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Michael Weninger Michael Weninger 

Vatikanantwort zu Freimaurern: „Eigentlich ein geglückter Text“

Der ehemalige österreichische Diplomat und Kurienmitarbeiter Michael Weninger hält die Klarstellung aus dem Dikasterium für die Glaubenslehre zur Mitgliedschaft von Katholiken in freimaurerischen Logen für ein gutes Beispiel dafür, wie die katholische Kirche die Synodalität„neu einübt“. Am Mittwoch wurde die Antwort der Vatikanbehörde zur Anfrage eines philippinischen Bischofs veröffentlicht, wie er am besten mit der zunehmenden Einflussnahme von Freimaurern bei seinen Gläubigen umgehen solle.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Michael Weninger gilt als Experte für das Freimaurertum, mit dem er sich schon lange beschäftigt. Die Antwort aus dem Vatikan hält er vor allem deshalb für einen „inhaltlichen Fortschritt“ und „besonders geglückt“, weil hier die betroffene Bischofskonferenz ausdrücklich eingeladen werde, sich selber aktiv des Problems anzunehmen und eine koordinierte Strategie  zu erarbeiten, wie pastoral mit dieser Herausforderung umgegangen werden solle. „Und das ist großartig, dass man eine Bischofskonferenz einlädt, welche die Fragestellungen vor Ort besser kennt, um der Sache nachzugehen und zu einer koordinierten Strategie zu kommen”, zeigt sich Weninger angetan. 

„Wenn ich das als einfacher Priester so sagen darf, ist die Stellungnahme der Glaubenskongregation sehr klug formuliert insofern, dass hier die Bischofskonferenz der Philippinen eingeladen wird, in pastoraler Hinsicht eine koordinierte Strategie zu erarbeiten. Wie kann ich diesen Herausforderungen am besten pastoral begegnen? Und das heißt ja, dass ich mich mit dem Wesen und mit der Wirklichkeit der Freimaurerei beschäftigen muss.“

Dies vor allem deshalb, weil nach dem Wunsch des Dikasteriums für Glaubenslehre auch eine Katechese angeboten werden soll, die sich vernünftigerweise auf Fakten und nicht auf altüberholte Vorurteilen zu stützen habe. Dies bedeute im Grunde aber auch, dass „Dialog und Auseinandersetzung mit dem Wesen und der Wirklichkeit der Freimaurerei“ stattfinden müsse, so Weninger, der darauf hinweist, dass es das „DIE Freimaurerei“ nicht gebe, sondern viele verschiedene Strömungen, die je nach Loge unterschiedlich ausgeprägt seien. So gebe es unter den freimaurerischen Logen klar anti-katholische, aber eben auch andere freimaurerische Wirklichkeiten, bemerkt Weninger insbesondere mit Blick auf eine „rein christliche Freimaurerei". Diese werde weitgehend durch gläubige Katholiken gebildet, die gerne in Dialog mit der katholischen Kirche treten würden, meint der Priester.

Eine Vatikan-Erklärung, die 1983 unmittelbar vor dem aktuell gültigen Kirchenrechtskodex veröffentlicht wurde, bekräftigt allerdings, dass Katholiken, die Freimaurerlogen angehören, sich „in einem Zustand schwerer Sünde“ befinden. Die Erklärung war vom damaligen Präfekten der vatikanischen Glaubensbehörde, Kardinal Joseph Ratzinger, sowie deren Sekretär, Jérôme Hamer, unterzeichnet und von Johannes Paul II. gebilligt worden. Doch Weninger wirbt für Dialog. Der Dialog gehe über gemeinsame Probleme, offene Fragen und Gemeinsamkeiten.

 

Lange Tradition des Gesprächs

„Und da hat übrigens die philippinische Bischofskonferenz schon eine Tradition aus vergangenen Jahrzehnten, wo es diese eine Gesprächskultur schon gegeben hat.“ Diese sei im Übrigen auch gut dokumentiert, so Weninger mit Blick auf zahlreiche Dokumente, darunter auch Dokumente und Gesprächsprotokolle des kirchlich-freimaurerischen Austausches, der schon bald nach Ende des Zweiten Weltkrieges begonnen hatte.

Nicht von oben entschieden, sondern Ortskirche einbezogen

„Und das ist eigentlich eine sehr erfolgversprechende Herangehensweise, denn hier bei dieser Antwort wird nicht so sehr zunächst, wie es früher immer der Fall war, mit kirchenrechtlichen Argumenten argumentiert und zunächst schon verurteilend - und zwar für die Gesamtkirche - Stellung bezogen. Und das ist mir neu, dass hier eine Bischofskonferenz eingeladen wird, eine koordinierte Stellungnahme zu erarbeiten im Hinblick darauf, wie man auch auf die beste Art und Weise pastoral mit dieser Frage umgehen kann, natürlich unter Berücksichtigung der lehrmäßigen Elemente, die hier relevant sind.“

Dass dieses Dokument auch dann auch veröffentlicht werde, sei eine Form kirchlicher Transparenz, betont der ehemalige Mitarbeiter im damaligen Rat für Interreligiösen Dialog. 

