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Spannungsgeladene Situation Spannungsgeladene Situation   (ARTEM MIKRYUKOV)

Armenien: Lage in Berg-Karabach spitzt sich zu

Die Zustände in der armenischen Enklave Berg-Karabach, die von Aserbaidschanern seit bald 40 Tagen von der Außenwelt abgeschnitten wird, werden offenbar täglich schlimmer.

Das hat die Salzburger Armenien-Expertin Jasmin Dum-Tragut am Mittwoch gegenüber Kathpress berichtet. Unter anderem sei die medizinische Versorgung dabei zusammenzubrechen, warnte Dum-Tragut.

Unterdessen hat der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan am Dienstag bei der von Armenien initiierten Sondersitzung des Ständigen Rates der OSZE in der Wiener Hofburg die internationale Staatengemeinschaft einmal mehr aufgerufen, endlich gegen Aserbaidschan aktiv zu werden.

Seit dem 12. Dezember halten - von Aserbaidschan gesteuerte - sogenannte „Umweltaktivisten“ die einzige Straße gesperrt, die Berg-Karabach mit Armenien verbindet (Latschin-Korridor). Rund 120.000 Menschen sind in Berg-Karabach isoliert.

Medizinische Versorgung unterbrochen

Wie Dum-Tragut berichtete, habe man bislang nur 28 Patienten unter Vermittlung und Begleitung des Internationalen Roten Kreuzes aus der Enklave nach Armenien transportieren können, damit sie notwendige Behandlungen erhalten. In den medizinischen Einrichtungen seien alle geplanten Operationen ausgesetzt worden. Rund 400 Personen könnten so derzeit nicht behandelt werden. Problematisch sei die Lage vor allem auch bei Intensivpatienten. 132 Kinder wurden während der Blockade geboren. 14 Kinder befinden sich auf der Neugeborenen- und Intensivstation des Kinderkrankenhauses in Stepanakert.

Die Schulen und Kindergärten mussten zum Teil wegen der schlechten Energieversorgung und fehlenden Nahrungsmitteln bereits geschlossen werden. Die Wirtschaft der Enklave sei ebenfalls im Zusammenbrechen. 726 Unternehmen, und damit fast ein Fünftel aller in Berg-Karabach ansässigen Betriebe, hätten bereits ihre Tätigkeit einstellen müssen.

Friedensappell des Papstes

Mit Blick auf den Latschin-Korridor zwischen Berg-Karabach und Armenien hatte Papst Franziskus am 18. Dezember beim Angelus gesagt, er sorge sich besonders „über die prekäre humanitäre Lage der Bevölkerung, die sich während der Wintersaison noch weiter verschlechtern könnte. Ich fordere alle Beteiligten auf, sich für friedliche Lösungen zum Wohl des Volkes einzusetzen.“ Aserbaidschans erster residierender Botschafter beim Heiligen Stuhl, Ilgar Yusif oglu Mukhtarov, hatte dem Papst am Samstag sein Beglaubiugungsschreiben überreicht. Die Themen der Begegnung wurden nicht bekannt.

Armenien spricht von ethnischen Säuberungen

Der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan äußerte sich bei einer Rede während der OSZE-Sondersitzung mit deutlichen Worten: Seit mehr als einem Monat werde die Bevölkerung von Berg-Karabach faktisch belagert. Die humanitäre Krise verschlimmert sich mit jedem Tag und erfordert ein sofortiges und gezieltes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft. „Wir können nicht tatenlos zusehen, wie Menschen aufgrund politischer Spiele und vielleicht geopolitischer Erwägungen langsam verhungern. Die Zeit zum Handeln ist jetzt gekommen.“

Lachin-Korridor

Die Aktionen Aserbaidschans stellten einen offenen Verstoß gegen das Abkommen vom 9. November 2020 zwischen Aserbaidschan, Armenien und Russland dar, in dem es heiße, dass der Lachin-Korridor unter der Kontrolle des russischen Kontingents bleibe und Aserbaidschan den sicheren Verkehr von Bürgern, Fahrzeugen und Fracht in beiden Richtungen entlang des Lachin-Korridors garantiere.

Die Blockade von Berg-Karabach müsse als Teil der systematischen Politik Aserbaidschans gesehen werden, „die auf die ethnische Säuberung des Volkes von Berg-Karabach abzielt“, so Mirzoyan. Durch die Schaffung unerträglicher Lebensbedingungen wolle Aserbaidschan die Menschen in Berg-Karabach zwingen, ihre Heimat zu verlassen.

Internationale Erkundungsmission 

Mirzoyan forderte eine internationale Erkundungsmission für Berg-Karabach und den Latschin-Korridor, um die humanitäre Lage vor Ort zu beurteilen und den ungehinderten Zugang der zuständigen UN-Gremien nach Berg-Karabach zu gewährleisten. Die armenische Regierung habe den politischen Willen, die Beziehungen zu Aserbaidschan zu normalisieren, doch die Aggressionen vonseiten Aserbaidschans würden alle Bemühungen um Frieden und Stabilität und Sicherheit in der Südkaukasusregion untergraben.

Der armenische Außenminister äußerte auch seine Besorgnis über den Zustand des armenischen Kulturerbes in den Gebieten, die nach dem Krieg von 2020 unter aserbaidschanische Kontrolle fielen. Die Entsendung einer UNESCO-Erkundungsmission nach Berg-Karabach und in die umliegenden Gebiete, über die seit November 2020 verhandelt wird, wird von aserbaidschanischer Seite weiterhin abgelehnt.

Ein großer Teil des armenisch besiedelten Berg-Karabach ging im Herbst 2020 im Krieg an Aserbaidschan verloren. Damals war der lange Jahre eingefrorene Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach wieder aufgebrochen. Die Streitkräfte Armeniens bzw. Berg-Karabachs hatten der aufgerüsteten Armee Aserbaidschans wenig entgegenzusetzen. Ein Großteil Berg-Karabachs wurde von den aserbaidschanischen Truppen eingenommen, bevor am 9. November unter der Ägide Russlands ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. Das Waffenstillstandsabkommen sah vor, dass der Korridor mit der Verbindungsstraße nicht an Aserbaidschan übergeben wird und russische Truppen stationiert werden, um den Verkehrsweg zwischen Stepanakert und Armenien zu sichern.

(kap/vatican news – pr)
 

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18. Januar 2023, 13:12