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Pavlo Honcharuk, Bischof von Charkiw-Saporischschja Pavlo Honcharuk, Bischof von Charkiw-Saporischschja  

Ukraine: „Wer glaubt, erträgt es leichter“

Charkiw-Saporischschja ist eine große Diözese in der Ost-Ukraine. Die Region ist weitgehend von russischen Truppen besetzt. Bischof dort ist der frühere Militärseelsorger Pavlo Honcharuk. Im Interview mit Radio Vatikan erzählt er von materieller Not und einem immensen Bedarf an Trost. Wer glaube, habe es im letzten Punkt leichter.

Svitlana Dukhovic und Gudrun Sailer - Vatikanstadt

„Meine Diözese ist sehr groß, sie umfasst ein Gebiet von 196.000 Quadratkilometern, und ein großer Teil davon ist bereits von russischen Truppen besetzt", sagt Honcharuk, Bischof der lateinischen Diözese Charkiw-Saporischschja. In den besetzten Gebieten seien keine Priester anwesend, nur dort, wo die russische Armee nicht sei, könnten sie an der Seite der Menschen sein. Über die humanitäre Lage in den Kampfgebieten hat der Bischof schlechte Nachrichten. „Es ist sehr gefährlich, dorthin zu gehen und Lebensmittel oder Medikamente zu bringen. Man riskiert den Tod, und nur sehr wenige Menschen schaffen es, dorthin zu gelangen“, so der Bischof.

„Viele Menschen haben nicht einmal Geld, um Brot zu kaufen“

Besser sehe es an den Orten aus, die zehn bis 20 Kilometer von der Frontlinie entfernt sind, etwa in Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. „Dorthin sind viele Menschen vor kurzem zurückgekehrt“, berichtet Honcharuk, „aber das Problem ist, dass viele ihr Zuhause verloren haben. Viele sind arbeitslos: Einige Unternehmen wurden vollständig zerstört, Märkte, auf denen viele Menschen arbeiteten, wurden niedergebrannt oder beschädigt. Viele Menschen haben nicht einmal Geld, um Brot zu kaufen, sie brauchen Kleidung, Schuhe, Lebensmittel, Medikamente und Unterkunft, sie brauchen auch Verständnis und Unterstützung. Es gibt also viele Bedürfnisse".

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Auch Polizei hilft

Unterstützung erfahren die Menschen in Charkiw von humanitären Organisationen und von der Kirche, besonders viel Hilfe komme aus Polen und den katholischen Pfarreien in der Westukraine. Der Bischof berichtet auch von vielen Freiwilligen, die Hilfsgüter in die Nachbardörfer bringen, und auch die örtliche Polizei hilft: Die Beamten nehmen die Hilfsgüter der Caritas entgegen und bringen sie direkt zu den Häusern der Bedürftigen, schildert der Bischof.

Militärseelsorge war gute Vorbereitung

„Als Seelsorger habe ich gelernt, wie man helfen kann: worauf man achten muss, was man sagen muss, wann man etwas lauter sagen muss und wann man sie einfach umarmen kann.“

Mit 44 Jahren ist Pavlo Honcharuk einer der jüngsten katholischen Bischöfe der Weltkirche. Franziskus ernannte ihn im Januar 2020, davor war er unter anderem Militärseelsorger. „Diese Erfahrung hilft mir jetzt sehr", betont er, „denn als die Kämpfe begannen, die Explosionen und alles andere, war der Schock nicht so groß, dass er mich aus dem Konzept gebracht hätte.“ Situationen, in denen der Tod nahe ist, habe er damals schon erlebt. Das helfe ihm bis heute im Umgang mit Menschen in Ausnahmesituationen, darunter namentlich Soldaten.

„Es gibt hier viele Menschen, die unter Stress stehen. Als Seelsorger habe ich gelernt, wie man ihnen helfen kann: worauf man achten muss, was man sagen muss, wann man etwas lauter sagen muss und wann man sie einfach umarmen kann. Ich habe gelernt, was man tun kann und vor allem, was man nicht tun sollte - denn man kann viel erreichen, wenn man nicht das Falsche tut. Deshalb denke ich, dass Gott mich in seiner Vorsehung irgendwie darauf vorbereitet hat.“

„Die Gegenwart Gottes, wo sie sehr, sehr notwendig ist, gibt Kraft, jedem Schlag zu widerstehen.“

Im Krieg mit seinen Grausamkeiten und seinem Unrecht stellen sich viele Fragen, und nicht wenige sind auch an Gott gerichtet, sagt der Bischof: Warum? Wessen Schuld ist das? Wo ist Gott? Gläubige Menschen hätten es da leichter.

„Aus meiner Erfahrung im Gespräch mit Menschen kann ich sagen, dass, wenn ein Mensch fest an Gott glaubt und eine Beziehung zu ihm hat, dann versteht er, wo die Ursache der Schuld liegt: Es ist die Sünde, und der Mensch lässt durch die Sünde zu, dass die Macht der Finsternis Zutritt erhält. Wenn wir Böses tun, erlauben wir dem Teufel, zu kommen und unser Leben zu nehmen. Der Glaube an Gott bietet eine solide Grundlage, die hilft, die schwere Last der Ungerechtigkeit zu tragen und nicht nur im Krieg, sondern im Leben allgemein zu überleben. Und was wir hier zusammen mit den Priestern bezeugen können: Der Glaube an Gott, die Gegenwart Gottes, wo sie sehr, sehr notwendig ist, gibt Kraft, jedem Schlag zu widerstehen. Denn wir können nicht alles erklären, und selbst eine Erklärung macht die Last nicht kleiner. Aber wenn Gott meinem Herzen Kraft gibt, dann kann ich diese Last tragen".

 

(vatican news – gs)

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08. Juni 2022, 13:17