Suche

Erzbischof Visvaldas Kulbokas, Apostolischer Nuntius in der Ukraine Erzbischof Visvaldas Kulbokas, Apostolischer Nuntius in der Ukraine 

Nuntius in der Ukraine: Papst will Dialog, nicht Unterwerfung

Der Papstbotschafter in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, sieht im Hintergrund der Aufregung um die jüngsten Worte des Papstes zum Ukraine-Krieg ein Missverständnis. Franziskus habe in geistlicher Weise auf eine politische Frage geantwortet, so der aus Litauen stammende Vatikandiplomat im Interview mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“.

Er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die betreffende Frage des Journalisten, in der er das Bild von der Weißen Flagge gebraucht hatte, welches Franziskus auch in seiner Antwort aufgegriffen hatte.

„Es sollte dem Papst überlassen werden, sich deutlicher zu erklären. Der Papst hat in geistlicher Sprache auf eine politische Frage geantwortet. Aber es fällt mir schwer zu verstehen, wie man mit der Frage beginnen kann, ob die Ukraine die weiße Fahne hissen soll oder nicht. Warum beginnen wir mit dem Opfer, mit den Geschädigten? Was ist das für eine Frage?“, so der Vatikandiplomat zu dem am Samstag teilweise bekannt gewordenen Interview des Schweizer Senders RSI. Der Papst habe das Bild lediglich aufgegriffen, dann jedoch präzisiert, dass „Verhandeln niemals eine Kapitulation ist“, erklärt der aus Litauen stammende Diplomat weiter.

Weiße Fahne Aufforderung an alle Parteien, Wege zum Frieden zu suchen

„Ich frage mich, warum der Journalist das Bild der weißen Flagge verwendet hat. Wenn es eine Aufforderung an alle Parteien bedeutet, Wege zum Frieden zu suchen, dann ist es ein Bild, das mir sehr gerecht erscheint. Offensichtlich schmerzt das Herz des Papstes angesichts der vielen Opfer des Krieges in der Ukraine, angefangen bei den Kindern. Um den Krieg zu beenden, hisst der Papst als Erster die weiße Fahne, um alle zum Dialog einzuladen, denn er ist betrübt über das unaufhörlich fließende Blut.“

„Um den Krieg zu beenden, hisst der Papst als Erster die weiße Fahne, um alle zum Dialog einzuladen, denn er ist betrübt über das unaufhörlich fließende Blut“

Wenn der Interviewer einen ausgewogenen Beitrag hätte liefern wollen, hätte er den Papst vor allem danach fragen müssen, was Russland tun könne, um den Krieg zu beenden. Und in diesem Fall hätte die Antwort lauten können: „Du sollst nicht töten und keine Soldaten, Raketen und Drohnen in die Ukraine schicken, das ist der wichtigste Punkt!“ Dies seien „sehr ernste Themen, die nicht mit episodenhaften Fragen behandelt werden sollten, zeigt Kulbokas sich überzeugt.

„Der Papst und auch ich als sein Vertreter sind in erster Linie für den geistlichen, moralischen und humanitären Diskurs zuständig und nicht für den politischen“, so Kulbokas, der bekräftigt, dass sein Gebet den Angegriffenen wie auch den Angreifern gelte.

„Der Papst und auch ich als sein Vertreter sind in erster Linie für den geistlichen, moralischen und humanitären Diskurs zuständig und nicht für den politischen“

Kulbokas führt weiter aus, dass das von Papst Franziskus eingebrachte Thema möglicher Verhandlungen auch in der ukrainischen Politik und Gesellschaft diskutiert werde. In der Ukraine werde gefragt, welche Alternative zu mehr Opfern führt. Die Ukrainer wüssten aus ihrer Geschichte, was eine Unterwerfung kostet. Dazu zählten die persönlichen Leiden, aber auch die kollektive Katastrophe der von Josef Stalin geförderten Hungerkrise von 1932/33, dem Holodomor.

Deshalb frage man in der Ukraine: „Sterben mehr Menschen, wenn wir uns dem Unterdrücker entgegenstellen - oder sterben mehr, wenn wir zu einer Übereinkunft kommen? Und wenn ja, was für eine Übereinkunft wäre das? Eine Unterwerfung darf es nicht sein.“

Die Einladung zum Dialog gehöre zum Auftrag des Heiligen Stuhls. „Wir laden ein zu Öffnung und Dialog unter den Völkern; diesen Aspekt wollte der Papst unterstreichen“, so Kulbokas. Dialog sei ein Mittel, um selbst größte Hindernisse zu überwinden.

(repubblica/kna - cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

11. März 2024, 16:20