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Kardinal Parolin reist nach Dubai ab Kardinal Parolin reist nach Dubai ab 

Parolin: Papst Franziskus fordert neue Impulse von COP28

Über die Sorgen und Hoffnungen des Papstes angesichts der Klimakrise, der Kriege und der Spaltungen, die den Planeten zerreißen, spricht Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in einem Interview im Vorfeld seiner Reise nach Dubai zur COP28 mit den Vatikanmedien. In Bezug auf die Krisen im Nahen Osten und den Krieg zwischen Russland und der Ukraine bekräftigt er das ständige Engagement des Heiligen Stuhls für die Schaffung von Frieden.

Massimiliano Menichetti - Vatikanstadt

Der Staatssekretär des Vatikans, Kardinal Pietro Parolin, wird als Leiter der Delegation des Heiligen Stuhls bei der Konferenz der Vereinten Nationen über den Klimawandel in Dubai auftreten. Die Ankunft ist für diesen Freitag Abend geplant. Auch Papst Franziskus sollte zu diesem Datum in den Vereinigten Arabischen Emiraten eintreffen. Der Papst musste jedoch „mit großem Bedauern“ auf diese Reise verzichten, um eine Verschlimmerung der Lungeninfektion zu vermeiden, die er sich vor einer Woche zugezogen hat.

Eure Eminenz, der Papst wird nicht wie gewünscht an der internationalen Klimakonferenz in Dubai teilnehmen können. Was sind die Erwartungen und Hoffnungen von Franziskus für die COP28?

Kardinal Pietro Parolin: Der Papst trägt in seinem Herzen das Bewusstsein dafür, dass es nötig ist, für die Pflege des gemeinsamen Hauses zu handeln, ebenso wie für die Dringlichkeit mutiger Positionen und eines neuen Impulses für die lokale und internationale Politik, damit die Menschheit nicht durch parteiische, kurzsichtige oder räuberische Interessen bedroht wird. Die COP28 ist aufgerufen, eine klare Antwort seitens der politischen Gemeinschaft zu geben, um die Klimakrise entschlossen und innerhalb des von der Wissenschaft vorgegebenen Zeitrahmens anzugehen. Der Papst war nicht in der Lage, nach Dubai zu reisen, aber die Entscheidung, dort zu sein - das erste Mal für einen Papst -, ging klar aus Laudate Deum hervor, wo er daran erinnert, dass es nun acht Jahre seit der Veröffentlichung der Enzyklika Laudato si' sind und in der er mit allen das Leiden des Planeten und die „tiefe Besorgnis“ um den Erhalt des gemeinsamen Hauses teilen wollte. Der Papst erklärt, dass ihm mit der Zeit klar werde, dass wir „nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt und vielleicht vor einem tiefen Einschnitt steht" (Nr. 2). Wissenschaftliche Studien weisen nicht nur auf die schwerwiegenden Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels hin, sondern wir werden auch täglich Zeuge extremer Naturphänomene auf der ganzen Welt, die die Lebensqualität eines großen Teils der menschlichen Bevölkerung und insbesondere des Teils, der für die Klimakrise am anfälligsten ist und sie am wenigsten verursacht hat, stark beeinträchtigen.

Der Heilige Vater hat wiederholt das Wort „Mut“ in den Mund genommen und die Regierungen aufgefordert, eine Politik für eine ganzheitliche Ökologie zu betreiben, um die Menschheit und das gemeinsame Haus zu schützen. Was sind die Erwartungen an COP28?

Kardinal Pietro Parolin: Auch hier ist Laudate Deum sehr klar: „Wenn wir auf die Fähigkeit des Menschen vertrauen, über seine kleinen Interessen hinauszugehen und im Großen zu denken, können wir nur hoffen, dass die COP28 zu einer deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen führt, die einer dauerhaften Überwachung unterliegen. Diese Konferenz kann ein Wendepunkt sein, der beweist, dass alles, was seit 1992 getan wurde, ernsthaft war und sich gelohnt hat, andernfalls wird sie eine große Enttäuschung sein und all das Gute, das bisher erreicht werden konnte, in Gefahr bringen.“ (Nr. 54).

