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Erzbischof Paolo Pezzi Erzbischof Paolo Pezzi 

Russland: Vergebungsbitte als Beitrag für den Frieden

Der katholische Moskauer Erzbischof Paolo Pezzi hat gegenüber Radio Vatikan über seine Eindrücke und Hoffnungen bezüglich der europäischen Synodalversammlung in Prag berichtet, in die er seine Erfahrungen mit der Synodalität in Russland eingebracht hat. Er ging auch auf die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine ein: Er habe Russen getroffen, die gerade wegen ihrer persönlichen Unfähigkeit, das Böse einzudämmen, die Kraft gefunden hätten, nach Jahrzehnten zur Beichte zu gehen.

Mario Galgano und Antonella Palermo - Vatikanstadt/Prag

Ohne anmaßend sein zu wollen, könne er sagen, dass die Katholiken in Russland die Synodalität „ein wenig vorweggenommen haben“, sagte Erzbischof Paolo Pezzi gegenüber unserer Korrespondentin in Prag während der Gespräche der Kontinentalphase der Weltsynode. Er erläuterte:

„In methodischer Hinsicht halten wir seit einigen Jahren alle zwei Jahre Versammlungen in jenem synodalen Geist ab, d.h. ohne so sehr auf ein Ergebnis bedacht zu sein - was durchaus aber schon vorgekommen ist -, sondern eher mit dem Anliegen, durch eine Vertiefung unseren Glauben besser zu verstehen und auch die unseres Erachtens besten Wege für eine Mission zu finden, die nicht nur wirksam, sondern auch dienlich ist.“

Zum Nachhören - was der Erzbischof sagte

So lebten die russischen Katholiken die Dimension der Synodalität, wie Erzbischof Pezzi weiter anfügt. Der Erzbischof von Moskau ist auch Vorsitzender der russischen katholischen Bischofskonferenz. Gegenüber Radio Vatikan/Vatican News erklärte er, dass er seine Teilnahme an der derzeit in Prag stattfindenden Kontinentalen Versammlung der Weltsynode dazu diene, „die Stimme der gläubigen Gemeinschaft aus dem Land einzubringen, das sich seit einem Jahr im Krieg befindet“. Pezzi berichtet:

„Sonst könnte selbst ein Ausflug in die Berge mit einer Synode verwechselt werden.“

„Drei Momente haben mich am meisten beeindruckt. Der erste war die Aufwertung der Charismen. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Charismen, die ihrer Natur nach im Dienst der Gemeinschaft stehen, von der Institution wiederentdeckt und besser unterstützt werden müssen, gerade wegen des großen Beitrags, den sie zur Einheit leisten können, die keine Uniformität ist, sondern reich und schöpferisch, ein wenig wie das Wirken des Geistes in der Kirche. Dann fiel mir der Ruf nach einer Rückkehr zur Zentrierung in Christus auf. Ich hielt es für sehr angebracht zu betonen, dass die Synode nicht nur ein einfacher gemeinsamer Weg ist, sondern ein gemeinsamer Weg in Christus und mit Christus. Sonst könnte selbst ein Ausflug in die Berge mit einer Synode verwechselt werden.“

Ein negativer Aspekt

Der dritte Moment sei „vielleicht ein etwas negativere Aspekt“, so Erzbischof Pezzi. Es gebe seiner Meinung nach „eine gewisse soziologische Tendenz“, d.h. die Gefahr, diesen synodalen Weg eher soziologisch als pastoral zu konzipieren. „Deshalb bezog sich mein Beitrag auf ein Element, das den Weg klarer darstellt: Die Wiederentdeckung der Vergebung, nicht nur als Medizin, sondern auch als eine Möglichkeit, neue Beziehungen aufzubauen. Das haben wir vor allem in der Zeit der Pandemie entdeckt, in der die Einsamkeit auch eine Distanz und ich würde fast sagen eine Abneigung gegen bestimmte Beziehungen verursacht hat. In einigen Familien hat zum Beispiel ein längeres Zusammenleben über Stunden, Tage, Wochen und Monate hinweg zu Schwierigkeiten im Dialog und in den Beziehungen geführt.“

Die Versammlung der Weltsynode-Teilnehmer in Prag
Die Versammlung der Weltsynode-Teilnehmer in Prag

Verständigungsschwierigkeiten wegen des Ukraine-Kriegs

Vor fast genau einem Jahr fand der militärische Überfall Russlands in die Ukraine. In den russischen Gemeinden, in den katholischen Familien, aber auch in den Herzen der Menschen selbst sei eine echte Verständigungsschwierigkeit entstanden, gab Erzbischof Pezzi zu. Auch weil in Russland Gläubige russischer, aber auch ukrainischer, belarussischer und litauischer Herkunft seien, „von denen polnischer und deutscher Herkunft ganz zu schweigen“:

„Diese Wurzeln haben sich auf eine Art und Weise gezeigt, die ich als komplex bezeichnen würde. Und das hat uns dazu gebracht, die Vergebung als den Beitrag zu entdecken oder wiederzuentdecken, den wir als Katholiken leisten können und den niemand sonst zum Frieden leisten kann.“ Dies sei die Bitte um Vergebung, so Erzbischof Pezzi. Auf die Frage, wann der Krieg in der Ukraine enden wird, antwortet er:

„Das ist schwer zu sagen, sehr schwer, zumindest für mich. Denn ich denke, dass es für die Beendigung dieses Kriegs - wie für jeden anderen Konflikt auch - eine Initiative geben muss, die, sagen wir mal, hervorsticht und größer ist als das Schlachtfeld. Metaphorisch gesprochen erfordert es von jemandem die Demut und die Gewissheit, dass er nichts verliert, wenn er Vergebung anbietet und annimmt und wenn er sich ohne Vorbedingungen an den Tisch setzt.“

Nicht nur über Krieg gesprochen

Bei den Gesprächen in Prag war ihm nicht nur der Ukraine-Krieg ein Anliegen. Erzbischof Pezzi sprach auch über die Herausforderungen innerhalb der katholischen Kirche:

„Weiters betonte ich die Notwendigkeit, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Missbrauch im weitesten Sinne innerhalb der Gemeinschaft der Kirche anzugehen und zu lösen. Eine Sache, die wir kürzlich bei einem Symposium festgestellt haben, ist, dass es gerade bei den - sagen wir - Verbrechern dieser Missbräuche, die in Familien, Gesellschaften und natürlich auch in Gemeinschaften häufig anzutreffen sind, dennoch ein Bedürfnis nach Wiedergutmachung und Vergebung gibt. Dies brachte uns auf die Idee, mit einigen Psychiatern, katholischen Sexualwissenschaftlern und Aufnahmezentren für mögliche Straftäter zu beginnen. Denn es ist schwierig, nach der Begehung bestimmter Verbrechen die psychische Kraft zur Heilung zu haben. Es ist daher notwendig, so früh wie möglich einzugreifen, das heißt, wenn es sich nur um eine Orientierung handelt. Man kann sehr gute Arbeit leisten, oder, leider, wenn sie geschehen sind, versuchen, ihnen zu helfen, mit diesen schweren Verbrechen zu leben, denn das muss gesagt werden. Dies ist viel effektiver, wenn es innerhalb einer Gemeinschaft geschieht und nicht nur in Form einzelner medizinischer Berichte.“

(vatican news)

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10. Februar 2023, 10:44