Bewusste Auseinandersetzung

Eine solche bewusste Auseinandersetzung seitens der katholischen Kirche habe es jedenfalls tatsächlich bislang erst einmal gegeben, nämlich als im Jahr 1968 der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Franjo Šeper, einen Katalog mit zwölf Fragen an zahlreiche Bischofskonferenzen geschickt habe, von denen die 15 Bischofskonferenzen, die am meisten mit den verschiedenen Ausprägungen des Freimaurertums zu tun hatten, antworteten, so Weninger, der sich seit Jahren mit dieser Thematik beschäftigt. Die eingereichten Antworten auf den Fragenkatalog von 1968 seien „großartig“ gewesen:

„Und deswegen ist ja auch ein Dialog entstanden, der ausdrücklich auf Wunsch von Papst Paul VI. geführt wurde, und zwar vom Sekretär des damaligen Sekretariats für den Dialog mit den Nichtglaubenden, dem Wiener Kardinal Franz König. Und dieser Dialog wurde jahrelang mit einem völlig rationalen Ergebnis geführt, nämlich aufgrund dieses kirchenamtlichen Evaluierungsprozesses auf Wunsch von Papst Paul VI.. Involviert waren Kardinal Franjo Šeper, der damalige Leiter der Kirchenrechts-Reformkommission, Kardinal Pericle Felici und eben Kardinal Franz König und auch andere, deren Arbeit dazu geführt hat, dass es im neuen und derzeit geltenden Kirchenrecht gar keine Verurteilung der Freimaurerei mehr gibt.“

Kirchenrecht geändert

Bei der damaligen Neufassung des Kirchenrechtes, das ursprünglich noch von 1917 stammte, verschwand 1983 nämlich der damalige Kanon 2335, nach dem die Mitgliedschaft eines Katholiken in einer Freimaurerloge automatisch die Tatstrafe der Exkommunikation bedeutete. In der Neufassung von 1983, die nach wie vor gilt, wurde mit dem Kanon 1374 eine „Generalklausel“ eingefügt: „Eine großartige Formulierung“, würdigt Wenninger. „Man merkt, wie damals die Kirchenjuristen hervorragend gearbeitet haben, denn dieser Kanon ist so großartig und so eindeutig und so unmissverständlich, dass er ja bis heute zur Anwendung kommt. Da ist es ganz eindeutig, dass ein Katholik, der Mitglied wird in einer Vereinigung, die sich gegen die katholische Kirche richtet oder Aktionen gegen die katholische Kirche plant, sich der Tatstrafe der Exkommunikation unterzieht. Das ist eindeutig klar. Und das gilt dann auch und noch mehr für einen Katholiken, der Freimaurer geworden ist in einer anti-kirchlichen Loge, die es leider ja auch gibt.“

„Also, ich glaube schon, dass die Stellungnahme des Glaubens-Dikasteriums ein Element ist, das man durchaus unter dem neu entdeckten Weg der Synodalität der Kirche erwähnen darf“

Doch das jüngste Schreiben des Dikasteriums für Glaubenslehre atme auch den Geist der Synodalität, so der Priester, der nicht verhehlt, dass er selbst ein großer Verfechter für diese Art von Kirchenverständnis ist: „Das müssen wir gar nicht neu erfinden. Wir müssen es vielleicht neu entdecken. Aber die Synodalität ist etwas Ur-Katholisches, und daher bin ich auch so froh darüber, wie nun im Oktober diese erste Sitzung der Weltbischofssynode abgelaufen ist mit dieser neuen Struktur: Jeder darf sich äußern und alle hören zunächst zu. Dann gibt es eine Pause, dann wird vielleicht gebetet. Dann wird evaluiert, und erst ganz zum Schluss gibt es dann Diskussionen. Diese Struktur, wie sie im vergangenen Oktober auch mit den runden Tischen gefunden wurde, ist großartig. Also, ich glaube schon, dass die Stellungnahme des Glaubens-Dikasteriums ein Element ist, das man durchaus unter dem neu entdeckten Weg der Synodalität der Kirche erwähnen darf.“

Zur Person

Der Priester Michael Weninger ist ein anerkannter Fachmann für das Freimaurertum in all seinen Facetten und steht seit vielen Jahren im Dialog mit Vertretern der Logen. Seine Dissertation „Weisheit.Stärke.Schönheit: Über Die Aussöhnung von Katholischer Kirche und Regulärer Freimaurerei“ wurde unter dem Titel „Loge und Altar: Über die Aussöhnung von katholischer Kirche und regulärer Freimaurerei“ im Jahr 2020 in einer verbesserten und erweiterten Version neu aufgelegt. Im kommenden Jahr soll ein neues Buch von ihm zum katholischen Dialog mit dem Freimaurertum erschienen. 

Vor seiner Pensionierung war Weninger im ehemaligen Rat für Interreligiösen Dialog im Vatikan für den Dialog mit dem Islam zuständig. Bevor er sich für das Priesteramt entschied, war er jahrelang als österreichischer Diplomat auf verschiedenen Posten tätig.

(vatican news)

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15. November 2023, 16:01