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Der Berichterstatter Jean-Claude Hollerich bei den Synodenarbeiten Der Berichterstatter Jean-Claude Hollerich bei den Synodenarbeiten 

Kardinal Hollerich: Klerikalismus macht „Mission... impossible“

Nach der Synode ist vor der Synode: Daran hat der Berichterstatter Kardinal Jean-Claude Hollerich bei der 12. Plenarsitzung der VXI. Generalversammlung der Bischofssynode an diesem Mittwoch erinnert. Es gehe um „heikle Fragen“, die die „Wachstumsdynamik der Tradition berühren: eine falsche Unterscheidung könnte sie abtrennen oder einfrieren“, betonte er. Die Arbeiten zum vierten Modul des Arbeitsdokumentes wurden öffentlich übertragen.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Die Teilnehmer seien nach der bereits geleisteten Arbeit der vergangenen Wochen und in Sichtweite des Abschlusses der aktuellen Arbeiten etwas müde, räumte der Luxemburger Kardinal bei der Vorstellung des neuen Moduls ein. Doch dies dürfe nicht dazu führen, im gemeinsamen Engagement nachzulassen, beginne doch direkt nach dem Abschluss der Versammlung die Phase des erneuten Austausches mit den Ortskirchen. Und es gelte, gut „vorbereitet“ in die zweite Tagung zu kommen, betonte Hollerich. Er sagte, dass man sich sehr wohl dessen bewusst sei, dass die Arbeiten danach bewertet würden, inwieweit sie zu sichtbaren Veränderungen führen werden. Zwar interessierten sich die großen, vor allem kirchenfernen Medien, vor allem für „mögliche Veränderungen bei einer sehr begrenzten Zahl von Themen“, doch auch die Menschen, „die uns am nächsten stehen“, also die Mitarbeiter und engagierten Laien, fragten sich, was sich für sie ändern werde, so der Generalberichterstatter.

„Mission Impossibile“

Die Beratungen fußen auf dem für die Synode erstellten Arbeitsdokument („Instrumentum laboris"). Aktuell geht es um Modul B3, konkret um den Abschnitt des Arbeitsdokumentes, der der Teilhabe gewidmet ist; die übergeordnete Frage, mit der sich die Synodalen zu beschäftigen haben, lautet: „Teilhabe, Verantwortung und Autorität. Welche Prozesse, Strukturen und Institutionen gibt es in einer auf die Sendung ausgerichteten synodalen Kirche?“ Auch in diesem Modul gibt es für die einzelnen Sprachgruppen fünf Arbeitsblätter zu bearbeiten. 

Im ersten geht es um die „Erneuerung des Dienstes der Autorität“: „Damit soll keineswegs die Autorität der geweihten Amtsträger und Hirten in Frage gestellt werden“, stellte Kardinal Hollerich mit Blick auf den „besonderen Auftrag“ in der Kirche, den die Hirten als „Nachfolger der Apostel“ haben, klar. Doch es gelte, dem Klerikalismus entgegenzuwirken, der Mission unmöglich macht und gleichermaßen von Priestern wie von Laien kommen kann: „Klerikalismus kann sich auf den Klerus und auch auf die Laien auswirken, wenn sie den Anspruch erheben, für immer das Sagen zu haben. Kleriker wollen nur den ,Status quo' erhalten, denn nur der ,Status quo' zementiert ihre Macht. Mission... impossible!“


Der „Praxis der Unterscheidung in der Gemeinschaft“ ist das zweite Arbeitsblatt gewidmet, während das dritte Arbeitsblatt zu einer Prüfung bereits bestehender Strukturen der Kirche daraufhin einlädt, inwieweit sie tatsächlich synodal sind. Das vierte Arbeitsblatt führe zu einer „besonderen Art von Strukturen“, erläuterte der Kardinal weiter. Dabei gehe es vor dem Hintergrund der Erfahrung der kontinentalen Versammlungen im Rahmen der Synodenvorbereitungen darum, zu erkennen, welche Rolle eine kontinentale Ebene in der Zukunft der Kirche spielen könne. Dies auch, „um die ,gesunde Dezentralisierung‘ zu verwirklichen“, für die der Papst werbe: „Und welches Potenzial hat ein Instrument wie die kirchlichen Versammlungen, bei denen nicht nur Bischöfe anwesend sind? Ich habe die Versammlung in Prag aus erster Hand erlebt: Ohne die Teilnahme von Priestern, Diakonen, geweihten Männern und Frauen und Laien wäre sie meiner Meinung nach viel konfrontativer verlaufen. Wie können wir Netzwerke zwischen den Ortskirchen aufbauen? Und wie gestaltet sich der Dienst des Bischofs von Rom an der Einheit in einer gesunden dezentralisierten Kirche?“, fragte Kardinal Hollerich die Versammelten.

