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Der Migrantenzug am Freitag an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko Der Migrantenzug am Freitag an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko 

Migrantenzug in Richtung US-Grenze

Erst waren es nur 2.000 Menschen. Dann 2.500. Dann 3.000. Und mittlerweile marschieren 4.000 Migranten - vor allem aus Honduras, von wo der Zug aufgebrochen war – in Richtung USA.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

US-Präsident Trump schießt auf Twitter aus allen Rohren auf die Migranten-Karawane: Er droht, das Militär zu mobilisieren und die Grenze zu Mexiko zu schließen. Dabei kommt es ihm ganz recht, wenn das Thema Grenze und „illegale Einwanderer“ kurz vor den Kongresswahlen in den USA mal wieder hochkocht.

Der Zug der Verzweifelten aus Honduras, El Salvador und Guatemala ließ sich bislang nicht aufhalten, diese Menschen fliehen vor endemischer Bandengewalt in ihrer Heimat, sie haben nichts zu verlieren. Honduras und El Salvador gehören zu den Ländern mit der höchsten Mordrate weltweit.

Erste Priorität: sich um diese Menschen kümmern

„Die Bischofskonferenz hat sich dazu schon geäußert“, sagt uns Bischof José Vásquez aus Austin in Texas, der US-Migrantenbischof. „Wir versuchen die Aufmerksamkeit auf die furchtbare Lage dieser Menschen zu lenken, die sich jetzt in Bewegung gesetzt haben. Die Bischöfe unterstreichen, dass die erste Priorität darin bestehen muss, sich um diese Leute zu kümmern. Viele von ihnen fliehen vor Gewalt, Armut, Korruption und suchen einfach einen Ort, wo ihre Familien sicher sind und sie sie versorgen können. Also, diese Menschen verdienen Aufmerksamkeit und Hilfe. Wobei natürlich in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob sie wirklich vor diesen furchtbaren Lebensbedingungen fliehen…“ Oder ob sie, wie Trump das sieht, aus rein wirtschaftlichen Gründen in die USA wollen.

Hier zum Hören:

Kirchliche Organisationen versuchen jedenfalls nicht, die Karawane aufzuhalten, sondern den Menschen zu helfen. „Ärzte ohne Grenzen“ erklärt, viele Migranten aus Honduras und El Salvador wiesen die Symptome von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten auf. In Mexiko fallen viele Unglückliche, die einen Weg über die Grenze in die USA suchen, in die Hände von Schleppern oder von Kriminellen.

Unruhe und Tumult an der Grenze zu Mexiko

„An mehreren Stellen am Weg (der Karawane) gibt es katholische Verbände oder Gruppen, die Migranten aufnehmen, ihnen Schlafplätze für die Nacht bieten, etwas zu essen, praktische Hilfe und Schutz. Das ist wichtig, weil diese Menschen oft buchstäblich nur die Kleider besitzen, die sie am Leibe tragen. Sie kommen mit ihren Kindern, die haben Hunger und sind erschöpft – sie brauchen die Unterstützung der Kirche und überhaupt aller gutwilligen Menschen, denn dieser Weg kann für sie gefährlich sein.“

Guatemala hat vor ein paar Tagen einen der Anführer des Migrantenzugs verhaftet, und Mexiko hat sein Aufgebot von Bundesbeamten an seiner Grenze zu Guatemala verstärkt. Solche Beamte schieben schon bisher täglich Hunderte von illegal einreisenden Menschen aus Mittelamerika ab. Am Freitag hat zumindest ein Teil der Karawane die Grenze zum mexikanischen Bundesstaat Chiapas erreicht; es kam zu Tumult und Verletzten.

Die Grenze dicht zu machen ist keine wirkliche Option

Die Migrantenströme lassen sich kaum stoppen: Nach kurzer Zeit versuchen es Zurückgewiesene wieder über die Grenze, und wer gültige Reisepapiere oder ein Visum hat, darf ohnehin nicht abgewiesen werden. Immer mehr Zuwanderer aus Mittelamerika beantragen inzwischen Asyl in Mexiko – doch das eigentliche Ziel für viele bleiben doch die USA. Schon weil viele Angehörige haben, die dort leben, legal oder illegal.

