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Kardinal Zuppi und P. Silva sprechen über die Bombenanschläge und deren Aufarbeitung Kardinal Zuppi und P. Silva sprechen über die Bombenanschläge und deren Aufarbeitung 

5 Jahre nach Oster-Attentaten in Sri Lanka: Gerechtigkeit gefordert

An diesem Sonntag jähren sich die Bombenanschläge vom Ostersonntag in Sri Lanka zum 5. Mal – und eine juristische und transparente Aufarbeitung der Verbrechen ist nach wie vor nicht in Sicht. Rohan Silva, Direktor des Zentrums für Gesellschaft und Religion in Colombo, sprach im Interview mit Radio Vatikan über sein unermüdliches Streben nach Gerechtigkeit.

Linda Bordoni und Christine Seuss - Vatikanstadt

Auch fünf Jahre nach den Bombenanschlägen vom Ostersonntag in Sri Lanka sind die Hintermänner der Attentate nicht bekannt. Den koordinierten Anschlägen, die am 21. April 2019 voll besetzte christliche Kirchen und drei internationale Hotels trafen, fielen mindestens 290 Menschen zum Opfer, Hunderte wurden verletzt. Die Wunden sitzen tief und eine Aufarbeitung für die Betroffenen steht noch aus, da die Hintermänner und politischen Verantwortlichkeiten immer noch nicht aufgeklärt wurden.

Von Anfang an hatte sich der Kardinal von Colombo, Malcolm Ranjith, gemeinsam mit der katholischen Führungsriege Sri Lankas mutig und entschlossen für eine unabhängige Untersuchung und die Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft eingesetzt. Auch der italienische Kardinal Matteo Zuppi – seines Zeichens Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz und „Friedensbeauftragter“ des Papstes - hat seine Unterstützung zugesagt und sich dem Aufruf angeschlossen, „gemeinsam für Gerechtigkeit zu kämpfen“.

Hier zum Nachhören
Die Mutter von zwei Opfern der Anschläge in ihrem Heim in Colombo
Die Mutter von zwei Opfern der Anschläge in ihrem Heim in Colombo

Oblatenpater Rohan Silva, Direktor des Zentrums für Gesellschaft und Religion in Colombo, war in den Wochen vor dem fünften Jahrestag des Massakers in Italien, um mit der großen dortigen srilankischen Gemeinde der Opfer der Anschläge zu gedenken und sich mit Kardinal Zuppi zu treffen, der der Kirche des südasiatischen Inselstaates seine Unterstützung zugesichert hat. In einem Interview mit Vatican News erklärte Pater Silva, dass das von ihm geleitete Zentrum in Colombo sich der Förderung der Menschenrechte, der Gerechtigkeit und des Friedens verschrieben hat. Ein Team bemüht sich insbesondere um Gerechtigkeit für die Opfer der Bombenanschläge, ihre Familien und die Bevölkerung Sri Lankas.

„Der Gerechtigkeit ist nie Genüge getan worden“

„Am 21. April diesen Jahres sind die Anschläge fünf Jahre her. Und immer noch ist der Gerechtigkeit nicht Genüge getan worden beziehungsweise sie scheint nach wie vor in weiter Ferne“, beklagt der Priester. Zwar seien von der Regierung diverse Untersuchungsberichte in Auftrag gegeben worden, vom Malalgoda-Bericht über die Ergebnisse des parlamentarischen Sonderausschusses bis hin zum Bericht der Präsidialkommission. Doch diese Bemühungen seien bislang ins Leere gelaufen, während der Verdacht der politischen Einflussnahme und des bewussten Mangels an gründlichen Untersuchungen weiterhin im Raum stehe. Es sei jedenfalls allgemein anerkannt, dass die ersten Warnungen, die die Geheimdienste vor den Anschlägen erhalten hätten, ernste Fragen über das Versagen der Regierung bei der Verhinderung der Tragödie aufgeworfen hätten.