„Heikle Fragen, die eine sorgfältige Abwägung erfordern“

„Wie kann die Synode als Institution gestärkt werden, damit sie Ausdruck bischöflicher Kollegialität in einer voll und ganz synodalen Kirche wird?” ist der Titel des fünften Arbeitsblattes. Dieser Punkt „berühre uns sehr“, fördere er doch das Nachdenken über das Potential der Synode selbst, die Prinzipien der Synodalität, der bischöflichen Kollegialität und des petrinischen Primats zusammenzuführen, so der Generalrelator. In diesem Zusammenhang gelte es auch, darüber nachzudenken, inwieweit die Ausweitung der Synode auf Nicht-Bischöfe dabei hilfreich sei.

„Es handelt sich um heikle Fragen, die eine sorgfältige Abwägung erfordern“, mahnte Hollerich: „In dieser Sitzung beginnen wir, uns ihnen zu nähern, dann haben wir ein Jahr Zeit, um sie im Hinblick auf die Arbeit der zweiten Sitzung weiter zu vertiefen. Sie sind heikel, weil sie das konkrete Leben der Kirche und auch die Wachstumsdynamik der Tradition berühren: Eine falsche Unterscheidung könnte sie abtrennen oder einfrieren. In beiden Fällen würde es sie töten.“

Zielgerichtet bleiben

Diese Fragen müssten mit „präzisen Formulierungen und Kategorien“ angegangen werden, so der Kardinal, der die Teilnehmenden nochmals ausdrücklich dazu einlud, sich bei Fragen an die anwesenden Experten zu wenden und in der Bearbeitung der Themen konkret und zielgerichtet zu bleiben: „Missionarische Nachfolge oder Mitverantwortung sind nicht nur Schlagworte, sondern ein Aufruf, den wir nur gemeinsam verwirklichen können, mit der Unterstützung konkreter Prozesse, Strukturen und Institutionen, die wirklich im Geist der Synodalität arbeiten“, so sein abschließender Appell.

Gebetsmoment für Migranten und Flüchtlinge - Live bei uns

Vor der Ansprache des Generalrelators erinnerte der Generalsekretär der Synode, Kardinal Mario Grech, an den vom Papst gewünschten Moment des Gebets zum Gedenken an die Migranten und Flüchtlinge an diesem Donnerstagabend. Die Synodenteilnehmer werden sich dazu um 19.15 Uhr rund um das Denkmal „Angels Unawares“ auf dem Petersplatz versammeln, Vatican News/Radio Vatikan wird live und mit deutschem Kommentar übertragen.

Zeugnisse von drei Kontinenten

Nach Kardinal Hollerichs Einführung stimmten wie bereits gewohnt zwei geistliche Impulse – gehalten von Timothy Radcliffe und dem Koordinator der geistlichen Begleiter, Dario Vitali, die Synodenteilnehmer auf die kommenden Arbeiten in den Kleingruppen ein, bevor drei Zeugnisse synodaler Erfahrungen von verschiedenen Kontinenten vorgetragen wurden.

Den Beginn machte der Bischof von Troyes in Frankreich, der von den handfesten finanziellen Problemen berichtete, die er zu seinem Amtsantritt in seiner Diözese vorgefunden hatte. Eine wichtige Entscheidung, bei der auch der Verkauf des historischen diözesanen Gebäudekomplexes im Raum stand, habe er trotz des Ratschlages, diesen alleine vorzunehmen und durchzufechten, gemeinsam mit einer Gruppe erarbeitet, die er unter die Leitung einer Frau gestellt hatte. Doch damit nicht genug, die erarbeiteten Ergebnisse habe er zu weiterer Unterscheidung in die einzelnen Pfarreien gegeben, um zu einem gemeinsamen und von allen getragenen Urteil zu kommen. Am Ende stand trotz anfänglicher großer Bedenken der Verkauf des Gebäudes, doch die bittere Pille wurde durch die gemeinschaftliche Erarbeitung der Erkenntnis gemildert, dass dies der notwendige und richtige Schritt sei, ließ der Bischof durchblicken. In seiner Diözese habe er darüber hinaus dem – notwendigerweise geweihten - Generalvikar auch eine Generaldelegierte an die Seite gestellt, berichtete er weiter. Diese Anwesenheit einer Frau in der Führungsebene bringe „einen sehr schönen Blick in die Führung der Diözese“, zeigte sich der Bischof erfreut über den „wertvollen Kreislauf“, der sich in der Führungsriege – und dies völlig kirchenrechtskonform - entwickelt habe.