„Die Grenze dicht zu machen ist keine wirkliche Option“, sagt uns Christine Reis, die Leiterin eines Menschenrechts-Instituts an einer kirchlichen Universität in Miami. „Die USA stehen in der Pflicht, den Fall jedes Einzelnen zu prüfen, der zur Grenze kommt und um Asyl oder Schutz nachsucht. Wenn eine Person plausibel erklärt, dass sie nicht in die Heimat zurückkann oder –will, weil sie von der eigenen Regierung dort keinen Schutz erwarten kann, muss die USA zumindest untersuchen, ob etwas daran ist und ob das ein Flüchtling ist.“

Trump droht mit dem Streichen von Hilfsgeldern

US-Präsident Trump droht nicht nur mit einer Schließung der Südgrenze. Er hat – ebenfalls auf Twitter – Honduras, El Salvador und Guatemala auch damit gedroht, Hilfsgelder zu streichen. Das ist den Regierungen dieser Länder aber offenbar in steigendem Mass egal, weil sie immer mehr auf China setzen statt auf den unbequemen Nachbarn USA. Anders verhält sich die Sache (noch) mit Mexiko. Trump schont den neugewählten Präsidenten Andrés Manuel López Obdrador, weil er in dem Linkspopulisten einen Geistesverwandten wittert.

Christine Reis gesteht Trump durchaus das Recht zu, die Grenze „zu kontrollieren“. „Aber das muss auf eine menschliche, faire Art und Weise geschehen, die auch die Sicherheit und das Leben der Menschen berücksichtigt, die um unsren Schutz bitten. Hilfsgelder zu streichen ist dagegen etwas ganz anderes, weil das einfach nur dazu führen würde, dass die Lage in den betroffenen Ländern noch explosiver wird. Das hätte also den gegenteiligen Effekt – dann würden noch mehr Leute versuchen, in die USA zu kommen!“

Am Anfang marschierten nur 160 Migranten

Die mexikanischen Behörden haben das UNO-Flüchtlingskommissariat gebeten, den heranmarschierenden Migranten beizustehen, sobald diese die Grenze erreichen. Die UNO solle außerdem die Migranten einzeln anhören und feststellen, ob sie wirklich aus plausiblen Ängsten heraus geflüchtet sind. Diese Menschen will Mexiko ins Land lassen und ihnen, so Reis, „eventuell eine Art Flüchtlingsstatus zuerkennen“. „Die UNO kann Migranten auch selbst als Flüchtlinge anerkennen und dann in Länder verbringen, mit denen es entsprechende Abkommen gibt. Das würde heißen, dass vielleicht auch die USA einen Teil dieser Flüchtlinge bekommen würden; die würden dann als Flüchtlinge ins Land kommen.“

Eigentlich war die Karawane ganz klein, als sie startete: Etwa 160 Menschen. Sie kamen aus dem Städtchen San Pedro Sula, einem der lebensgefährlichsten Orte der Welt. Reis berichtet, dass bei der Karawane viele Kinder mitlaufen – nicht alle haben wohl ihre Eltern oder Angehörige dabei. Es ist nicht der erste Migrantenzug dieser Art, der sich in Richtung US-Grenze wälzt, aber mit Sicherheit der größte.

Manche geben unterwegs auf

„Es gab in diesem Jahr schon mehrere Züge, aber immer nur von hundert bis zweihundert Menschen. Im März gab es mal einen Zug mit etwa 1.600 Personen, von denen erreichten dann ungefähr tausend die US-Grenze, weil eine Reihe von Menschen in Mexiko hängenblieb. Manche Leute werden ja krank unterwegs, die können nicht mehr weiterlaufen… Und in jeder Stadt, durch die sie kommen, droht ihnen Gewalt. Darum geben einige unterwegs auf.“

Frau Reis findet es einen schlauen Schachzug der mexikanischen Behörden, dass sie sich an das UNO-Flüchtlingshilfswerk gewandt haben. Das könnte Trump zumindest ein wenig die Hände binden. Doch natürlich nutzt der Präsident den heranmarschierenden Zug weidlich aus zur Stimmungsmache vor den Kongresswahlen im November. Das Land werde von Kriminellen überfallen, die Drogen mitbrächten – das erinnert daran, dass er als Präsidentschaftskandidat illegale Einwanderer aus Mittelamerika als „Vergewaltiger“ gebrandmarkt hat.

„Das ist definitiv keine Gruppe von Banditen, die versuchen, die USA zu überfallen“

„Leider werden die Nachrichten über diese Karawane beutzt, um (den Menschen in den USA) ein bisschen Angst einzujagen. Nichts deutet in Wirklichkeit darauf hin, dass diese Karawane vor allem aus Menschen bestünde, die Verbrechen begehen wollen oder etwas in der Art… Das ist definitiv keine Gruppe von Banditen, die versuchen, die USA zu überfallen!“

(vatican news/faz)
 

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20. Oktober 2018, 11:28