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Der Petersdom in Rom Der Petersdom in Rom  (ANSA)

Vatikan erlaubt Segnung von „irregulären“ Paaren

Die vom Papst gebilligte Erklärung „Fiducia supplicans“ des vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre erlaubt die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren – aber unter genau festgelegten Bedingungen. Die kirchliche Lehre über die Ehe ändert sich nicht; die Segnung bedeutet keine Billigung der Verbindung.

VATICAN NEWS

Wenn zwei Personen um den Segen bitten, kann der Geistliche dieser Bitte stattgeben, auch wenn ihr Zustand als Paar aus kirchlicher Sicht „irregulär“ ist. Allerdings darf diese Geste der pastoralen Nähe keine Elemente enthalten, die auch nur im Entferntesten einem Hochzeitsritus ähneln. Das ergibt sich aus der Erklärung „Fiducia supplicans“ (dt.: Das flehende Vertrauen) über die pastorale Bedeutung von Segnungen, die an diesem Montag vom vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre veröffentlicht worden ist. Papst Franziskus hat den Text zuvor gebilligt.

Was bedeutet diese Erklärung aus dem Glaubensdikasterium? Ein Kollegengespräch

Das Dokument beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema der Segnung und unterscheidet dabei zwischen rituellen, liturgischen Segnungen und spontanen Segnungen, die Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit ähneln. Mit Blick auf diese zweite Kategorie spricht die oberste Glaubensbehörde der katholischen Kirche nun von der Möglichkeit, auch diejenigen zu segnen, die nicht nach den Normen der christlichen Morallehre leben, aber von Herzen um eine solche Segnung bitten. Es ist die erste „Erklärung“ des früheren „Heiligen Uffiziums“ seit 23 Jahren: Damals erschien, im Jahr 2000, das grundlegende Dokument „Dominus Iesus“.

Kardinal Víctor Fernández Anfang Dezember in Rom
Kardinal Víctor Fernández Anfang Dezember in Rom

Eine echte Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre

„Fiducia supplicans“ beginnt mit einer Einleitung des Präfekten, Kardinal Víctor Fernández. Er unterstreicht, dass es in der Erklärung in erster Linie um die „pastorale Bedeutung von Segnungen“ geht. Das „klassische Verständnis“ der Segnung solle „erweitert und bereichert“ werden durch eine „theologische Reflexion, die sich auf die pastorale Vision von Papst Franziskus stützt“. Das bedeute „eine wirkliche Weiterentwicklung über das hinaus, was vom Lehramt und in den offiziellen Texten der Kirche über die Segnungen gesagt wurde“ – denn jetzt werde auch die Möglichkeit eingeräumt, „Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare segnen zu können, ohne deren Status offiziell zu konvalidieren oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern“.

Nach den ersten Absätzen (1-3), in denen eine frühere Stellungnahme von 2021 in Erinnerung gerufen und erweitert wird, stellt die Erklärung den Segen im Rahmen des Ehesakraments vor (Abs. 4-6). Dabei erklärt sie „Riten und Gebete, die Verwirrung stiften könnten zwischen dem, was für die Ehe konstitutiv ist, (...) und dem, was dem widerspricht, (für) unzulässig“. Es müsse vermieden werden, „dass etwas, was nicht der Fall ist, als Ehe anerkannt wird“. Die Erklärung bekräftigt, dass nach der „beständigen katholischen Lehre“ sexuelle Beziehungen nur innerhalb der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als erlaubt gelten.

Bei seinem Besuch in der Mongolei im September 2023 segnet der Papst einen Kleriker
Bei seinem Besuch in der Mongolei im September 2023 segnet der Papst einen Kleriker

Verschiedene Arten des Segnens

Ein zweites Kapitel des Dokuments (Abs. 7-30) analysiert die Bedeutung der unterschiedlichen Segensformeln, die sich auf Menschen, Gegenstände der Verehrung und Orte des Lebens beziehen. Es erinnert daran, dass „in streng liturgischer Sicht“ die Segnung voraussetzt, „dass das, was gesegnet wird, dem Willen Gottes entspricht, wie dies in der Lehre der Kirche zum Ausdruck kommt“. Wenn mit einem liturgischen Ritus „bestimmte menschliche Beziehungen (...) gesegnet werden“, ist es notwendig, dass „das, was gesegnet wird, den in die Schöpfung eingeschriebenen Plänen Gottes (...) entsprechen muss“ (11). Daher habe die Kirche nicht die Befugnis, irregulären oder gleichgeschlechtlichen Paaren einen liturgischen Segen zu erteilen. Man müsse jedoch das Risiko vermeiden, die Bedeutung des Segens allein auf diesen Punkt zu reduzieren, indem man für einen einfachen Segen „dieselben moralischen Bedingungen verlangt, die für den Empfang der Sakramente gefordert werden“ (12).