In der Tat besteht die Hoffnung, dass COP28 klare Hinweise geben kann, um diese Beschleunigung zu fördern. Eine Energiewende, die auf verschiedene Weise dekliniert werden kann, beginnend mit der schrittweisen und raschen Reduzierung fossiler Brennstoffe durch eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz sowie durch ein größeres Engagement in der Erziehung zur integralen Ökologie.

Es ist gut, das zu wiederholen, was der Heilige Vater und der Heilige Stuhl oft wiederholt haben: Wirtschaftliche und technische Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise sind notwendig, aber sie reichen nicht aus; es ist unabdingbar, dass sie von einem Erziehungsprozess begleitet werden, der Veränderungen in den Lebensgewohnheiten und in den Produktions- und Verbrauchsmitteln beeinflusst, die darauf abzielen, ein erneuertes Modell der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung und der Nachhaltigkeit zu fördern, das auf der Fürsorge, der Brüderlichkeit, der Zusammenarbeit zwischen den Menschen und der Stärkung jenes Bündnisses zwischen Mensch und Umwelt beruht, das, wie Benedikt XVI. in Caritas in veritate sagte, „ein Spiegel der Schöpferliebe Gottes sein soll – des Gottes, in dem wir unseren Ursprung haben und zu dem wir unterwegs sind” (Nr. 50).

Der Papst beklagte, dass es nach der Pariser Konferenz 2015 tatsächlich einen Rückgang, ein zunehmendes Desinteresse gab. Sie haben diese Ereignisse genau verfolgt. Ist sich die Welt der Gefahren bewusst?

Kardinal Pietro Parolin: „Die Klimakrise ist sehr komplex, aber sie ist ,ein globales soziales Problem, das eng mit der Würde des menschlichen Lebens zusammenhängt‘ (Laudate Deum, Nr. 3). Sie hängt außerdem mit menschlichem Verhalten, mit der Steigerung des Ausstoßes von Treibhausgasen, zusammen, die langfristige Konsequenzen haben: Sie reichen bis in die Zeit der postindustriellen Revolution im späten 18. Jahrhundert zurück, haben sich aber im Lauf der Zeit deutlich verstärkt. Nach Angaben des IPCC, des wissenschaftlichen Gremiums der Vereinten Nationen, das sich mit dem Klimawandel befasst, sind mehr als 42 Prozent der gesamten Netto-Emissionen seit 1850 nach 1990 entstanden. Dies sind Zeitspannen, die weit über die kurzen Wahlzyklen hinausgehen, in denen Politiker Rechenschaft ablegen müssen. Dies ist sicherlich eine erste Problematik.

Darüber hinaus hat es seit 2015 eine Reihe von Krisen gegeben, man denke nur an COVID oder die anhaltenden humanitären Probleme, die unsere Gesellschaft durchdringen. Die Konflikte in der Ukraine und in der israelisch-palästinensischen Region sind nur zwei eindrucksvolle Beispiele dafür, wie lokal begrenzte Konflikte nicht nur unannehmbare und verheerende Auswirkungen auf die lokale Zivilbevölkerung haben, sondern auch weltweit tiefgreifende wirtschaftliche und soziale Folgen nach sich ziehen. Ein zweites Problem ist, dass diese Krisen die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von der Klimafrage abzulenken drohen.

Leider schreitet der Klimawandel voran und wartet nicht auf den „guten Willen“ der Menschen. Die internationale Gemeinschaft muss dies nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern konkret erkennen, dass wir bei der Bekämpfung der Klimakrise entweder gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren. Anlässlich der COP26 in Glasgow hat der Heilige Vater in einer Botschaft darauf hingewiesen, dass „die Wunden, die der Menschheit [...] durch das Phänomen des Klimawandels zugefügt werden, mit denen eines globalen Konflikts vergleichbar sind. Wie nach dem Zweiten Weltkrieg ist es heute notwendig, dass die gesamte internationale Gemeinschaft die Durchführung kollegialer, solidarischer und weitsichtiger Aktionen zu einer Priorität macht“. Der wahre Feind, den es zu bekämpfen gilt, ist das unverantwortliche Verhalten, das sich auf alle Bestandteile unserer heutigen und zukünftigen Menschheit auswirkt. Die Antwort muss schnell und geschlossen erfolgen. 