Gedenken am vierten Jahrestag der Anschläge
Gedenken am vierten Jahrestag der Anschläge

Politische Hintergründe für die Untätigkeit

Die Nachlässigkeit der Behörden, auf die Warnungen der Geheimdienste zu reagieren, könne nicht schwer genug eingeschätzt werden, betont Pater Silva. Schließlich habe es klare Anzeichen für eine bevorstehende Bedrohung gegeben, bis hin zum Tag der Anschläge selbst, doch es seien keine entscheidenden Maßnahmen ergriffen worden: „Wir glauben, dass der damalige Präsident Maithripala Sirisena informiert war, aber er sagt, er sei nicht informiert worden", bemerkt dazu P. Silva.

Inwieweit politische Motive der (mangelnden) Reaktion der Regierung auf die Warnungen zugrundelagen, sei daher Gegenstand intensiver Untersuchungen gewesen. In diesem Zusammenhang sei auch der begründete Verdacht aufgekommen, dass die Anschläge zu politischen Zwecken genutzt wurden, was die Suche nach Wahrheit und Verantwortlichkeit weiter erschwere.

„Wir wissen, dass die speziellen Anschläge von allen Politikern während des Wahlkampfs instrumentalisiert wurden, auch um antimuslimische Stimmungen zu schüren. Wir müssen auch glauben, dass es sich um eine politische Konspiration handelt. Und wir bitten nun, bitte, untersucht das genauer! Doch was wir sehen, es werden nur Versprechungen abgegeben, nichts Ernsthaftes ist bis jetzt getan wurden.“

Im November 2019 fanden in Sri Lanka die Präsidentschaftswahlen statt, zu denen der amtierende Präsident Sirisena nicht mehr angetreten war. Stattdessen unterstützte seine Partei den Kandidaten und einstigen politischen Verbündeten Sirisenas Gotabaya Rajapaksa, der die Wahlen dann auch gewann.  

Unabhängige Untersuchungen nötig 

Wie Pater Silva angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen und der politischen Instabilität betont, sei es besonders wichtig, sich weiterhin für unparteiische Ermittlungen und die Rechenschaftspflicht für alle Beteiligten einzusetzen, unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit. Denn das Streben nach Gerechtigkeit sei nicht nur ein moralisches Gebot, sondern auch ein Mittel zur Heilung und Versöhnung. Außerdem sei es auch dringend nötig, um das Vertrauen in die Institutionen wiederherzustellen und die fragile Einheit unter den verschiedenen Gemeinschaften Sri Lankas zu fördern. In diesem Zusammenhang habe die katholische Kirche unter der Leitung von Kardinal Ranjith eine entscheidende Rolle gespielt:

„Als das Massaker stattfand, hätte es zu einem Blutvergießen im Land kommen können! Das war auch eines der Ziele der Drahtzieher der Anschläge, die hofften, bei der starken christlichen Gemeinschaft in diesen Gegenden antimuslimische Stimmungen zu schüren und Wähler zu manipulieren. Und dann trat Malcolm Ranjith hervor und traf sich mit den muslimischen Führern in der Gegend und versicherte ihnen, dass ihrer Gemeinschaft nichts passieren würde. Ich denke, das verhinderte das zweite Blutvergießen im Land nach dem Massaker.“

Doch nur wenige Monate nach den Anschlägen auf christliche und internationale Elemente in Sri Lanka sei es zu gezielten Anschlägen auf muslimische Ziele in der Gegend gekommen – ein klares Zeichen dafür, dass es den Drahtziehern hinter den Attacken darum gegangen sei, Unruhe im Land zu schüren: „Wir müssen also untersuchen: warum wollten die Hintermänner Unruhe im Land schüren? Ist es für politische Zwecke? Oder ist es, um die Gemeinschaften untereinander getrennt zu halten? So dass sie einfacher zu manipulieren sind?“

Der streitbare Kardinal Malcolm Ranjith nimmt bei seinen Forderungen nach Aufklärung kein Blatt vor den Mund
Der streitbare Kardinal Malcolm Ranjith nimmt bei seinen Forderungen nach Aufklärung kein Blatt vor den Mund

Noch mehr Blutvergießen verhindert

Nach wie vor sei die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Glaubensgemeinschaften in Sri Lanka ausgezeichnet, so Pater Silva, der jedoch die Sorge äußert, dass politische Einmischung zu einer Spaltung führen könnte.