Nach einer Analyse der Segnungen in der Heiligen Schrift geht die Erklärung dann zu einer theologisch-pastoralen Optik über. Wer um einen Segen bitte, „zeigt mit dieser Bitte seine aufrichtige Offenheit für die Transzendenz", er drückt „eine Bitte um Gottes Hilfe aus, eine Bitte, besser leben zu können“ (21). Diese Bitte sollte „außerhalb eines liturgischen Rahmens“ positiv gesehen und gewürdigt werden, wenn man sich „in einem Bereich größerer Spontaneität und Freiheit“ befindet (23). Aus dem Blickwinkel der Volksfrömmigkeit betrachtet, „sind Segnungen als Akte der Frömmigkeit zu bewerten“. Um sie zu erteilen, ist es daher nicht nötig, eine „vorherige moralische Vollkommenheit“ als Voraussetzung zu verlangen.

Die Fassade des Glaubensdikasteriums in Rom
Die Fassade des Glaubensdikasteriums in Rom

Auf Wallfahrten oder sogar am Straßenrand

Das Dokument vertieft diese Unterscheidung auf der Grundlage der Antwort des Papstes auf die im vergangenen Oktober veröffentlichten „Dubia“ mehrerer Kardinäle. Darin hatte Franziskus zu einem Prozess der geistlichen Unterscheidung über die Möglichkeit von Formen der Segnung, „die von einer oder mehreren Personen erbeten werden und die nicht eine falsche Vorstellung von der Ehe vermitteln“ (26), aufgerufen. Das Dokument aus dem Vatikan spricht nun davon, dass diese Art der Segnung „allen gespendet werden kann, ohne etwas zu verlangen“, um die Menschen spüren zu lassen, dass sie trotz ihrer Fehler gesegnet bleiben und dass „ihr himmlischer Vater fortfährt, trotz ihrer schwerwiegenden Fehler, weiterhin ihr Wohl zu wollen und zu hoffen, dass sie sich schlussendlich dem Guten öffnen“ (27).

Es gibt, so führt die Erklärung aus, „verschiedene Anlässe, bei denen Menschen spontan um einen Segen bitten, sei es auf Wallfahrten, an Wallfahrtsorten oder sogar auf der Straße, wenn sie einem Priester begegnen“. Solche Segnungen „sind an alle gerichtet, niemand darf  ausgeschlossen werden“ (28). Daher darf der geweihte Amtsträger, auch wenn es ihm untersagt ist, „Verfahren oder Riten“ für diese Fälle zuhilfe zu nehmen, sich doch den Bitten von Personen öffnen, „die, obwohl sie sich in einer Verbindung befinden, die in keiner Weise mit der Ehe verglichen werden kann, sich dem Herrn und seiner Barmherzigkeit anvertrauen, seine Hilfe erflehen und zu einem besseren Verständnis seines Plans der Liebe und der Wahrheit geführt werden wollen“ (30).

Franziskus bei einer Generalaudienz mit einem Ehepaar
Franziskus bei einer Generalaudienz mit einem Ehepaar

Das Paar wird gesegnet, nicht die Verbindung

Das dritte Kapitel der Erklärung (Abs. 31-41) eröffnet daher ausdrücklich die Möglichkeit solcher Segnungen. Sie bedeuteten eine Geste gegenüber denjenigen, „die sich als mittellos und seiner Hilfe bedürftig erkennen und nicht die Legitimation ihres eigenen Status beanspruchen, sondern darum bitten, dass alles, was in ihrem Leben und ihren Beziehungen wahr, gut und menschlich gültig ist, durch die Gegenwart des Heiligen Geistes bereichert, geheilt und erhöht wird“ (31). Solche Segnungen sollen nicht standardisiert werden, sondern der „praktischen Unterscheidung angesichts einer Sondersituation“ anvertraut werden (37).

Obwohl das Paar gesegnet wird, nicht aber die Verbindung, schließt die Erklärung die legitimen Beziehungen zwischen den beiden Personen in den Segen mit ein: „In dem kurzen Gebet, das diesem spontanen Segen vorausgehen kann, könnte der geweihte Amtsträger um Frieden, Gesundheit, einen Geist der Geduld, des Dialogs und der gegenseitigen Hilfe für sie bitten, aber auch um Gottes Licht und Kraft, um seinen Willen voll erfüllen zu können“ (38). Dann wird noch ein Punkt klargestellt, um „jedwede Form von Verwirrung und Skandal“ zu vermeiden: Wenn ein irreguläres oder gleichgeschlechtliches Paar um eine Segnung bittet, „wird ein solcher Segen niemals im direkten Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder sonst in irgendeiner Verbindung damit erteilt werden können. Dies gilt auch für die Kleidung, die Gesten und die Worte, die Ausdruck für eine Ehe sind“ (39). Vielmehr sollte diese Art des Segens „in anderen Kontextzen ihren Platz finden, etwa beim Besuch eines Heiligtums, bei einer Begegnung mit einem Priester, bei einem Gebet, das in einer Gruppe oder während einer Pilgerreise gesprochen wird“ (40).

Das vierte Kapitel des Dokuments (42-45) erinnert schließlich daran, dass man, „auch wenn die Beziehung zu Gott durch die Sünde getrübt ist, immer um einen Segen bitten (kann), indem man die Hand nach dem Herrn ausstreckt“. „Einen Segen zu erbitten und zu empfangen, kann in manchen Situationen das mögliche Gut sein" (43).

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18. Dezember 2023, 14:19