Es wäre schön, wenn COP28 dazu beitragen würde, den von Papst Franziskus in Laudato si' geäußerten Wunsch in die Tat umzusetzen: „Während die Menschheit des post-industriellen Zeitalters vielleicht als eine der verantwortungslosesten der Geschichte in der Erinnerung bleiben wird, ist zu hoffen, dass die Menschheit vom Anfang des 21. Jahrhunderts in die Erinnerung eingehen kann, weil sie großherzig ihre schwerwiegende Verantwortung auf sich genommen hat.“ (Nr. 165) Darin liegt eine Hoffnung, denn die Menschheit verfügt über die Mittel und Fähigkeiten, um eine solche Verantwortung übernehmen zu können.

COP28 findet in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt, während der Konflikt zwischen Israel und der Hamas andauert. Wie sieht der Heilige Stuhl diese Situation?

Kardinal Pietro Parolin: Der Terroranschlag, der am 7. Oktober von der Hamas und anderen palästinensischen Organisationen gegen die Bevölkerung Israels verübt wurde, hat bei den Israelis und bei uns allen eine schwere und tiefe Wunde verursacht. Die Sicherheit dieser Bevölkerung wurde auf so brutale Weise und in so kurzer Zeit auf unglaubliche Weise ernsthaft gefährdet. Der Heilige Vater hat es von Anfang an gesagt: „Terrorismus und Extremismus tragen nicht zu einer Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern bei, sondern schüren Hass, Gewalt und Rache und lassen den anderen nur leiden“ (Generalaudienz, 11. Oktober 2023).

Und in der Tat ist der israelisch-palästinensische Friedensprozess, der bereits unter Verlangsamung und Stagnation litt, nun noch komplexer geworden. Andererseits war dies vielleicht das Ziel der Terroristen, da die Hamas-Milizionäre, wie sie immer erklärt haben, keinen Frieden mit Israel in Aussicht haben, sondern im Gegenteil - unverantwortlicherweise - dessen Verschwinden wünschen. Dies entspricht jedoch nicht dem Willen, den uns die Behörde des Staates Palästina, insbesondere Präsident Mahmoud Abbas, stets versichert hat, nämlich einen Dialog mit dem Staat Israel zu wollen, um die Zwei-Staaten-Lösung, die der Heilige Stuhl seit vielen Jahren zusammen mit einem Sonderstatut für die Heilige Stadt Jerusalem fördert, vollständig zu verwirklichen. Deshalb hoffe ich, dass es in der Zukunft aufrichtige Wege des Dialogs geben wird, auch wenn ich sie jetzt sehr eingegegrenzt sehe. In den Vatikanischen Gärten steht der Olivenbaum, der 2014 vom israelischen Präsidenten Shimon Peres und dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas zusammen mit Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus gepflanzt wurde. Wir gießen ihn weiterhin mit dem Wasser der Hoffnung, das aus dem Gebet und auch aus der diplomatischen Arbeit fließt.

„Der Heilige Stuhl hofft, dass alle Gewalt so bald wie möglich aufhört“

In den letzten Tagen haben wir jedoch einen Lichtblick in den Verhandlungen gesehen, die einen Waffenstillstand und die Freilassung mehrerer israelischer Geiseln und von Geiseln anderer Nationalitäten ermöglicht haben. Leider haben wir heute erfahren, dass die Kämpfe wieder aufgenommen wurden. Der Heilige Stuhl hofft, dass alle Gewalt so bald wie möglich aufhört. Ich glaube, dass die Bemühungen um einen Dialog, die Ägypten und Katar zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika unternommen haben, wirklich lobenswert sind, ebenso wie die Bereitschaft der israelischen Regierung, so schnell wie möglich eine Lösung für alle Geiseln zu finden. Ich bin wirklich froh, dass diese Menschen ihre Familien wiedersehen können. Ich bete auch für die anderen Familien, die ihre im Gazastreifen entführten Angehörigen noch immer nicht in die Arme schließen können, und fühle mit ihnen. Wir hoffen, dass sie alle bald freigelassen werden.