Synodalität hilft bei wichtigen Entscheidungen

Anschließend berichtete der Bischof Sandhurst, Shane Mackinlay, vom fünften Plenarkonzil in Australien, das von 2018 bis 2022 über vier Jahre lief und die Beteiligung von 220.000 Menschen sah. In allen Phasen des Prozesses sei sichergestellt worden, dass „Entwurf, Diskussion und Entscheidung“ von „Unterscheidungsvermögen und Gesprächen“ im Geiste geleitet wurden. Es habe sich allerdings mehr um eine Synode als um ein Konzil gehandelt, so Mackinlay, der von einem besonders kritischen Moment der Beratungen berichtete, als das geplante Dekret über die gleiche Würde von Frauen und Männern bei den ersten Abstimmungen nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit unter den Bischöfen erreichte. Doch die Verzweiflung und Enttäuschung habe nicht zu einer Lähmung der Versammlung geführt, vielmehr sei man verstärkt aufeinander zugegangen und sei letztlich damit über den Austausch vorgefertigter Argumente hinweggekommen und habe „mit dem Herzen“ gesprochen, was auch auf der anderen Seite mit erneuertem Vertrauen und Verständnis belohnt worden sei. „Die Mitglieder zeigten Weitsicht, indem sie trotz der Enttäuschung und des Schmerzes, den viele nach der gescheiterten Abstimmung empfunden hatten, den Dialog fortsetzten“, so der Kardinal, der durch diese Entwicklung auch für die folgenden Beratungen einen positiven Schub ausmachte: „Dies mag auch einer der Gründe dafür sein, dass die Dekrete von den Menschen in der gesamten australischen Kirche im Großen und Ganzen positiv aufgenommen wurden, die sie als getreu dem langen Prozess der Konsultation, Vorbereitung und Unterscheidung anerkannt haben.“

Heiliger Geist in Asien?

Zu guter Letzt ergriff Estela Padilla das Wort; sie ist als Zeugin des Synodalen Prozesses in Asien entsandt, wirkt für die Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen FABC und war auch als Beobachterin im Deutschen Synodalen Weg präsent. Sie stellte den Synodenteilnehmern ihre Sicht auf die Kirche in Asien vor, die zunächst einmal von Respekt ausgeht. „Ziehe deine Schuhe aus – Die asiatische Reise in ein synodales Leadership“ war ihr Vortrag betitelt. Darin führte sie aus, dass „Autorität auf Respekt“ beruhe, Leitung bedeute, sich „vom Geist leiten zu lassen“ und dass „Beteiligung“ als „prophetische Aufgabe“ anzusehen sei.

Zuhören bedeute nicht nur den Respekt vor dem anderen, sondern auch, sich selbst bekehren zu lassen, unterstrich die Philippinerin. Diesen Respekt habe sie auch in den Teams erlebt, in denen sie – „als Minderheit, als einsame Laienfrau“ - für die Synodenvorbereitungen eingebunden gewesen sei.

Wichtige Ruhephasen, um auf den Geist zu hören

Regieren bedeute, sich „vom Geist leiten zu lassen“, führte Pabilla weiter aus. Zwar könnten angesichts der Vielfalt des asiatischen Kontinentes Zweifel daran aufkommen, ob der Heilige Geist wirklich in der Lage sei, diesen zu leiten. Doch die Ruhephasen, die auch während ihrer Versammlungen immer wieder eingehalten und eingeübt wurden, um auf das zu hören, was der Geist zu sagen habe, seien zentral geworden für den gemeinsamen Findungsprozess: „Mir wurde klar, dass die Entscheidungsfindung, eine wichtige Leitungsfunktion, Gott nur dann die Ehre geben kann, wenn wir einen gemeinschaftlichen geistlichen Unterscheidungsprozess durchlaufen und in ihn hineinwachsen. Barfuß vor dem Geist zu gehen, bedeutet, radikal offen zu sein, um den Willen Gottes für unsere Zeit zu erkennen.”

Teilhabe ist prophetische Aufgabe

Im Asiatischen Synodenbericht sei deutlich geworden, dass Teilhabe als prophetische Aufgabe anzusehen sei, so Padilla weiter: „Was bedeutet, als Prophet barfuß zu gehen? Es bedeutet, in den Realitäten unserer Situation in Asien verankert zu sein. Barfuß zu gehen bedeutet, eins zu sein mit den Ärmsten und mit der Erde.” Der Bericht sei zwar letztlich voller negativer Bestandsaufnahmen gewesen, doch positiv daran sei die „Ehrlichkeit“, mit der sich die Kirche ihren Wunden stelle, zeigte sie sich überzeugt. Die asiatische Wesensart der Harmoniefindung habe jedoch dabei geholfen, Spannungen „ohne Spannung“ anzusprechen. Im gemeinsam erarbeiteten Schlussbericht sei dann deutlich geworden, worum es der Kirche in Asien gehe: Frieden, den Dialog mit den Armen, den Religionen und den Kulturen, eine stärkere Einbeziehung der Jugend und der Frauen in wichtigen Führungsrollen, ein besonderes Augenmerk auf Flüchtlinge und Migranten und vieles mehr…

Die FABC stelle in dieser Hinsicht ein wichtiges länderübergreifendes Gremium dar, so Pabilla.

(vatican news)

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18. Oktober 2023, 12:37