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Ukrainische Frauen überqueren die Grenze zu Polen Ukrainische Frauen überqueren die Grenze zu Polen 

Österreich: Verheerende Folgen des Ukraine-Krieges für Leihmütter

Auf die durch den Krieg drastisch verschärfte Situation ukrainischer Leihmütter hat das Wiener Bioethikinstitut IMABE hingewiesen. Der Krieg habe die Schattenseiten des Baby-Business auf tragische Weise sichtbar gemacht, berichtet Geschäftsführerin Susanne Kummer.

Die Ukraine galt bislang als beliebte und kostengünstige Destination des Reproduktionstourismus: Jährlich 2.000 bis 2.500 Kinder wurden zuletzt von ukrainischen Frauen gegen Bezahlung ausgetragen für andere Paare, die zu 90 Prozent aus dem Ausland bestellten. Gegenüber Radio Vatikan erläutert Kummer:

Zum Nachhören - wie schrecklich die Lage für ukrainische Leihmütter ist

„Die Leihmutterschaft ist in der Ukraine zu einem riesigen Business geworden, vor allem dadurch, dass andere Länder wie Indien, Thailand oder Nepal inzwischen verboten haben, dass Ausländer Kinder bestellen. In der Ukraine ist das aber möglich. 90 Prozent aller Fälle von Leihmutterschaft gehen auf Bestellung von ausländischen, westlichen, reichen Paaren zurück. Wir sind jetzt in einer dramatischen Situation für diese jungen Leihmütter, die diese jungen Ukrainerinnen, die in erster Linie aus Armut heraus, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder für ihre Familie Leihmutterschaft übernommen haben.“

„Wir haben nun Berichte bekommen aus der Ukraine, von Frauen, die Fehlgeburten gehabt haben.“

Leihmutterschaft sei eine „neue Spielart von Leibeigenschaft“, die eklatant gegen Menschen- und Kinderrechte verstoße, frauenverachtend sei und Kinderhandel bedeute, so Kummer. Infolge des Krieges berichten internationale Medien vor allem über die Wunscheltern, die um die Sicherheit ihrer Säuglinge am Kriegsschauplatz besorgt sind. Das Schicksal der ukrainischen Leihmütter, die zwischen Krieg und Fremdinteressen zerrieben werden, interessiert jedoch niemanden, so die Ethikerin. Und fügt an:

„Dass diese jungen Frauen nun zwischen zerbombten Kliniken und ohne Rückhalt der sogenannten Agenturen, die eigentlich für sie zuständig sind, mit Kindern schwanger sind, die nicht ihre eigenen Kinder sind. Sie tragen ja einen fremden Embryo aus. Das ist eine Hoch-Risikoschwangerschaft und es ist nicht klar, wer überhaupt diese Frauen medizinisch in diesen katastrophalen Zuständen des Krieges versorgen kann. Wir haben nun Berichte bekommen aus der Ukraine, von Frauen, die Fehlgeburten gehabt haben. Medizinisch werden sie aber nicht versorgt. Wir wissen von einer der größten Leihmutterschaft-Agenturen in Kiew, dass derzeit zwei- bis dreihundert schwangere Leihmütter ihr Kind in diesen Tagen gebären sollten.“

Bis zu 65.000 Euro

Die Agentur BioTexCom mit Sitz in Kiew hält 25 Prozent am globalen Markt für Leihmutterschaft, wobei ein Kind für die Auftraggeber zwischen 40.000 und 65.000 Euro kostet, erklärte Kummer unter Verweis auf Erhebungen des „Journal of Public and International Affairs“ der Princeton University im Jahr 2020. Ukrainerinnen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, zumeist aus prekären sozialen Verhältnissen, würden mit 8.000 bis 10.000 Euro Honorar - dem Dreifachen eines ukrainischen Jahresgehalts - gelockt, ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Das Gros der Einnahmen geht an die Agenturen. Kummer:

„Der Kontakt zu diesen Agenturen ist nicht möglich. Die Frauen, deren Arbeitsplatz sozusagen ihr Körper ist, werden zerrieben zwischen den verschiedensten Interessen, die bestehen. Eltern aus dem Ausland, das sind die, die meist in den Medien auch vorkommen. Haben natürlich ein Interesse, dass es den Frauen gut geht, damit es gut geht für diese Kinder, die sie ja bezahlt haben, die sie bestellt haben. Also diese ausländischen Paare aus Irland, aus Argentinien, aus Österreich, aus der Schweiz. So gibt es viele. Etliche wünschten sich am liebsten, dass die Leihmutter die Ukraine verlässt und das Kind auf sicherem Boden zur Welt bringt.“

„Und wenn sie kein Baby abliefern, dann bekommen sie auch keine Bezahlung.“

Schon vor dem Krieg war die Situation für Leihmütter eine in vielerlei Hinsicht schwierige: Sobald mit dem fremden Embryo schwanger, seien die betroffenen Frauen in einer Wohnung weit weg von ihren Heimatstädten und unter Aufsicht eines Vorgesetzten versammelt und zur Einhaltung strenger Zeitpläne gezwungen worden. Auch zu möglichen Abtreibungen könnten sie vertraglich verpflichten werden. Die Menschenrechtsgruppe „La Strada“ erhielt laut Kummer pro Jahr an die 100 Anrufe von ukrainischen Leihmüttern nach einer Misshandlung. Und auch in Sachen Entlohnung hielt man sich oft nicht an die hohen Versprechungen: Manche Leihmütter berichteten, die Agentur habe ihnen letztlich nur wenige Hundert Euro bezahlt. Kummer:

„Die Leihmütter selber sind gespalten. Einerseits haben sie ihre ganze Familie auch in der Ukraine. Viele wollen das Land nicht verlassen, weil sie ihre eigene Familie nicht verlassen wollen. Andererseits brauchen sie bei den ganzen Fragen rund um die Geburt eine medizinische Versorgung. Und wenn sie kein Baby abliefern, dann bekommen sie auch keine Bezahlung. Sie sind aber auf das Geld angewiesen. Und wir sehen hier auch das Interesse der Agenturen, die die Eltern wiederum davor warnen, dass das Kind außerhalb der Ukraine geboren wird.“

Behandlung „wie Tiere“

Angesichts der aktuellen Kriegssituation frage sich niemand, wer sich in zerbombten Häusern und Spitälern um die medizinische Versorgung der Leihmütter kümmere, kritisierte Kummer. Die jungen Frauen würden von den Agenturen teils angehalten, ihr Kind abtreiben zu lassen, während andere aufgrund der dramatischen Kriegssituation Fehlgeburten erlitten, geht aus einem Bericht des britischen „Guardian“ (10. März) hervor. De facto hätten die Frauen keinen Anspruch auf Bezahlung oder Entschädigung, da diese laut Vertrag erst bei der Ablieferung eines gesundes Baby ausgezahlt wird. Viele Betroffene würden berichten, man behandle sie wie „Tiere“.

„Und es sollte uns diese ganze schreckliche Situation in der Ukraine erneut dazu bewegen, was wir schon lange fordern, ein internationales Verbot für Leihmutterschaft auszurufen“, so Kummer.

(kap/vatican news – mg/gs)

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15. März 2022, 14:31