Gleichzeitig gibt die humanitäre Lage im Gazastreifen dem Heiligen Stuhl Anlass zu großer Sorge. Tausende von Opfern, man spricht von über 15.000, Verletzten, Vermissten. Es scheint, dass es nirgendwo sicher ist, selbst Schulen, Krankenhäuser und Gotteshäuser werden missbraucht und umkämpft. Mehr als eine Million Menschen sind obdachlos und müssen in den Süden des kleinen palästinensischen Landstreifens ziehen. Wirklich lobenswert ist die Rolle Ägyptens, das die Ankunft der humanitären Hilfe bereitstellt und koordiniert, sowie die Rolle Jordaniens, Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate, die diese Hilfe bereitstellen und versuchen, der palästinensischen Bevölkerung zu helfen. Wir dürfen die humanitären Bemühungen der UN-Organisationen im Gazastreifen nicht vergessen und müssen sie unterstützen. Deshalb müssen die Kämpfe jetzt endgültig aufhören und andere Wege gefunden werden, damit die Hamas und andere palästinensische Organisationen entwaffnet werden können und keine terroristische Bedrohung mehr für die Israelis, aber auch für die Palästinenser selbst darstellen.

Der Heilige Stuhl verfolgt auch weiterhin aufmerksam den Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Wie geht die Arbeit der vatikanischen Diplomatie in diesem Zusammenhang weiter?

Kardinal Pietro Parolin: Das Engagement des Heiligen Stuhls bleibt unverändert und konzentriert sich weiterhin auf humanitäre Fragen, insbesondere auf die Rückführung ukrainischer Minderjähriger. Dank des Informationsaustauschs zwischen der ukrainischen und der russischen Seite, der über die Apostolischen Nuntiaturen in beiden Ländern abgewickelt wird, konnte das Schicksal von Dutzenden von Kindern geklärt werden. Ein ermutigendes Ergebnis, das auch dank der ausdrücklichen Beteiligung des Heiligen Stuhls erzielt wurde, wie das Büro des Präsidialbeauftragten für die Rechte des Kindes der Russischen Föderation mitteilte, war die Rückführung von Bogdan Yermokhin am Abend vor seinem 18 Geburtstag. Darüber hinaus wird der im Anschluss an die Mission von Kardinal Zuppi eingeleitete Mechanismus derzeit verfeinert, was bessere Ergebnisse verspricht. Es bleibt zu hoffen, dass diese Bemühungen den Weg für einen Dialog auch über andere Themen ebnen.

Euer Eminenz, lohnt es sich, in diesen komplexen Zeiten von Krieg, Gewalt und Entbehrungen noch zu hoffen?

Kardinal Pietro Parolin: Angesichts der Tragödien, die die Menschheit weiterhin heimsuchen, fühlen wir uns alle als Verlierer und sind versucht, uns der Verzweiflung und dem Fatalismus hinzugeben. Mit Papst Franziskus möchte auch ich wiederholen: „Lassen wir uns die Hoffnung nicht rauben“, vor allem wenn der Lebensweg auf Probleme und Hindernisse stößt, die unüberwindbar scheinen. Natürlich verlangt die Hoffnung Realismus. Sie verlangt, dass wir die Probleme beim Namen nennen, in dem Wissen, dass die vielen moralischen, sozialen, ökologischen, politischen und wirtschaftlichen Krisen, die wir erleben, miteinander verbunden sind, und dass das, was wir als einzelne Probleme ansehen, in Wirklichkeit eine Ursache oder Folge der anderen ist. Die Hoffnung verlangt dann aber auch den Mut zum Handeln; die Kühnheit, sein Herz über das Hindernis zu werfen, dem Bösen zu entsagen und aus dem engen Raum persönlicher oder nationaler Interessen herauszutreten, jeden Tag die kleinen möglichen Schritte des Guten zu tun, um zu versuchen, komplizierte Situationen zu verbessern und mit Geduld und Vertrauen Frieden zu säen.

(vatican news)

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01. Dezember 2023, 14:34