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Wiener Theologin: „Den“ Islam nicht zum Sündenbock erklären

Die Wiener Pastoraltheologin und Werteforscherin Regina Polak wendet sich in einem Gastkommentar gegen das „Kulturkampf“ -Narrativ – die Kirchen sollen ihre Hausaufgaben im Widerstand gegen christliches „Glaubensschwächeln“ machen.

„Den“ Islam zum Sündenbock und Gegner in einem „Kulturkampf“ zu erklären, führe nicht in die Zukunft und lenke von den tieferen Gründen für das „Glaubensschwächeln“ in der heimischen Gesellschaft ab. Darauf hat die Wiener Theologin Regina Polak in der Wochenzeitung „Die Furche“ (1/2020) hingewiesen.

„Ureigenstes Problem der christlichen Kirchen“

Wertestudien bezeugten seit Jahrzehnten europaweit und in Österreich eine konstante Erosion von genuin christlichen Überzeugungen wie dem Glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, dem Glauben an die Auferstehung oder das Kommen des Reiches Gottes. Gläubige Muslime könnten dafür nicht verantwortlich gemacht werden, vielmehr sei diese Schwächung der inhaltlichen Substanz des Christentums „das ureigenste, selbst zu verantwortende Problem der christlichen Kirchen“, so Polaks Überzeugung.

Die Leiterin des Instituts für Praktische Theologie an der Universität Wien äußerte in ihrem Gastkommentar Sorge über islamophobe Tendenzen in Österreich. Diese Stimmung verdanke sich Meinungsmachern in Politik und Medien und deren – wissenschaftlich widerlegbaren – Behauptung, christliche und europäische Werte stünden islamischen Werten diametral und unvereinbar gegenüber.

Mehr als „Anstands-und Höflichkeitsmoral“

Hinter dem christlichen „Glaubensschwächeln“ stehe vielfach ein Problem der Kirchen, so die Diagnose Polaks. Sie kritisierte «theologiebefreite Pastoralprogramme» ebenso wie „Gottesdienste, die die christliche Botschaft auf eine individualisierte (klein)bürgerliche Anstands-und Höflichkeitsmoral verkürzen“. Die großen Verheißungen des christlichen Glaubens auf ein gutes, gerechtes Leben für alle in einer friedlichen Welt würden allzu oft verschwiegen. Die Schwächung liege auch in der „Erschütterung durch allzu viel inhumanes Handeln im Namen der Kirche in Geschichte und Gegenwart“, in den Nachwirkungen der „barbarischen Zivilisationsbrüche des 20. Jahrhunderts, die das Glauben an einen guten Gott sehr schwer machen können» und hätten mit einer laut Polak offenen Frage zu tun: Wie sollen die Glaubenstraditionen in eine Gesellschaft übersetzt werden, „die schon lange nicht mehr von einer christlichen Alltagskultur geprägt ist“?

Rechristianisierung nicht zielführend

Nicht zielführend sei dabei ein „aggressiv-missionarisches Rechristianisierungs-Programm“, das traditionalistische Zustände restaurieren will. Der Glaube dürfe auch nicht als unkritische Zustimmung zu erfahrungsfernen, unreflektierten Wissensformeln missverstanden werden, um seinem Verdunsten zu begegnen.

(kap - mt)

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03. Januar 2020, 14:00