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Ukrainer auf der Flucht Ukrainer auf der Flucht 

Ukrainer auf der Flucht: Traum vom Ende des Krieges

In Moldau hat Vatican News Stimmen von Flüchtlingen gesammelt, die vor dem Krieg in der Ukraine ins Nachbarland flohen: traumatische Kriegserlebnisse und die Sorge um zurückgebliebene Angehörige treiben sie um, auch die Ungewissheit, wie es nun weitergeht.

Jean Charles Putzolu - Chisinau, Moldawien

In einer Villa im Zentrum von Chisinau, der Hauptstadt von Moldau, haben etwa 30 Menschen Zuflucht gefunden. Auf drei Etagen hört man das Toben der Kinder. Begleitet von Freiwilligen spielen sie und können endlich für einen Moment an etwas anderes als den Krieg denken. Angespannt sind sie dennoch: „Ich habe eines der Kinder an der Schulter berührt und es ist direkt zusammengezuckt“, erzählt eine der drei Ordensfrauen, die die Familien begleiten. In einem Nebenraum, der als Küche dient, unterhalten sich die Mütter bei einem Glas Fruchtsaft und ein paar Keksen. Alle scheinen entspannt zu sein, doch der Schein trügt, denn in Wirklichkeit sind alle von Sorgen geplagt.

Menschen, die Kinderleben zerstören

Tatjana kommt von der oberen Etage herunter und erklärt sich bereit, an einem etwas ruhigeren Ort zu sprechen, abseits Kindergeschreis. „Im Moment ereignet sich im Leben aller hier ein schreckliches Drama“, sagt sie langsam und nimmt sich die Zeit, jedes Wort in einem fast makellosen Französisch auszusprechen. „Menschen ohne Ehre und Gewissen sind dabei, das Leben von Kindern und Erwachsenen zu zerstören. Und sie tun dies nur, um die Ukraine dafür zu bestrafen, dass sie ihr Leben selbst wählte“, fügt sie hinzu und schweigt. Emotionen kommen wieder hoch. Und Tatjana hütet sich davor, die Russen oder Russland beim Namen zu nennen, sie spricht nur in der dritten Person von ihnen und sagt „sie“.

„Ich habe Angst um meinen Sohn, der in Odessa geblieben ist“, sagt sie dann. „Er muss sich um seine Schwiegereltern kümmern, die alt sind und nicht die Kraft hatten, bis zur Grenze zu laufen.“ Zu Fuß zu gehen ist das Schicksal von Tausenden Zivilisten, die aus der Ukraine fliehen. Bei eisigen Temperaturen am Grenzübergang Palanca (Südmoldau) hat Vatican News viele von ihnen getroffen, die nach langen Stunden des Gehens und Wartens frierend vor sich hinstarrten.

Auch Tatjana, ihre Schwiegertochter und ihr Enkelkind hatten diesen Weg hinter sich, bevor sie die Wärme einer Unterkunft fanden. „Ich habe auch Angst um meine Freunde, die in der Ukraine geblieben sind“, fährt Tatjana fort. „Ich hoffe, dass ich bald nach Odessa zurückkehren kann, aber ich glaube nicht, dass das sofort möglich sein wird. Wir werden noch ein paar Tage in Moldau bleiben, um einen Pass für meinen Enkel zu bekommen, und dann hoffen wir, nach Frankreich zu kommen. Freunde sind bereit, uns in der Nähe von Paris aufzunehmen“.

Beim Spielen den Krieg für einen Moment vergessen: Kinder im diözesanen Aufnahmezentrum in Chisinau
Beim Spielen den Krieg für einen Moment vergessen: Kinder im diözesanen Aufnahmezentrum in Chisinau

Zerrissene Familien, Not und Leid

Während Tatjana, ihre Schwiegertochter und ihr Enkelkind in Moldawien sind, ist ihre Tochter nach ihrer Flucht aus Kiew mit ihrem Mann in die Türkei übergesiedelt. „Meine Familie ist völlig zerrissen, ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen werden“, sagt sie. Erneut bricht sie ab, weil sie von ihren Gefühlen überwältigt wird. Sie senkt den Kopf, nimmt ihn in die Hände und hebt wieder den Blick: „Ich weiß nicht einmal, was in den nächsten fünf Minuten passieren kann, weil die Situation sich ständig ändert und sehr gefährlich bleibt. Ich hoffe, dass alles schnell vorbei ist. Was in der Ukraine passiert und was jeder sehen kann, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Tatjanas Leid ist das Leid aller Mütter, die geflohen sind und ihren Ehemann, Familie und Freunde zurückgelassen haben. Petru Ciobanu, der Präsident von Caritas Moldau, nimmt sich bei der Nothilfe immer die Zeit, mit jeder Familie ein wenig zu reden. Er hört von persönlichen Tragödien und von Leben, die innerhalb weniger Minuten aus den Fugen gerieten: „Es ist sehr schwer, dieses Leid in Worte zu fassen“, so der Caritas-Mann.

Petru verbringt jeden Nachmittag damit, sich mit den Frauen und Kindern im diözesanen Aufnahmezentrum zu treffen. „Es gibt nur sehr wenige Männer“, sagt er, „die Ukraine lässt nur diejenigen mit mehr als drei Kindern ausreisen“, weil ihre Mütter nicht in der Lage sind, sich allein um sie zu kümmern. Es beruhigt ihn zu sehen, dass die Kinder wieder zu spielen beginnen und in den Gängen umherlaufen: „Die Kleinen sind wieder fröhlich, aber ihre Mütter sind in großer Not“.

Der Traum von Frieden

Am Ende unseres Treffens dankt mir Tatjana dafür, dass ich ihr Zeugnis aufgenommen habe. Sie möchte den Krieg anders zeigen. Nicht mit Bildern von Panzern und Granaten im Fernsehen, sondern einen Krieg, der Männer, Frauen und Kinder trifft, mit voller Wucht, und der immer mehr Menschenleben fordert. Sie schließt mit den Worten: „Ich träume davon, einzuschlafen und am nächsten Morgen die Augen wieder aufzuschlagen, zu Hause in meinem Haus, und zu erfahren, dass es vorbei ist.“

(vatican news – pr)
 

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08. März 2022, 13:14