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Zweifelhafte Abstimmungen in Luhansk am Wochenende Zweifelhafte Abstimmungen in Luhansk am Wochenende 

Ukrainischer Militärseelsorger zu Referenden: „Klima der Angst“

Nach den international kritisierten Referenden in der Ostukraine haben die von Moskau eingesetzten Vertreter in Luhansk und Cherson wie erwartet den Anschluss an Russland beantragt. Der ukrainische Militärseelsorger Pater Oleh Ladnyuk spricht im Interview mit Radio Vatikan von einem Klima der Angst in der Ostukraine.

Anne Preckel und Giancarlo La Vella - Vatikanstadt

Pater Oleh wirkt in der Ukraine bereits seit 2014 als Militärseelsorger, als die russische Aggression gegen das Land noch wenig internationale Aufmerksamkeit fand. Gemeinsam mit anderen Priestern und Helfern bringt er Medizin und Essen ins Krieggebiet und leistet der traumatisierten Bevölkerung Seelsorge, so gut es eben geht. Radio Vatikan erreichte den Salesianer jetzt telefonisch in der Ostukraine, wo in den vergangenen Tagen in verschiedenen Städten Scheinreferenden stattgefunden hatten, mit denen Russland den Anschluss der eroberten Gebiete rechtfertigen will.

Inmitten von Krieg und Angst

„Das Referendum ging leider mit ständigen Kämpfen in der ganzen Region einher, sei es in Charkiw, in Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Die Menschen dort haben Angst, denn sie wissen um die Gefahr, dass man sie ins Gefängnis steckt. Aber viele Menschen haben diese Gegenden auch verlassen und befindet sich jetzt in den ukrainischen Regionen, die nicht besetzt sind.“

Russland hatte von einer überwältigenden Zustimmungsquote für die völkerrechtswidrigen Annexionen gesprochen. Der Pan-Ukrainische Rat der Kirchen und religiösen Organisationen hatte die Abstimmungen in Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson als „Pseudo-Referendum“ und „Verhöhnung der Demokratie“ bezeichnet. Die Referenden seien fremdgesteuert und fänden „unter Maschinengewehrsalven, unter den Bedingungen der militärischen Besatzung und in Abwesenheit persönlicher Freiheit und der Achtung der Würde des menschlichen Lebens“ statt, protestierte das Gremium. Es rief die Ukrainer zum Boykott und alle Länder der Welt dazu auf, die Referenden nicht anzuerkennen. Die Kiewer Führung sprach von einem kriminellen Akt, die UNO verteidigte die territoriale Integrität des Landes.

Pater Oleh erklärt sich die Durchführung der Abstimmung in der Ostukraine zu diesem Zeitpunkt als eine Art Kompensationsstrategie des Angreifers Russland.

Eine Strategie, auch zur Kompensation

„Das Referendum hat jetzt stattgefunden, weil Russland keine Siege in den letzten Monaten gehabt hat. Für die Leute in Russland wird es als eine Art Sieg präsentiert, um die negativen Aspekte der Teilmobilisierung zu mindern. Zweiter Grund des Referendums: Russland fehlen Soldaten und sie wollen auch die Menschen in den besetzten Gebieten einbeziehen“, vermutet der Militärseelsorger.

Ob dieser Plan aufgeht, ist fraglich: Denn nach den Schilderungen des Militärseelsorgers sind die Menschen in den russisch besetzten Gebieten zwar voller Angst, aber deswegen noch lange nicht bereit, überzulaufen. Nach den Massenmorden von Butscha und Isjum wollten viele Ukrainer ihr Heimatland verteidigen, ist der Salesianer überzeugt. Und er geht auf einen weiteren Aspekt des schrecklichen Krieges ein, der in den Gebieten gewahr wird, aus denen sich die russischen Besatzer zurückzogen.

„Wir haben keine genauen Zahlen dazu, aber wir wissen, dass sehr viele Kinder aus der Ukraine verschleppt und nach Russland gebracht wurden.“

„Wir haben mit Leuten gesprochen, die sagten: als Russland sich zurückzog, nahmen sie viele Menschen mit und brachten sie nach Russland. Wir sind in Sorge, denn wir wissen von vielen Kindern, die nach Russland gebracht und Familien übergeben wurden, das ist eine große Tragödie. Wir haben keine genauen Zahlen dazu, aber wir wissen, dass sehr viele Kinder aus der Ukraine verschleppt und nach Russland gebracht wurden.“

Während die Ukraine von Verschleppungen spricht, nennt Russland die Deportationen aus den umkämpften ukrainischen Gebieten „Rettung von Zivilisten“. Unter Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden demnach bereits über eine Millionen Menschen, darunter mehr als ein Fünftel Kinder, nach Russland gebracht. Menschenrechtsorganisationen wie „Human Rights Watch“ sprechen von Verschleppungen im großen Stil.

Hier zum Hören

(vatican news – pr)

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28. September 2022, 13:50