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Cité Soleil: Der größte Slum von Port-au-Prince. Hier gibt es keine Polizei, keine Kanalisation, keine Läden und so gut wie keine Elektrizität Cité Soleil: Der größte Slum von Port-au-Prince. Hier gibt es keine Polizei, keine Kanalisation, keine Läden und so gut wie keine Elektrizität 

Haiti: Ein Herz für Straßenkinder

Im bitterarmen Haiti hat es sich eine Gemeinschaft katholischer Schwestern zur Aufgabe gemacht, Straßenkindern zu helfen. In den Heimen, Schulen und Katechismuszentren der „Kizito-Familie“ finden Mädchen und Jungen in einem Elendsviertel der Hauptstadt Port-au-Prince eine Auszeit von der Gewalt des Alltags und Hoffnung auf ein besseres Leben. Bei einem Besuch in Rom hat uns Schwester Paësie von ihrer Mission erzählt.

Marine Henriot und Silvia Kritzenberger – Vatikanstadt

Seit 2019 dient die französische Ordensfrau den Kindern im Elendsviertel Cité Soleil, dem größten Slum der haitianischen Hauptstadt. Nachdem sie 1999 von ihrer Kongregation, den Missionarinnen der Nächstenliebe Mutter Teresas, in ein Waisenhaus und eine Krankenstation geschickt worden war, beschloss Schwester Paësie, ihre eigene Ordensgemeinschaft zu gründen: die „Famille Kizito“. „Ich sah die Kinder, die auf den Straßen herumlungerten und allen möglichen Gefahren ausgesetzt waren, und ich spürte, dass der Herr mich bat, etwas zu tun, um diese Kinder zu schützen,“ lässt die Ordensfrau im Gespräch mit Radio Vatikan die Anfänge ihrer Mission Revue passieren.

Familie Kizito: Seit 2017 im Dienst der Straßenkinder im Slum Cité Soleil
Familie Kizito: Seit 2017 im Dienst der Straßenkinder im Slum Cité Soleil

 

Hier zum Hören:

Aus dem ersten Heim für Straßenkinder sind inzwischen vier geworden, zwei für Mädchen und zwei für Jungen. Orte, an denen sich die sechs Schwestern der „Kizito-Familie“ um Kinder kümmern, die sich selbst überlassen sind und leicht Opfer von Straßenbanden werden. Cité Soleil ist einer der größten Slums der westlichen Hemisphäre. Etwa 400.000 Menschen leben hier in maroden Blechhütten in extremer Armut.

Kinder in den Slums: ein Leben inmitten von Gewalt und Hoffnungslosigkeit
Kinder in den Slums: ein Leben inmitten von Gewalt und Hoffnungslosigkeit

 

Die Kinder schützen

Ein Junge, der zur Schule geht, wird in Haiti nicht so leicht von bewaffneten Gruppen behelligt, erklärt Schwester Paësie: „Bei einem Jungen, der auf der Straße lebt, kann es dagegen leicht vorkommen, dass er sich rekrutieren lässt.“ Familie Kizito will den Kindern im Slum einen Ort geben, an dem sie in Sicherheit sind. In Cité Soleil bietet die Ordensgemeinschaft auch Nachhilfeunterricht an, unterhält acht kleine Schulen (mit 1.500 Kindern), Kantinen, Zentren für außerschulische Aktivitäten wie Tanzen und Sticken – und „Maison Marcel Van“: einen Zufluchtsort, wo Kinder ihre Familienbande wieder aufbauen können.

