Afghanistans letzter Priester: Dank für Papstappell
Deborah Lubov und Christine Seuss - Vatikanstadt
Der Barnabit Giovanni Scalese war nicht nur der letzte, sondern auch der einzige katholische Priester in Afghanistan, er stand der kleinen Diaspora-Gemeinde vor, die sich für Messfeiern in der Kapelle der italienischen Botschaft in Kabul traf. Papst Pius XI. hatte vor rund einhundert Jahren den Wunsch, eine katholische Mission in Afghanistan einzurichten. Doch mit der Machtübernahme durch die Taliban fiel das fragile Konstrukt in sich zusammen, so ist Giovanni Scalese einer der tausenden ausländischen Bürger, die Hals über Kopf das Land in Richtung Heimat verlassen mussten. Sieben Jahre hatte er zuvor in Afghanistan unter nicht immer einfachen Bedingungen seinen kirchlichen Dienst versehen.
Mit Blick auf die Überschwemmungen, die das Land und seine Bewohner nun getroffen haben, zeigt er sich froh über die Worte des Papstes, die ein Schlaglicht auf die Lebensbedingungen eines Volkes werfen, das bereits vor den Überschwemmungen schwer unter dem Fehlen der Güter des täglichen Bedarfes litt. Er selbst habe von den verheerenden Überschwemmungen, die hunderte Menschenleben gefordert und immense Schäden angerichtet haben, nur wenige gesicherte Nachrichten erhalten:
„Ich habe in den letzten Tagen von einem Mitbruder von mir, Pater Moretti, der mein Vorgänger in Kabul war, von dieser Tragödie erfahren, weil sonst niemand in den Medien darüber spricht. Stattdessen beherrschen andere, weniger wichtige Ereignisse die Medien, über die jeden Tag, sogar wochenlang, gesprochen wird. Wenn es um Afghanistan geht, herrscht Schweigen. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass der Heilige Vater gestern Morgen diesen Aufruf abgesetzt hat. Wir sind ihm in der Tat sehr dankbar, gerade weil er diese Mauer des Schweigens durchbrochen hat. Wir hoffen, dass wenigstens jetzt, nachdem er darüber gesprochen hat, einige Medien darüber berichten, weil sonst niemand etwas darüber weiß.“
Wichtiger Appell des Papstes
Bereits vor den Überschwemmungen seien das Land und seine Bevölkerung bitterarm gewesen; hinzu komme, dass die Menschen es mittlerweile gewöhnt seien, alles zu verlieren und die Situation so gut wie möglich zu bestehen.
„Die Opfer, diejenigen, die ihr Leben verlieren, können natürlich nichts tun. Die anderen werden versuchen, so weiterzumachen wie bisher, so wie sie es in der Geschichte Afghanistans immer getan haben, zähneknirschend und jedes Mal von neuem. Natürlich hofft man dennoch immer noch auf das Eingreifen derer, die eingreifen könnten. Der Papst selbst hat gestern Morgen an die internationale Gemeinschaft, an die Nichtregierungsorganisationen, an die internationalen Gremien appelliert. Hoffen wir, dass es Interventionen gibt, um diesen Menschen zu Hilfe zu kommen.“
Land und Leute sind in Vergessenheit geraten
Mit großem Bedauern habe er festgestellt, dass nach der Machtübernahme durch die Taliban in Kabul nicht mehr über dieses Land gesprochen werde, so der Missionar weiter. Ein Gegenmittel habe er auch nicht dazu…: „Das ist leider genau das, was nach dem 15. August 2021 passiert ist. Niemand redet mehr über Afghanistan. Weil es niemanden mehr interessiert! Es interessiert nicht, leider! Die Welt der Information ist nicht objektiv, sie berichtet nicht über alle Nachrichten, sie ist sehr selektiv. Sie wählt nur bestimmte Nachrichten aus, die für die breite Öffentlichkeit von Interesse sein könnten oder die aus ideologischen oder politischen Gründen wichtig sind. Und so ist Afghanistan in diesem Fall völlig in Vergessenheit geraten. Ich hoffe jedoch, dass sich allmählich die Einsicht durchsetzt, dass internationale Organisationen und insbesondere Nichtregierungsorganisationen unabhängig davon, wer in einem Land an der Regierung ist, dafür sorgen sollten, dass Menschen in Not Hilfe erhalten, unabhängig von dem politischen Regime, das in einem bestimmten Land an der Macht ist.“
Auch er selbst habe leider keine guten Erinnerungen an seine Zeit in Afghanistan, in dem er bereits seit 2015, vor der endgültigen Machtergreifung durch die Taliban, als einziger katholischer Priester im gesamten Land tätig war. Es seien „sehr schwierige Jahre” gewesen, räumt Scalese ein: „Ich hatte nicht die Möglichkeit, das Land zu bereisen, es war zu riskant, selbst wenn man sich nur in Kabul aufhielt, in der italienischen Botschaft, wo die katholische Mission ihren Sitz hatte. Man konnte sich nicht einmal in der Stadt bewegen, weil es gefährlich war. Ich würde sagen, es gab jeden Tag Anschläge. Das Land befand sich also im Kriegszustand, so dass ich keine guten Erlebnisse hatte, über die ich berichten könnte. Wenn es eine gute Erinnerung gibt, dann ist es die vom 13. Oktober 2017, als wir am Ende der Hundertjahrfeier der Erscheinungen von Fatima Afghanistan dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht haben, und das gibt mir viel Zuversicht. Denn auch wenn Afghanistan von allen ignoriert, vergessen, verlassen wird, so kann es doch nicht von Gott und Maria verlassen werden. Und Afghanistan ist auch im Unbefleckten Herzen Mariens, das dieses Land und sein Volk ganz sicher beschützen wird und nicht zulassen wird, dass dieses Volk untergeht, trotz aller Prüfungen, denen es ausgesetzt ist. Ich danke dem Heiligen Vater, dass er an Afghanistan gedacht hat, und hoffe, dass diese Interventionen eine gewisse Wirkung zugunsten des afghanischen Volkes haben werden.“
(vatican news)
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