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In der Nähe von Cherson, am Sonntag In der Nähe von Cherson, am Sonntag 

Ukraine: Befreites Cherson braucht humanitäre Hilfe

Am 11. November wurde sie von der russischen Besatzung befreit – doch die Stadt Cherson im Süden der Ukraine leidet unter Strom-, Wasser- und Gasmangel. Die Bewohner brauchen dringend humanitäre Hilfe, die Schwächsten werden evakuiert.

Die einzige römisch-katholische Pfarrei der Stadt leistet nach Kräften materielle Hilfe und geistliche Unterstützung. Das sagt uns Pfarrer Maxim Padlevsky. Er erzählt, dass seine Kirchentüren auch unter den Russen offen bleiben konnten.

„Gott sei Dank wurde die Gemeinde während der Besetzung nicht geschlossen. Jeden Tag wurde eine Messe gefeiert. Als die russische Armee einzog, kamen sehr viele Menschen in die Gemeinde, manche übernachteten sogar dort. Später gingen sie dann aber zurück in ihre Häuser.“

Beschädigte Brücke bei Cherson
Beschädigte Brücke bei Cherson

Gemischte Gefühle

Jetzt, nach der Befreiung von den Russen, haben die Menschen in Cherson gemischte Gefühle, berichtet der Pfarrer. „Auf der einen Seite sind die Menschen sehr froh, dass wir wieder vereint sind, dass die ukrainischen Truppen die Stadt wiedererobert haben. Aber wir sind nun schon seit fast zwei Wochen ohne Licht und Wasser; manche Menschen können nicht heizen, und sehr viele Menschen kochen sich ihr Essen auf der Straße.“

Kein Frieden in Sicht in der Ukraine - ein Bericht von Radio Vatikan

Bis zum Ausbruch des Krieges zählte die Pfarrei 150 Köpfe; jetzt sind nur noch etwa fünfzig von ihnen in Cherson. Allmählich kommen humanitäre Hilfen in der Stadt an; am Freitag brachte eine vom Dominikanerhaus ‚St. Martin de Porres‘ aus Fastow bei Kiew organisierte Aktion elf Tonnen Hilfsgüter nach Cherson.

Erste Evakuierungen

Alte oder kranke Einwohner werden derzeit aus der Stadt evakuiert – nach Angaben der ukrainischen Regierung eine freiwillige und nur vorübergehende Maßnahme. Weil die Russen in vielen Teilen der Ukraine gezielt die Energieversorgung angreifen, sind die Lebensbedingungen vielerorts sehr hart geworden.

Bewohner eines Dorfes bei Cherson mit humanitärer Brot-Lieferung
Bewohner eines Dorfes bei Cherson mit humanitärer Brot-Lieferung

Zum Beispiel in Charkiw. Der Weihbischof der Metropole im Osten der Ukraine Jan Sobiło berichtet im Gespräch mit Radio Vatikan, dass die Schwierigkeiten beim Heizen oder Kochen, vor allem aber die häufigen Bomben- und Raketenangriffe, die Menschen seelisch zermürben.

„Solche Bombardierungen schüren noch mehr Hass“

„Solche Bombardierungen schüren noch mehr Hass, denn die Überlebenden sind einfach todmüde, weil der ständige Luftalarm sie nachts nicht schlafen lässt. Die Menschen liegen nachts im Bett und fragen sich, ob eine Rakete oder eine Bombe gleich ihr Haus treffen wird. Viele sind nicht in der Lage, jedes Mal, wenn der Luftalarm ertönt, in einen Schutzraum oder in den Keller zu flüchten; also leben sie im Stress, und jeder Bombenangriff löst noch mehr Hass aus, denn die Menschen fragen sich: Wann wird es endlich aufhören, wann kann ich endlich schlafen? Warum lassen sie uns nicht in Ruhe, wir sind doch keine Soldaten, warum bombardieren sie uns?“

Der Weihbischof von Charkiw
Der Weihbischof von Charkiw

Der Weihbischof, der neben Charkiw auch für Saporischschja zuständig ist, macht keinen Hehl aus seiner Ansicht, dass der Westen viel früher Waffen an die Ukraine hätte liefern sollen. Dann wäre es, glaubt er, nicht so schlimm geworden für die Zivilbevölkerung. Von einem Waffenstillstand hält er zum jetzigen Zeitpunkt nichts.

Vorerst kein Frieden in Sicht

„Die neue Welle russischer Angriffe zeigt einmal mehr, dass es vorerst keinen Frieden geben wird und dass der Feind so schnell wie möglich besiegt werden muss! Wenn wir ihn nicht besiegen, werden diese Unterdrückung und dieses Leben in Ungewissheit und Angst weitergehen.“

Weihnachtsbaum im Schützengraben?

Bischof Sobiło war vor ein paar Tagen in Rom, hat auch mit dem Papst gesprochen. Aus einem Fenster des päpstlichen Palastes hat er beobachtet, wie auf dem Petersplatz schon der Weihnachtsbaum aufgebaut wurde. Da ist ihm eine etwas verrückte Idee gekommen: Man müsste den Soldaten an der Front kleine Weihnachtsbäume in ihre Schützengräben stellen…

„Die Kirche ist den Menschen in der jetzigen, schwierigen Lage so nahe, wie es nur geht. Allen ist klar: Wir werden uns entweder gemeinsam retten oder gemeinsam sterben. In diesem Krieg kann sich niemand allein retten. Deshalb ist die Kirche im Moment sehr gefragt. Die Menschen sehen, dass sie Gott und alle Arten von Hilfe zu ihnen bringt, und so fühlen sie sich auch stärker als Glieder der Kirche.“

(vatican news – sk)

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21. November 2022, 10:07