„Leider sehen wir, dass die politische Einmischung in diese Angelegenheit zu unnötigen Spaltungen innerhalb der Gemeinschaft führen könnte und sie [die Politiker] könnten daraus Kapital schlagen!“

Auch aus diesem Grund sähen sich er und sein Team dazu gezwungen, die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und von internationalen Organisationen zu erbitten. Vor allem die Partnerschaft mit dem Menschenrechtsrat in Genf sei eine wertvolle Hilfe für die Bemühungen seiner Kommission, sagte er.

„Wir versuchen, darauf hinzuarbeiten, dass die Regierung ihre Verantwortung übernimmt und eine unabhängige Untersuchung dazu macht, um die Drahtzieher der Anschläge aufzudecken. Doch wenn das nicht innerhalb des Landes passiert – wir sind zwar davon überzeugt, dass das möglich wäre, aber es gibt andere Kräfte, die diese Untersuchungen zu blockieren scheinen… Deshalb laden wir die internationale Gemeinschaft dazu ein, die srilankesische Regierung dazu zu bringen, eine unabhängige Untersuchung vorzunehmen, und dann damit an die Öffentlichkeit zu treten, was wir uns erwarten, eine Gerechtigkeit, die zumindest auf dem richtigen Weg ist.“

Kardinal Zuppi hat seinerseits Unterstützung für den Kampf um Aufklärung versichert
Kardinal Zuppi hat seinerseits Unterstützung für den Kampf um Aufklärung versichert

Eintreten für Gerechtigkeit

Der tragische Jahrestag der Anschläge werde jedes Jahr sowohl in Sri Lanka als auch von den srilankischen Gemeinschaften in der ganzen Welt begangen, erzählt Pater Silva abschließend: „Jedes Jahr gedenken wir dieses Ereignisses. Aber es geht nicht nur darum, eine Kerze anzuzünden, sondern die Menschen aufzufordern, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. An den Orten, an denen sich die Anschläge ereignet haben, wird es Gedenkveranstaltungen in Anwesenheit von Botschaftern und allen religiösen Führern geben, die Kerzen anzünden und versprechen, sich gemeinsam für Gerechtigkeit einzusetzen.“

Die zerstörte Kirche S. Sebastian in Negombo am Tag nach dem Anschlag
Die zerstörte Kirche S. Sebastian in Negombo am Tag nach dem Anschlag

Abends werde es in Colombo auch eine große Prozession geben, um an das Ereignis zu erinnern und die Regierung gemeinsam aufzufordern, die Ermittlungen unparteiisch fortzusetzen, so P. Silva weiter: „Sie sagen, die Untersuchungen seien abgeschlossen vorbei, aber das sind sie nicht, und das wissen wir“, bemerkt er.

„Sie sagen, die Untersuchungen seien abgeschlossen vorbei, aber das sind sie nicht, und das wissen wir“

Es gelte in diesem Zusammenhang, weiterhin Druck auf die Regierung auszuüben, so P. Silva. Für die Anteilnahme und Unterstützung sei er auch Kardinal Zuppi und weiteren „besorgten“ Menschen dankbar, die er bei seinem Besuch in Italien getroffen hatte:

„Er [der Kardinal, Anm. d. Red.] hat uns willkommen geheißen und gesagt, dass er sich freut, Teil dieses Kampfes zu sein, und dass er uns auf jede erdenkliche Weise unterstützen wird, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Er steht auch in Kontakt mit Kardinal Colombo und hat ihn dazu einem Treffen eingeladen, so dass sie gemeinsam sehen können, wie eventuell die italienische Regierung eingebunden werden könnte.“

Kardinal Zuppi werde am 21. April in der Kathedrale von Bologna auch die große Gedenkmesse mit der srilankischen Gemeinschaft Italiens feiern, kündigt P. Silva abschließend an: „Wir glauben, dass dies eine große Unterstützung für unser Volk sein wird, und wir glauben, dass diese Unterstützung auch von anderen kommen wird.“

(vatican news)

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20. April 2024, 12:12