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Getroffenes Gebäude in Kiew Getroffenes Gebäude in Kiew 

D/Ukraine: Hilfswerke warnen vor hartem Winter in der Ukraine

Vor dem Hintergrund russischer Angriffe auf ukrainische Energieinfrastrukturen warnen Hilfswerke vor einem harten Winter für die Ukrainer. Viele Menschen seien in ihren Häusern bereits ohne Strom, Wasser und Heizung, sagte der Geschäftsführer des katholischen Osteuropahilfswerk Renovabis dem Kölner Online-Portal domradio.de am Donnerstag.

DOMRADIO.DE: Für seine Angriffe auf ukrainische Städte setzt Russland zunehmend auf iranische Waffen. Ist das eine neue Strategie?

Dr. Markus Ingenlath (Geschäftsführer des katholischen Osteuropahilfswerks Renovabis): Ja. Den russischen Truppen gehen offenbar die herkömmlichen Raketen und Waffen, die sie bisher eingesetzt haben, allmählich zur Neige. Jetzt setzt man auf iranische Unterstützung. Die Quellen sagen Unterschiedliches. Bis zu 1.000 dieser Drohnen soll Russland aus dem Iran gekauft haben. Die sind zwar technisch nicht immer auf dem neuesten Stand, aber dennoch sehr gefährlich.

DOMRADIO.DE: Mit diesen Drohnenangriffen will Russland die kritische Infrastruktur und auch Wohngebiete attackieren. Was macht das jetzt mit der Zivilbevölkerung?

Ingenlath: Das ist besonders dramatisch. Ich habe vor 20 Jahren mal ein paar Jahre in Russland gelebt, im Norden, wo die Wetterbedingungen ähnlich sind wie in der Ukraine. Jetzt, vor dem einbrechenden Winter, ist es eigentlich normal, dass man sich auf den Winter vorbereitet, alles winterfest macht. Denn wir müssen mit Temperaturen von bis zu minus 20 oder minus 30 Grad rechnen - anders als hier bei uns in den Wintern der letzten Jahre.
In so einer Situation, wo Menschen eigentlich zusammenrücken müssen, um sich auf den Winter vorzubereiten, bewusst Menschen allen Schutzes vor dem Winter zu berauben, ist schon eine neue, perfide Strategie. Das bedeutet also ganz konkret, dass Menschen in diesen Hochhäusern, aber auch in vielen einzelnen Häusern, ohne Elektrizität, ohne Wasserversorgung und vor allen Dingen ohne Heizung sitzen.

DOMRADIO.DE: Ein triftiger Grund, warum es sein könnte, dass sich viel mehr Menschen jetzt wieder auf den Weg machen und flüchten, oder?

Ingenlath: Richtig. Es gibt zwei Strategien, wie die Ukrainer damit leben. Das eine ist, dass man auf die Datschen ausweicht und da zusammenrückt. Das sind diese Wochenendhäuser, wo man meist auch noch mit Holz heizen kann. Aber auch der Preis für Holz ist enorm in die Höhe gegangen, hat sich für den Kubikmeter Holz vervierfacht, weil so eine große Nachfrage da ist. Wenn man diese Möglichkeit nicht hat, ist praktisch nur der Weg ins Ausland angesagt.

DOMRADIO.DE: Ist das denn vielleicht sogar die Absicht Russlands, dass Europa, das ohnehin in den vergangenen Jahren viele Migrationsströme auffangen musste, irgendwann sagt: Wir wissen nicht, wohin mit den Menschen?

Ingenlath: Das ist auf jeden Fall ein Mittel der Kriegsführung. Man will Europa auf diese Art und Weise unter Druck setzen. Die Maßnahmen laufen auch im Bereich von Belarus weiter, illegale Migration bewusst zu unterstützen. Belarus durchschneidet die Grenzzäune zu Litauen und schickt Migranten bewusst rüber. Und Russland macht das noch in einem ganz anderen Maßstab. Die russische Regierung will Flüchtlingsströme nach Europa, damit Europa destabilisiert wird.

DOMRADIO.DE: Wie gut sind wir denn in Deutschland auf die Menschen vorbereitet, die noch kommen werden?

Ingenlath: Ich denke, wir haben einiges gelernt. Im Vergleich zu 2015 läuft vieles viel besser. Aber wir müssen auf der anderen Seite auch sehen, dass die Kommunen die ersten sind, die die Flüchtlinge aufnehmen müssen. Und da sind die Hilferufe in den letzten Wochen deutlich vernehmbar gestiegen. Wir können jetzt nicht nur - wie über den Sommer hinweg - mit der Solidarität vieler Bürger in Deutschland rechnen, die über Wochen und Monate ukrainische Flüchtlinge aufgenommen haben. Jetzt müssen auch die Kommunen in die Lage versetzt werden, mit diesen Flüchtlingen umzugehen.

(domradio - pr)
 

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20. Oktober 2022, 14:46