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Migration: „Europa kann das besser“

In der Migrationsfrage muss in Europa „eine Politik des Wegschauens, des Verdrängens und auch der populistischen Parolen ein Ende haben“. Das fordert der Präsident von Caritas Europa, Michael Landau. Im Gespräch mit Radio Vatikan stellte sich Landau klar hinter Papst Franziskus, der in seiner Diplomatenrede sagte, die EU brauche endlich ein „kohärentes und umfassendes System zur Steuerung der Migrations- und Asylpolitik“.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

„Papst Franziskus hat völlig recht, wenn er sagt: Wir brauchen jetzt Fenster des Dialogs und Breschen der Geschwisterlichkeit“, sagte der Präsident der Caritas Europa und langjährige österreichische Caritaspräsident Michael Landau. „Wenn es um einen humanen Umgang mit geflüchteten Menschen geht, wird es am Ende des Tages keine österreichische, keine deutsche, keine italienische oder ungarische Lösung geben, sondern unsere Antwort auf diese Verantwortung kann nur eine europäische Antwort sein. Und es muss eine Antwort sein, die auf den unverhandelbaren Fundamenten der Europäischen Menschenrechtskonvention fußt, die die Überzeugung der Genfer Flüchtlingskonvention ausdrückt und die unteilbare Würde jedes Menschen respektiert.“

Diesen moralischen Mindestanforderungen werde Europa derzeit nicht gerecht, so der Caritas-Europa-Präsident unumwunden.

„Europa kann das besser“

„Die Lage an den EU-Außengrenzen bereitet uns Sorgen, wenn ich daran denke, dass Zurückdrängungen Tag für Tag Realität sind und dass Europa hier an eine Reihe von Orten den eigenen Werten nicht gerecht wird.“ Die 70 Jahre alte Genfer Flüchtlingskonvention sei Ausdruck dafür, dass die Weltgemeinschaft und auch Europa aus den Gräueln des Zweiten Weltkriegs etwas gelernt habe. „Und genau diese Konvention steht auf dem Spiel, wenn Menschen nach wie vor im Mittelmeer ertrinken und geflüchtete Menschen auch auf europäischem Festland ums Leben kommen, sich in Wäldern verstecken müssen oder in unwürdigen Camps untergebracht werden.“ Landau stellte klar: „Europa kann das besser.“

Hier zum Hören:

„...dann muss eine Politik des Wegschauens, des Verdrängens und auch populistischer Parolen ein Ende haben“

So wie Papst Franziskus, wandte sich auch Landau gegen eine Selbstabkapselung der einzelnen europäischen Länder in der Migrationsfrage.

„Wir handeln heute wirtschaftlich global, politisch multilateral und moralisch-ethisch erstaunlich provinziell. Was jetzt ansteht, ist auch eine Globalisierung des Verantwortungsbewusstseins. Wenn ich an die europäische Debatte denke, dann muss eine Politik des Wegschauens, des Verdrängens und auch populistischer Parolen ein Ende haben, weil uns das nur in humanitäre Sackgassen führt und die Not der betroffenen Menschen nicht lindert. Ganz im Gegenteil.“

Drei Schritte: Hilfe vor Ort, an den Grenzen und in Europa

Aus Sicht der Caritas müsse Europa in dieser Lage an drei Stellen ansetzen: „Erstens mehr Hilfe vor Ort. Europa hat hier immer einen ernsthaften Beitrag geleistet. Dieser ernsthafte Beitrag ist extrem wichtig, damit Menschen auch in den Herkunftsländern und Regionen Schutz und Perspektiven finden, dass sie vor Ort Hoffnung und Zukunft finden können. Denn nur so kann verhindert werden, dass Menschen ihre Herkunft, ihre Herkunftsregionen und Länder infolge von Hunger, Klimaschäden und Krieg verlassen müssen. Ich habe hier durchaus Papst Franziskus im Ohr, wenn er sagt, solange Menschen vor Ort nicht den Schutz und die Sicherheit finden, die sie brauchen, und solange mit dem Handel mit Waffen viel Geld verdient wird, solange werden sich Menschen auch auf den Weg machen. Auch nach Europa.“

„Das Sterben an den EU-Außengrenzen muss endlich ein Ende haben“

Zweitens, sehr konkret: „Das Sterben an den EU-Außengrenzen muss endlich ein Ende haben“, forderte Landau. Das Sichern von Grenzen und die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention schließen einander nach Einschätzung des Caritaspräsidenten keineswegs aus: „Es muss beides möglich sein, Menschen und Grenzen zu schützen.“

Landau lobt verstorbenen EU-Parlamentspräsidenten Sassoli

Die Staaten hätten in jedem Fall die Pflicht, Seenotrettung zu leisten und Geflüchtete auch mit ungeklärtem Status humanitär zu versorgen.

„Und ich habe jetzt auch gerade heute den verstorbenen Präsidenten des EU-Parlaments, David Sassoli, im Ohr, wie man immer wieder eine gemeinsame europäische Such- und Rettungsmission auf dem Mittelmeer eingefordert hat und unterstrichen hat, dass es nicht länger hinnehmbar wäre, diese Verantwortung alleine den NGOs zu überlassen.“ Sassoli war an diesem Montag 65-jährig verstorben, noch im Juni hatte er sich im Vatikan mit Papst Franziskus, in dem er einen wichtigen Verbündeten sah, über Migrationspolitik ausgetauscht.

Das dritte Element, das Europa in der Migrationsfrage nach Landaus Einschätzung braucht, sind „gemeinsame humanitäre Aufnahmeprogramm mit jährlichen fixen Kontingenten, damit Menschen auf diese Weise auch Schutz finden können. Ich habe den Eindruck, dass es in Europa durchaus eine gute humanitäre Tradition gibt und an diese Tradition glaube ich, dass auch jetzt wieder anschließen soll.“

(vatican news – gs)

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11. Januar 2022, 15:48