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Franziskus im Januar in Chile Franziskus im Januar in Chile 

„Jeder Pfarrer sollte regelmäßig Missbrauchsopfer treffen“

Mehrmals im Monat – in der Regel jeden Freitag – trifft sich der Papst abseits der Kameras mit Überlebenden von sexuellem Missbrauch. Das hat er bei seiner Lateinamerika-Reise Jesuiten erzählt, und vor ein paar Tagen wurde die Äußerung bekannt.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Don Fortunato Di Noto freut sich über die Nähe des Papstes zu Missbrauchsopfern, über die häufigen Kontakte. Der italienische Priester ist Gründer des Verbands „Meter“, der gegen Pädophilie kämpft.

„Natürlich ist das eine schöne Geste! Eigentlich müssten wir das alle tun. Die Priester, aber auch die engagierten Katholiken, die sich einsetzen wollen für diese verwundeten Menschen. Diese Wunden sind tief und anhaltend, man überwindet solche traumatischen Erlebnisse nicht so einfach. Nicht umsonst werden die Opfer in der wissenschaftlichen Literatur in der Regel Überlebende genannt. Die Geste des Papstes ist prophetisch – die Geste eines Hirten. Franziskus gibt uns damit ein Signal. Eigentlich müssten das alle Bischöfe der Welt auch so halten, dass sie jeden Freitag dem Hinhören widmen, dem Umarmen. Das würde fühlbar machen, dass die Kirche wirklich Mutter ist und zu Gesten fähig, die aus der Heuchelei, die dieses Phänomen oft umgibt, ausbrechen.“

In seinen Äußerungen auf der Lateinamerika-Reise hat der Papst sich schockiert gezeigt, dass Priester, also Gott geweihte Menschen, überhaupt zu so etwas wie Kindesmissbrauch fähig sind. Aber dazu sagt Di Noto:

„Wenn Sie mir erlauben: Natürlich ist es äußerst schwerwiegend, wenn ein Priester so etwas tut. Aber ich würde auch hinzufügen: Wir Christen sind alle ohne Ausnahme bei der Taufe gesalbt worden – wir sind alle Priester und Propheten und Könige. Kein Getaufter kann sich also erlauben, ein Kind zu missbrauchen!“

Die Kirche ist kein internationaler Verband von Pädophilen

 

Den Überlebenden von Missbrauch zuzuhören, sei sehr wichtig – aber es reiche nicht, sagt der engagierte Geistliche. Man brauche auch deutlichen Protest in der Öffentlichkeit. „Meter“ plant das für den 6. Mai auf dem Petersplatz; der 6. Mai ist der Welttag gegen die Ausbeutung und Misshandlung von Kindern.

„Ja, es stimmt, dass Missbrauch in den meisten Fällen im weiteren Familienkreis stattfindet, dass also der Täter aus der weiteren Familie kommt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es kriminelle Organisationen in diesem Bereich gibt, die aus dem Missbrauch Minderjähriger, aus der Sklaverei ihr Geschäftsmodell gemacht haben! Die Zahlen in diesem Business sind beeindruckend; der Umsatz ist höher als beim Drogengeschäft, Millionen von Kindern zwischen null und zwölf Jahren weltweit werden missbraucht! Das ist ein globales Drama. Wir reden hier also, wenn ich das sagen darf, nicht von einem Phänomen, das speziell oder nur die Kirche anginge. Die Kirche ist kein internationaler Verband von Pädophilen; das Problem ist auch in der Kirche schwerwiegend, aber wir reden von einem globalen Phänomen, das global angegangen werden muss, und zwar nicht nur mit guten Vorsätzen und Arbeitskreisen. Hier müssen die Staaten handeln – viele Antworten haben sie bisher noch nicht gegeben.“

Ausgerechnet die Lateinamerika-Reise, auf der der Papst von seinen Treffen mit Missbrauchsopfern erzählte, wurde von einem Missbrauchsskandal überschattet, dem sogenannten Fall Barros. Franziskus verteidigte während seines Besuchs in Chile sein Festhalten an dem Bischof Juan Barros. Diesem werfen Missbrauchsopfer vor, von ihrem Leiden gewusst, es aber vertuscht zu haben. Dafür gebe es keine Beweise, das sei Verleumdung, sagte der Papst. Kurz darauf allerdings ernannte er einen Sonderermittler in dieser Angelegenheit; der maltesische Erzbischof Charles Scicluna wird in den nächsten Tagen also in Chile viele Gespräche führen.

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19. Februar 2018, 11:22