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Dr. Raimund Jehle ist verantwortlicher Agrarökonom bei der Food and Agriculture Organisation (FAO) in Budapest Dr. Raimund Jehle ist verantwortlicher Agrarökonom bei der Food and Agriculture Organisation (FAO) in Budapest 

UN: Weltweit mehr Hunger durch Getreideblockade

Ob das Getreideabkommen, das den Transport von Weizen und Agrarprodukten aus der Ukraine über das Schwarze Meer sichern soll, noch eine Zukunft hat, ist nach wie vor mehr als ungewiss. Die Russische Föderation lehnt eine Verlängerung der vor einem Jahr von der UN ausgehandelten Vereinbarung ab, weil angeblich Abmachungen nicht eingehalten worden seien.

Michael Hermann - Vatikanstadt

Unterdessen sind internationale Diplomaten am Werk, um Russland doch noch zum Einlenken zu bewegen. Am Montagabend war das mehrfach verlängerte Abkommen ausgelaufen, das der Ukraine den Abtransport von geerntetem Getreide über die Schwarzmeerroute zusicherte. Weltweit wird befürchtet, dass die Blockade von Getreidelieferungen aus der Ukraine schwerwiegende Auswirkungen auf den Kampf gegen den Hunger auf der Welt haben könnte.

„Es ist genügend Getreide weltweit verfügbar, aber natürlich spielt der Preis eine große Rolle“

Raimund Jehle ist Agrarökonom bei der FAO. Die Food and Agriculture Organisation mit Sitz in Rom ist eine Einrichtung der Vereinten Nationen. Ihre Aufgabe ist es, die Versorgung mit Nahrungsmittel weltweit sicherzustellen. „Wir haben derzeit etwa 345 Millionen Menschen, die von extremer Nahrungsmittelunsicherheit betroffen sind“, sagt Raimund Jehle, der die FAO-Programme in der Ukraine koordiniert. Wenn Nahrungsmittel aus der sogenannten „Kornkammer“ Europas wegen der russischen Blockade für den Weltmarkt wegfallen, dann habe dies Folgen:

„Es ist genügend Getreide weltweit verfügbar, aber natürlich spielt der Preis eine große Rolle“, so der aus Baden-Württemberg stammende Diplomat. Aktuell liegen die weltweiten Nahrungsmittelpreise, ausgedrückt im Nahrungspreisindex der FAO, wieder deutlich unter denen von vor zwei Jahren. „Seit der Unterzeichnung des Abkommens ist der Nahrungsmittelpreisindex der FAO, der im Grunde genommen die Preisentwicklung von wichtigen Nahrungsmittel abbildet, global wieder gesunken, und die Preise haben sich stabilisiert.“

 

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Blockade führt zu deutlichen Preissteigerungen

20 Prozent weniger als im Jahr 2022 muss das Welternährungsprogramm der UN, kurz WFP, aktuell für Weizen und anderes Getreide aufwenden. Und das könnte sich nun leider wieder ändern, sagt Raimund Jehle im Gespräch mit Radio Vatikan: „Wenn Getreide im Umfang des Exports der Ukraine den internationalen Markt nicht erreicht, wird der Preis steigen. Somit wird die Verfügbarkeit von Getreide besonders in den Importländern zu einem Anstieg der Preise führen.“

Für die armen Menschen bedeute dies zwangsläufig, dass sie weniger Essen zur Verfügung haben werden: „Denn jegliche Veränderungen des Brotpreises hat auf ihr verfügbares Einkommen Auswirkungen und macht die Ernährung für sie natürlich teurer. Das bedeutet oft, dass ein solcher Anstieg nur durch eine Reduzierung des Konsums kompensiert werden kann. Es ist also damit zu rechnen, dass sich die Ernährungslage für die armen Menschen weiter verschlechtert -  und dies vor allem in den Ländern, die vom Import aus der Ukraine abhängig sind.“

Arbeit von Hilfsorganisationen wird erschwert

Von der Blockade und der damit einhergehenden Spekulation betroffen sind auch die verschiedenen, auch kirchlichen, Hilfsorganisationen, die gegen den weltweiten Hunger kämpfen.  Raimund Jehle erläutert dies am Beispiel des Welternährungsprogramms WFP: „Das WFP hat seit Unterzeichnung des Abkommens 80 Prozent seiner benötigten Getreidelieferungen für Hilfsprogramme von der Ukraine gekauft. Der Anteil lag sogar deutlich höher als beispielsweise in 2021, als es nur 50 Prozent waren. Insgesamt hat das WFP mehr als 700000 Tonnen Weizen in der Ukraine gekauft, die vor allem für die Länder Afghanistan, Äthiopien, Kenia, Somalia, Sudan und Jemen notwendig waren und notwendig sind.“

Steigen die weltweiten Preise, kann auch weniger gekauft werden, und die Hilfsorganisationen können mit den verfügbaren Mitteln weniger Menschen helfen. Der Krieg in der Ukraine wird sich dann auch wieder unmittelbar bei den hungernden Menschen in völlig anderen Erdteilen bemerkbar machen.

(vatican news)

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19. Juli 2023, 10:37