Auch das Kind eines Bandenchefs hat bei Schwester Paësie Aufnahme gefunden: „Dieses Kind hatte verstanden, dass es vielleicht gezwungen sein würde, denselben Weg einzuschlagen wie sein Vater ... Um diesem Schicksal zu entgehen, ist der Junge zu uns gekommen. Heute ist er Pfadfinderführer.“

Familie Kizito: Kindern eine bessere Zukunft geben
Familie Kizito: Kindern eine bessere Zukunft geben

 

In Cité Soleil gibt es viele Katechismus-Zentren. In einem von Gewalt geprägten Alltag ist die Evangelisierung eine Wette auf die Zukunft, erklärt die Nonne: „Die einzige langfristige Antwort besteht darin, die Werte des Evangeliums zu vermitteln: Vergebung, den Sinn für das Gemeinwohl, bei dem der Stärkere den Schwächeren schützt. Eine Gesellschaft kann ohne diese christlichen Werte nicht aufgebaut werden.“

Explosion der Gewalt

Schwester Paësie lebt seit 24 Jahren auf Haiti. Sie hat miterlebt, wie die Insel ins Chaos gestürzt wurde. Kriminelle Banden kontrollieren mittlerweile mehr als die Hälfte der Hauptstadt Port-au-Prince. Zwischen dem 1. Juli und dem 30. September dieses Jahres meldete die nationale Polizei 1.239 Morde, im Vergleich zu 577 im selben Zeitraum des Jahres 2022. Von Juli bis September wurden 701 Personen entführt – darunter 221 Frauen, 8 Mädchen und 18 Jungen; 244% mehr als 2022 im gleichen Zeitraum. Und Zahlen der Vereinten Nationen belegen auch, dass zwischen dem 24. April und dem 30. September 388 Menschen wegen ihrer angeblichen Bandenzugehörigkeit gelyncht wurden.

Entführungen sind an der Tagesordnung, finden mittlerweile sogar am helllichten Tag statt. Niemand bleibt verschont, auch nicht die Geistlichen vor Ort. Im April 2021 wurden sieben katholische Geistliche entführt, etwa 20 Tage später hat man sie gegen Lösegeld wieder freigelassen.

In Cité Soleil unterhält die Ordensgemeinschaft acht kleine Schulen für 1.500 Kinder
In Cité Soleil unterhält die Ordensgemeinschaft acht kleine Schulen für 1.500 Kinder

 

Die Frage, ob sie denn keine Angst um sich und ihre Gemeinschaft habe, wischt Schwester Paësie mit einem Lächeln weg und erzählt uns lieber folgende Anekdote: Ein paar Tage vor unserem Gespräch sollten sie und ein Fahrer Kinder zu einer Taufe bringen, doch das Auto war von einer Bande gestohlen worden: „Ich ging zu der Bande. Und dort sah ich vermummte Männer, die mit Kalaschnikows bewaffnet waren. Ich ging zu ihrem Anführer und sagte: „Guten Tag, ich sehe, dass da mein Auto steht. Eigentlich bräuchte ich es, weil wir zu einer Taufe fahren müssen...“ Und seine Antwort war: „Entschuldigen Sie, Schwester, wir wussten nicht, dass das Ihr Auto ist! Das wird nicht wieder vorkommen. Beten Sie für mich, Schwester.“

Hintergrund

Die Ordensgemeinschaft „Famille Kizito“ wurde von Schwester Paësie gegründet. Die französische Nonne war fast 20 Jahre lang als Missionarin der Nächstenliebe in Haiti tätig, bevor sie die Erlaubnis erhielt, einen neuen Schwesternorden zu gründen, um Kindern aus benachteiligten Familien in "Cité Soleil" zu helfen: einem Elendsviertel, das von Gewalt und Bandenwesen bestimmt wird.

„Famille Kizito“ ist nach dem hl. Kizito benannt, dem jüngsten der ugandischen Märtyrer, die 1886 für ihren Glauben starben. Heute betreut die Gemeinschaft 2.500 gefährdete Jugendliche durch Bildungszentren, Lebensmittelhilfe, Sommerlager, Katechismus-Programme und andere Initiativen. Die Schwestern besuchen jede Woche auch Hunderte von Gefangenen, um ihnen geistlichen Beistand zu leisten.

(vaticannews - skr)
 

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28. Dezember 2023, 11:29