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Rom: Die älteste Pfarrei der Welt

Unter dem römischen Straßenpflaster, ganz nah an der zentralen Piazza Venezia, liegen die Reste der „ersten Pfarrei der Geschichte“. In den nächsten Wochen wird der Ort für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

In unmittelbarer Nähe des Kapitolshügels, und in den Renaissance-Palazzo Venezia eingebaut, liegt im römischen Zentrum die Basilika San Marco – im wesentlichen ein Bau aus dem 9. Jahrhundert, mit vielen späteren Überbauungen. Für Rom-Kenner: Die Buslinie 46 fährt hier in der Nähe los, Richtung Vatikan. Ihr hohes Alter sieht man der Kirche eigentlich nicht an; immerhin, die Mosaiken sind aus dem 15. Jahrhundert.

Wo Petrus predigte und Markus schrieb...

Aber Renzo Giuliano, der Pfarrer der Kirche, ist ein Experte für antike Kunst – und weiß, dass er hier ein frühchristliches Juwel verwaltet. In diesem Viertel predigten, so will es die Tradition, Petrus und sein Schüler Markus; hier soll Markus mit seinem Evangelium begonnen haben. Im Jahr 68 soll Markus in Alexandria den Märtyrertod erlitten haben, seiner Gebeine rühmt sich heute der Markusdom in Venedig. In Rom aber ließ ein Papst namens Markus hier eine Basilika errichten, sobald das unter Kaiser Konstantin möglich war: die erste Kirche, die als Pfarrkirche konzipiert worden sei, so Giuliano.

In den Ausgrabungen
In den Ausgrabungen

„Wir haben (unter der heutigen Kirche) seit ersten Stichgrabungen in den fünfziger Jahren und dann vor allem in den neunziger Jahren ein frühchristliches Erbe entdeckt, darunter vor allem die antike Struktur der Kirche, die 336 von Papst Markus errichtet wurde… Sie war nicht nur die wohl erste Pfarrkirche, die unter Konstantin errichtet wurde, sondern sie verfügt vor allem über ein Taufbecken. Der Papst dachte damals also wirklich an die Evangelisierung dieser Zone im römischen Zentrum, in dem einerseits vor allem Heiden lebten und andererseits die jüdischen Brüder, deren Zahl man auf 45.000 schätzt.“

Die älteste Pfarrei der Welt liegt unter dem römischen Straßenpflaster - ein Bericht von Radio Vatikan

Taufte schon Markus hier, mitten im Zentrum?

Das Taufbecken, zumindest sein Grundriss, lässt sich jetzt bald besichtigen: Es hat eine ungewöhnliche Kreuzform, man sieht auch die Abflussrinnen. Mit einem Taufbecken so nah am Kapitolshügel hatten die Ausgräber nicht gerechnet, schließlich lebten die Christen damals eher am Stadtrand als im Zentrum. Don Giuliano ist davon überzeugt, dass diese antike Taufpraxis womöglich sogar auf den Evangelisten Markus selbst zurückgeht.

In den Ausgrabungen
In den Ausgrabungen

„Der hl. Markus wird so zum Apostel der Evangelisierung, ganz auf der Linie seines Lehrers Petrus! Den Erbauern der Kirche war offenbar daran gelegen, hier einen authentischen Ort des Erinnerns an Markus zu bewahren, sonst hätte man die Apsis kaum so gebaut, dass sie eine wichtige Straße des Stadtteils zerschneidet. Man hätte ja auch ein bisschen weiter rechts oder links bauen können, aber nein – man wollte die Kirche genau da errichten, wo man sich an Markus erinnerte. Tatsächlich haben wir hinter einer Mauer hier das Mosaik einer römischen Domus – offenbar trafen sich hier die Christen, um die Predigten des Petrus zu hören, und Markus hat hier begonnen, zu schreiben. Schon die Kirchenväter bezeugen, dass Markus hier in Rom geschrieben hat.“

In den Ausgrabungen
In den Ausgrabungen

Was Rom mit Venedig verbindet

Außer den Resten der antiken Kirche ist unter San Marco und dem Palazzo Venezia auch ein Teil des damaligen Straßensystems zu sehen: Das Marmorpflaster erstreckt sich über eine beträchtliche Länge, ein Zeichen von Prestige. Allerdings – angesichts der antiken Schätze, die Rom bereithält, wirken diese Ausgrabungen recht unspektakulär. Man muss schon wissen, dass man hier an einem der Schlüsselorte des frühen Christentums steht, sonst sähe man nur ein paar Steine und Trümmer.

In den Ausgrabungen
In den Ausgrabungen

„In Venedig werden die sterblichen Überreste des hl. Markus aufbewahrt – aber hier stehen wir am authentischen Ort seines Evangelienberichts! Diese Verbindung zwischen Rom und Venedig war dann übrigens wichtig, als der venezianische Kardinal Pietro Barbo San Marco 1455 als Titelkirche übernahm. Er begann mit dem Bau des Palazzo Venezia und integrierte die Kirche in diesen Palazzo, und als er 1461 unter dem Namen Paul II. Papst wurde, fühlte er sich weiter speziell für diese Kirche verantwortlich, verschönerte sie, residierte sogar hier. Etwa hundert Jahre lang war der Palazzo Venezia (den man damals noch Palazzo San Marco nannte) mit der darin integrierten Kirche Papstresidenz, dann zog Pius IV. 1591 in den Quirinalspalast – und schenkte den Palazzo Venezia den Venezianern.“

Damals Luther, heute Studierende der Gregoriana

Der Augustinermönch Martin Luther war im Jahr 1510 oder 1511 in Rom, einige Jahre vor dem Beginn der Reformation. Hat er vielleicht auch einmal hier gestanden? Hatte er San Marco vor Augen, als er später auf der Wartburg das Markusevangelium ins Deutsche übersetzte? San Marco ist jedenfalls für Christen ein spannender Ort.

In den Ausgrabungen
In den Ausgrabungen

Heute ist die älteste Pfarrei der Welt auch die heimliche Pfarrei der nahegelegenen Päpstlichen Universität Gregoriana: Der Jesuit Gaetano Piccolo von der Philosophischen Fakultät der „Greg“ zelebriert hier jeden Sonntagmittag für die Studierenden, die aus verschiedenen Gründen nicht in ihre eigentliche Pfarrei gehen können. „Dahinter stand die Idee, dass San Marco nicht nur eine Touristenattraktion sein soll. Nach der Feier sind übrigens alle in der Sakristei willkommen, zu einem Aperitif.“ Das hätte Petrus und seinem Sekretär Markus bestimmt gefallen.

(vatican news)

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17. November 2022, 13:50