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Archivbild der letzten Wahlen im Kongo 2019, aus denen Oppositionskandidat Felix Tshisekedi unter zweifelhaften Umständen als Sieger hervorgegangen ist: Eine Absprache mit Langzeit-Diktator Kabila steht im Raum Archivbild der letzten Wahlen im Kongo 2019, aus denen Oppositionskandidat Felix Tshisekedi unter zweifelhaften Umständen als Sieger hervorgegangen ist: Eine Absprache mit Langzeit-Diktator Kabila steht im Raum  (ANSA)

Kongo: Bischöfe im Kampf für Demokratie

Mit deutlichen Worten haben sich die kongolesischen Bischöfe bei ihrer jüngsten Vollversammlung in Lubumbashi wieder zu den für Dezember geplanten Wahlen geäußert und das Volk gemahnt, „aufzuwachen“. Kardinal Fridolin Ambongo von Kinshasa ruft seine Landsleute auf, die Hoffnung trotz allem nicht zu verlieren.

Stanislas Kambashi, SJ und Christine Seuss – Vatikanstadt

Bereits die Gültigkeit der letzten Wahlen, aus denen der Opositionskandidat Felix Tshisekedi als Sieger hervorgegangen ist, wurde durch die Bischöfe angezweifelt – die Kirche ist als Wahlbeobachter eng in den demokratischen Prozess eingebunden. In den letzten Wochen mehrten sich jedoch die Anzeichen dafür, dass auch die kommenden Wahlen mit Unregelmäßigkeiten überschattet sein dürften. Allerdings wurden die Warnungen von Wahlbeobachtern und Bischöfen durch die Verantwortlichen weitläufig ignoriert – bis den Bischöfen der Kragen platzte und sie von ihrer Vollversammlung aus am 22. Juni ihren politisch aufgeladenen Weckruf an die über 110 Millionen Einwohner des Landes richteten.

Die steigende Nervosität schlägt sich auch in einer spürbaren Spannung zwischen Kirchenvertretern und Politik nieder. So giftete Präsident Tshisekedi jüngst ausgerechnet bei der Feier zum silbernen Jubiläum von Bischof Bernard-Emmanuel Kasanda in seiner politischen Hochburg Kasai, die Kirche drifte mit ihren politischen Aussagen auf gefährliche Weise von ihrer Mission der Friedensvermittlung ab und sei spalterisch unterwegs. Der Erzbischof von Lubumbashi, Fulgence Muteba Mugalu, sah sich anschließend genötigt, in einem Interview klarzustellen, dass die Bischöfe nicht die Gegner der Machthaber seien.

Wahlbeobachtung in der Hoffnung auf Besserung

Kardinal Fridolin Ambongo von der Hauptstadtdiözese Kinshasa. der den Papst im Kardinalsrat bei der Umsetzung seiner Reformen berät, war für ein Treffen des Kardinalsrates in der vergangenen Woche in Rom. Bei dieser Gelegenheit kam er auch zum Interview bei uns vorbei. Seine Landleute forderte er am Mikrofon auf, die Hoffnung zu bewahren, dass sich „die Dinge zum Besseren wenden“ könnten.

Kardinal Fridolin Ambongo im Februar 2023 beim Papstbesuch in der Demokratischen Republik Kongo
Kardinal Fridolin Ambongo im Februar 2023 beim Papstbesuch in der Demokratischen Republik Kongo

„Die Zukunft hängt vom Volk ab“

„Aus diesem Grund organisiert die Katholische Kirche im Kongo über ihre Kommission für Gerechtigkeit und Frieden weiterhin Wahlbeobachtung. Denn wir glauben, dass wir durch diese Wahlbeobachtung unser ganzes Gewicht in die Waagschale werfen können, damit die Wahlen unter akzeptablen Bedingungen stattfinden können, auch wenn es keine perfekten Wahlen sein werden, aber zumindest das Minimum garantiert ist, damit derjenige, der zum Sieger erklärt wird, wirklich derjenige ist, der vom Volk gewählt wird.“

Die letzten Wahlen, so erklärt er, hätten zu einer gewissen Frustration in der Bevölkerung geführt. Einige Menschen fragten sich, ob ihr Wille überhaupt berücksichtigt werde. Der kongolesische Kardinal ist sich dieses Problems nur allzu bewusst, ermahnt seine Landsleute aber dazu, „nicht in die Versuchung der Verzweiflung zu geraten, denn die Zukunft hängt vom Volk ab“.

Sehr präzise Verhaltensregeln

Er legt den Kongolesen auch ans Herz, die Botschaft der Bischofskonferenz nach ihrer Versammlung in Lubumbashi zu befolgen, in der sie das Wahlvolk zur Wachsamkeit aufriefen. Bei dieser Gelegenheit hatten die Bischöfe auch sehr präzise Anweisungen dazu gegeben, dass die Wähler die Lokale am besten nicht verlassen sollten, bevor die Ergebnisse öffentlich ausgehängt würden – eingedenk der Problematiken bei vergangenen Wahlgängen. Bereits bei der schon länger angelaufenen aktuellen Neuregistrierung der Wähler gab es Unregelmäßigkeiten zu vermelden.

