigenen Leben führt.

Neid zerfrisst alles

Es ist der Neid, die Missgunst, die Menschen von innen her auffrisst und die so stark werden kann, dass sie das zwischenmenschliche Leben vollkommen vergiftet.

Davor müssen wir uns schützen. Denn, der Gutsbesitzer, der „Oiko Despotes“. Er hat einen überreichen Schatz, an dem er nach seinem Willen alle gemeinsam teilhaben lassen möchte, ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt des Tages, zu welchem Zeitpunkt des Lebens man für sich beschließt, dem Herrn zu folgen. Der „Oiko Despotes“, der Herr über ein Haus, der Herr über den Haushalt, bestehend aus dem Kreis der Familie und den Mitarbeitern. Dieses Haus sind wir.

In einem solchen Gemeinschaftswesen haben auch die letzten ein Anrecht und eine Chance auf den vollen Lohn des Tages. Natürlich unter der entscheidenden Voraussetzung, dass wir uns durch den Herrn anwerben lassen, auch wenn alle anderen um uns herum den Eindruck haben möchten, für unser eigenes Leben wäre es lange schon zu spät und verwirkt.

Nein, das Angebot Gottes gilt und steht bis in die allerletzte Stunde des Tages, die allerletzte Stunde unseres Lebens.

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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23. September 2023, 11:00