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Präsident Herzog mit Kirchenleuten in Haifa (rechts im Bild: Patriarch Pizzaballa) Präsident Herzog mit Kirchenleuten in Haifa (rechts im Bild: Patriarch Pizzaballa) 

Israel: „Eine wichtige Geste für die Christen“

Sie werden auf der Straße angespuckt, angerempelt, sogar geschlagen: Christen in Israel klagen, dass ihnen immer öfter Feindseligkeit entgegenschlägt. Nicht selten werden auch Kirchen, Klöster oder kirchliche Schulen überfallen oder verunstaltet – in Jerusalem, Nazareth, Haifa.

Stefan v. Kempis – Vatikanstadt

„Es ist eine etwas komplizierte Zeit, besonders für die christliche Gemeinschaft, aber nicht nur: Es ist auch eine Zeit großer Spannungen innerhalb Israels, zwischen Israel und den Palästinensern und so weiter.“ So bringt es der Lateinische Patriarch, Pierbattista Pizzaballa, im Interview mit Radio Vatikan auf den Punkt.

Umso mehr freut sich der italienische Franziskaner über die Solidarität für bedrängte Christen von höchster Stelle: Israels Staatspräsident Isaac Herzog und seine Frau haben Mitte dieser Woche das Karmeliterkloster „Stella Maris“ in Haifa besucht. Es war in letzter Zeit – wie eine ganze Reihe von Stätten, die Christen heilig sind – Zielscheibe von Aggressionen seitens extremistischer Juden.

Eine maßgebliche Stimme

„Die Stimme des israelischen Präsidenten ist, vor allem was die Angriffe und Übergriffe auf Christen betrifft, eine sehr klare, sehr entschlossene Stimme; vielleicht ist er die einzige Autorität in der israelischen Politik, die von allen geschätzt wird. Er hat einen der am meisten betroffenen Orte aufgesucht: Das ist eine Geste, die seine Entschlossenheit zeigt, dieses schmerzhafte Phänomen zu bekämpfen.“

Das Kloster Stella Maris in Haifa
Das Kloster Stella Maris in Haifa

Erzbischof Pizzaballa, den der Papst bald zum Kardinal erheben wird, hat dafür gesorgt, dass der Staatschef bei seinem Besuch in Haifa auch einige Spitzenvertreter aus anderen christlichen Kirchen getroffen hat, allen voran der orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilus. Wichtig war auch die Anwesenheit des israelischen Polizeichefs Yaakov Shabtai.

„Das hat etwas Positives geschaffen“

„Das hat etwas Positives geschaffen. Es zeigt, dass es jetzt ein größeres Bewusstsein gibt für das Problem, das vorher vielleicht etwas zu sehr unterschätzt wurde. Die Präsenz der höchsten Autorität der Polizei signalisiert klar, dass man dieses Phänomen künftig ernst nehmen will.“

Israel: Präsident Herzog solidarisch mit angegriffenen Christen - Radio-Vatikan-Interview mit Jerusalems Patriarch Pizzaballa

Viel kann der Staatspräsident allerdings gegen die wachsende Polarisierung in der israelischen Gesellschaft nicht tun. Herzog hat auch versucht, in dem erbitterten Kampf um die Justizreform, die das rechts-religiöse Kabinett von Benjamin Netanjahu gegen massive Straßenproteste durchsetzen will, zu vermitteln. Doch das hat bisher nichts gebracht. Auch um Aggressionen gegen Christen zu unterbinden, fehlen ihm die Mittel. Das weiß auch der Lateinische Patriarch.

Vor dem Kloster
Vor dem Kloster

„Ich glaube, es wird noch lange dauern, bis das Problem gelöst ist“

„Ich glaube nicht, dass die Aggressionen sofort aufhören werden. Das ist kein Problem, das die Polizei allein lösen kann, sondern eine ernste Angelegenheit. Hier geht es unter anderem um die Erziehung zur Achtung vor der Würde anderer Menschen, was heutzutage nicht mehr so in Mode ist, sagen wir mal… Der andere wird als Bedrohung wahrgenommen, im Stil von ‚Jerusalem gehört mir, also kann es nicht dir gehören‘. Ich glaube, es wird noch lange dauern, bis das Problem gelöst ist. Aber die Tatsache, dass das Bewusstsein geschärft wird, ist positiv.“

Seit seiner Staatsgründung 1948, also vor 75 Jahren, schlagen mehrere Herzen in Israels Brust: säkular oder religiös, das sind nur die zwei wahrnehmbarsten, antagonistischen Tendenzen. Der erbitterte Kampf rund um Netanjahus Justizreform - manche warnen sogar schon vor einem Abgleiten in einen Bürgerkrieg - ist eine der stärksten Zerreißproben für die israelische Gesellschaft seit Jahrzehnten.

Israelische Sicherheitskräfte im April in der Altstadt von Jerusalem
Israelische Sicherheitskräfte im April in der Altstadt von Jerusalem

 

„Der allgemeine Mangel an Vertrauen führt zu Gewalt“

„Was ich sagen kann, ist, dass dies eine sehr schwierige Zeit für das Leben des Landes ist, nicht nur was die Christen angeht. Was die Christen erleben, ist Teil eines allgemeineren Phänomens: Der allgemeine Mangel an Vertrauen führt zu Gewalt. Innerhalb der israelischen Gesellschaft wie der palästinensischen Gesellschaft, aber auch zwischen Israelis und Palästinensern, wie es schon allzu lange der Fall ist. Vor allem auf religiöser Ebene, zwischen Christen, Juden und Muslimen, muss noch viel getan werden, damit diese Kultur der Ausgrenzung des anderen nicht zu tief in das Bewusstsein der Bevölkerung eindringt.“

Patriarch traf auch Abbas

Darüber hat Patriarch Pizzaballa in diesen Tagen nicht nur mit dem israelischen, sondern auch mit dem palästinensischen Präsidenten gesprochen; er traf sich mit Mahmud Abbas am Mittwoch in Ramallah. Der Leiter der palästinensischen Autonomie habe die Begegnung gewünscht – einerseits, um dem Italiener zu seiner bevorstehenden Kardinalserhebung zu gratulieren.

Pizzaballa
Pizzaballa

„Es ging ihm aber auch darum, dass wir gemeinsam die Lage beurteilen. Und dabei sagte er etwas sehr Schönes: Das ist eine Zeit, in der der Wunsch nach Frieden nicht sehr gehört wird. Aber die Personen, die Frieden wollen, müssen Kontakt halten, denn wenn der Moment kommt, wird man sie brauchen.“

In Israel, dem Ursprungsland des christlichen Glaubens, leben nur etwa 150.000 Christen; die meisten von ihnen sind Araber. Ein Großteil der Katholiken im Land gehört der melkitischen Kirche an. Pizzaballa leitet die kleine „lateinische“ Ortskirche.

(vatican news – sk)
 

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11. August 2023, 10:36