„Deshalb machen wir Wahlerziehung, damit die Menschen, wenn die Zeit gekommen ist, nicht nur ihren Stimmzettel abgeben und gehen, sondern im Wahlbüro aufpassen, bis die Ergebnisse angezeigt werden. Und dann wird es uns auch helfen, auf nationaler Ebene zu sehen, dass die Ergebnisse, die verkündet werden, dem Willen des Volkes entsprechen, der an den Wahlurnen zum Ausdruck gebracht wurde“, versichert der Kardinal.

„Und die Wahrheit ist, dass alle hinter dem Kuchen herlaufen. Und wenn der Kuchen die Seiten wechselt, wechseln alle die Seiten, um essen zu können“

In Bezug auf die politische Klasse seines Landes bedauerte Kardinal Ambongo einen Mangel an „politischer Vision, die im Wesentlichen eine ethische Vision ist“ - und damit ein soziales Ideal für das Volk darstelle. Bei mehreren hundert politischen Parteien in der Demokratischen Republik Kongo wechselten diese Politiker leicht die Seiten, um sich der Partei anzuschließen, die momentan den größten Vorteil böte. „Und die Wahrheit ist, dass alle hinter dem Kuchen herlaufen. Und wenn der Kuchen die Seiten wechselt, wechseln alle die Seiten, um essen zu können“, macht der Kardinal mit einem eindringlichen Vergleich klar . „Zum Glück gibt es aber auch eine kleine Minderheit, die den Unterschied macht und an dieses politische Ideal glaubt und bereit ist, sich zu engagieren.“ Genau diese Vision wolle die Kirche fördern, um dafür zu sorgen, dass Politik wirklich im Dienst der Bevölkerung stehe, so der Seitenhieb des Kardinals an die Adresse der Machthaber.

Der Kongo, ein Diamant, den alle haben wollen

Am 30. Juni feierte der Kongo den 63. Jahrestag der Unabhängigkeit der Republik. Dabei stand die besorgniserregende Sicherheitslage sowohl im Osten als auch im Westen des Landes im Vordergrund. „Wir haben den Eindruck, dass jedes Jahr, das seit 1960 vergeht, eine Menge Elend und Leid mit sich bringt“, so die bittere Analyse des Kardinals. „Anstatt dass sich die Lage unseres Volkes verbessern könnte, wird ein Großteil unserer Bevölkerung aufgrund der jüngsten Entwicklungen der sozio-pastoralen Situation und der Kriege im Osten aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben und irrt wie gejagte Tiere umher.“

Wie Kardinal Ambongo hervorhebt, seien die Probleme des Landes derzeit auf zwei Ebenen angesiedelt: Auf subregionaler und auf internationaler Ebene. Der Kongo sei praktisch eine Art „Diamant“, den alle haben wollen – unter Ausschluss der kongolesischen Bevölkerung, selbstredend. Auch Papst Franziskus hatte sich bei seinem Besuch in der Republik im vergangenen Februar ähnlich geäußert. Im Blick hat der kongolesische Kardinal bei seiner Kritik multinationale Konzerne aus dem Westen, aber auch aus China und Russland. „Leider holen sie diese Diamanten nicht im Kongo ab, sondern nutzen die Nachbarländer, um ihre Ziele zu erreichen.“

Und diese Länder hätten durchaus ein handfestes Interesse daran, im Osten des Kongos für Terror und Unruhe zu sorgen, lässt Kardinal Ambongo durchblicken. Er erwähnt als Beispiel Ruanda, das in einigen UN-Berichten als Akteur im Osten der Demokratischen Republik Kongo durch die bewaffnete Gruppe M23 genannt wird. „Es ist wirklich schade für ein Land, das die Schrecken des Völkermords an den Tutsi erlebt hat, dass ausgerechnet dieses Land die Führung dieser Art von Kommando übernimmt, das die Unruhen im Osten unseres Landes verursacht“, bedauert der Kirchenmann.  

„Auch die Kongolesen tragen einen großen Teil der Verantwortung“

„Aber auch die Kongolesen tragen einen großen Teil der Verantwortung, denn alles, was in der Subregion getan wird, wäre nicht möglich, wenn es nicht die Kooperation der Kongolesen selbst gäbe, angefangen bei denjenigen, die an der Macht sind. Alle, die an der Macht waren, haben diese Spiele gegen die Interessen des Kongo gespielt, und das ist bis heute so geblieben.“

(vatican news)

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04. Juli 2023, 10:45