Suche

Symbolbild Symbolbild 

Studie: In Nachkriegszeit haben Heimkinder in BRD und DDR massiv gelitten

Heimkinder waren in der BRD und in der DDR massiver pädagogischer, medizinischer und therapeutischer Gewalt ausgesetzt. Trotz der Systemdifferenz und der unterschiedlichen politischen, pädagogischen und gesundheitspolitischen Voraussetzungen waren strukturelle Mängel in beiden deutschen Staaten ähnlich stark ausgeprägt.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die durch die Stiftung Anerkennung und Hilfe in Auftrag gegeben und an diesem Donnerstag vorgestellt wurde. Sie belegt, dass die Unterbringungsbedingungen in den Heimen und kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen an psychiatrischen Krankenhäusern und Universitäten mangelhaft waren.

In allen Einrichtungen hätten die Betreuten unter mehr oder minder schwer ausgeprägter Gewalt und fehlender Förderung gelitten, so die Verfasser der Studie. Die nun vorliegenden Ergebnisse sollten auch dazu dienen, Schlüsse für die Prävention und die Aufsicht in derartigen Einrichtungen zu ziehen, so die Deutsche Bischofskonferenz in einer Mitteilung zur Studie.

Aufarbeitung notwendig

Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 17 kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen an psychiatrischen Krankenhäusern und Universitäten sowie Heime für Minderjährige mit Behinderung in der BRD und der DDR untersucht. Analysiert wurden Einrichtungen in öffentlicher, katholischer und evangelischer Trägerschaft. Innerhalb des Projektes sind insgesamt über 1.500 Fallakten und rund 60 Interviews mit Betroffenen, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ausgewertet worden. Hinzu kamen über 170 Zuschriften von Betroffenen, Angehörigen oder ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Projekt über ein im Internet eingerichtetes Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenportal erreichten.

Die Analyse der 17 Einrichtungsstudien sowie des inzwischen verfügbaren allgemeinen Forschungsstandes zu Leid- und Unrechterfahrungen in Behindertenhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrien unterstreiche den weiteren Bedarf nach lokal und regional fokussierten Aufarbeitungsbemühungen, so die Verfasser der Forschungsarbeit.

Gemeinsame Arbeit von Bund, Ländern und Kirchen

Bund, Länder und Kirchen hatten die Stiftung Anerkennung und Hilfe ins Leben gerufen. Damit sollen Betroffene unterstützt werden, die zwischen 1949 und 1975 als Kinder oder Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland bzw. zwischen 1949 und 1990 in der ehemaligen DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie in öffentlicher oder kirchlicher Trägerschaft Leid und Unrecht erfahren haben und heute noch an den Folgen leiden. Hierfür haben die Träger rund 305 Mio. Euro zugesagt. Ein Großteil der Summe, 204 Mio. Euro, ist bereits als individuelle Anerkennungsleistung ausgezahlt worden. Insgesamt viereinhalb Jahre, bis zum Juni 2021, hatten Betroffene Zeit, sich bei der Stiftung zu melden.

Im Oktober 2017 hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales darüber hinaus ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern verschiedener Standorte unter der Koordination des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Düsseldorf mit der Studie betraut. Deren Ziel war es, mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des erlittenen Leids die materiellen Entschädigungszahlungen für Betroffene zu begleiten. Vorgestellt wurde die Studie an diesem Donnerstag durch den Leiter des Forschungsteams, Heiner Fangerau. Im Arbeits- und Sozialministerium, dem Träger der Stiftung, übergab er sie anschließend den Vertretungen des Bundes, der Länder sowie der Kirchen.

(pm- cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

01. Oktober 2021, 10:50