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März 1938: Deutsche Truppen ziehen in Wien ein März 1938: Deutsche Truppen ziehen in Wien ein 

Österreich: Kirche darf Geschichte nicht „Neorechten“ überlassen

Der Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver rät der Kirche zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Gewaltgeschichte. Kreuzzüge und Feiertage (wie Mariä Namen, das an das Ende der zweiten Türkenbelagerung Wiens erinnert) würden aktuell von Neorechten Bewegungen vereinnahmt und für ideologische Zwecke verwendet.

Das sagte Palaver in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Freitag. Das könne die Kirche zwar nicht verhindern, aber sie solle die Gläubigen für historische Zusammenhänge sensibilisieren, forderte der Präsident der kirchlichen Friedensbewegung Pax Christi. Um nicht noch stärker ins Fahrwasser Neorechter Gruppen zu gelangen, schlug Palaver vor, dass die Kirche Themen stärken solle, an denen Neorechte nicht anknüpfen könnten, wie die christliche Botschaft der Nächstenliebe.

Derzeit werde das Christentum von „neorechten Bewegungen“ als „Identitäsmarker zur Abgrenzung von anderen, wie dem Islam“ verwendet, erklärte Palaver. Als aktuelles Beispiel nannte der Sozialethiker das Attentat in Neuseeland, bei dem mehr als 50 Menschen ermordet wurden. „Auf der Waffe des Christchurch Attentäters stand ‚Vienna 1683‘, eine Anspielung auf die zweite Türkenbelagerung“, so Palaver.

„Auf der Waffe des Christchurch Attentäters stand ‚Vienna 1683‘“

Im Manifest des Attentäters soll auch der Kreuzzugsaufruf von Papst Urban II. von 1095 zu lesen sein. Aber auch der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik oder die Identitären Österreichs würden christliche Elemente, wie Kreuze, die mittelalterlichen Kreuzzüge oder bestimmte Päpste „für ihre Zwecke inszenieren“.

Relativ junges Phänomen

Die mit dem Attentäter von Christchurch in Verbindung gebrachten Identitären Österreichs beschrieb der Sozialethiker in diesem Zusammenhang als eine „nationalistische“ und „neorechte“ Gruppe, die einen Geist vertritt, der der heutigen Zeit weder helfe, noch Antworten auf aktuelle Herausforderungen gebe.

Die Rückbesinnung auf „allgemein religiöse oder speziell christliche Bezüge“ von Seiten „rechter Bewegungen“ oder Parteien sei ein relativ junges Phänomen, meinte der Theologe. So sei die FPÖ bis Mitte der 1990er Jahre antiklerikal und die italienische „Lega Nord“ stark pagan aufgetreten. Erst in den letzten 15 Jahren habe es eine stärkere Rückbesinnung auf bestimmte Formen des Christentums gegeben. Historische Ereignisse wie „9/11“ und die „Angst vor dem Islam“ hätten dazu beigetragen, so der Sozialethiker.

Kirche muss Feste hinterfragen

Um nicht noch stärker in das Fahrwasser rechter Ideologien zu gelangen, rät der Innsbrucker Sozialethiker der Kirche, religiöse Feste, wie das Mariä Namen Fest, das am 12. September gefeiert wird, zu hinterfragen. Dieses erinnere an die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 und das Endes der 2. Türkenbelagerung, die mit Hilfe der Gottesmutter Maria beendet worden sein soll. „Ich fände es wichtig, dieses Fest mit neuen Augen zu betrachten und den Menschen zu erklären, anstatt es unhinterfragt zu übernehmen oder von nationalistischen Kreisen zelebrieren zu lassen“, sagte Palaver im Kathpress-Interview.

Bis heute gebe es weitere Themen in der „Gewaltgeschichte des Christentums“, die in der Kirche kaum thematisiert würden. Darunter fällt für Palaver auch die Entstehung des Ständestaates in Österreich. So habe Dollfuß 1933 den ersten allgemeinen deutschen Katholikentag dazu benutzt, den Beginn des Ständestaates zu feiern. Dollfuß bediente sich laut Palaver einiger christlicher Symbole: er zeigte erstmals das als Kreuzfahrerzeichen bekannte „Kruckenkreuz“ als Symbol der Vaterländischen Front, erinnerte an das Ende der 2. Türkenbelagerung und beendete seine Rede mit dem Ausspruch „Gott will es“.

Der „wir gegen die anderen“-Gedanke

Daran erkenne man, dass der „wir gegen die anderen“-Gedanke rechter Ideologien auch eine christliche Herkunft habe, meinte Palaver. Kreuzzüge könnten dadurch auch als christliches „Abwehrbollwerk“ gegen den Islam interpretiert und heute von neorechten Bewegungen verwendet werden, so der Sozialethiker. Für Palaver sind solche Gedanken Zeichen eines „statisches Christentums“, das per se anfälliger für ideologische Zwecke sei.

Betrachte man das Christentum hingegen als dynamisches und offenes System, sei es für Neorechte Bewegungen umso schwerer Gemeinsamkeiten zu finden, da ein solches Christentum die Offenheit Jesu und die Gesellschaft positiv betone.

Sich von der „Theologie der Gewalt“ distanzieren

Einen Lösungsansatz sah Palaver auch in dem von Papst Franziskus in Abu Dhabi gemeinsam mit Ahmad Al-Tayyeb, dem Großimam von Al-Azhar, unterzeichnetet „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“. Beide bitten darin, für „Mord, Exil, Terrorismus und Unterdrückung“ den „Namen Gottes“ nicht zu benutzen. Denn nur ein Christentum, das sich von einer „Theologie der Gewalt“ distanziere, könne nicht von rechten Bewegungen missbraucht werden, so Palaver.

(kap – sk)
 

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05. April 2019, 13:56