Suche

Polizisten stehen neben einem Spielplatz in Kiew, an dem eine russische Rakete eingeschlagen ist Polizisten stehen neben einem Spielplatz in Kiew, an dem eine russische Rakete eingeschlagen ist 

Nuntius in der Ukraine: „An den Krieg gewöhnt, Umkehr der Herzen nötig“

Der Krieg in der Ukraine ist noch lange nicht vorbei, und die eklatanten Angriffe auf bewohnte Zentren am Montag haben dies wieder eindrücklich deutlich gemacht. In zahlreichen Städten, darunter auch der Hauptstadt Kiew, sind Tote und Verletzte zu beklagen, Telefonverbindungen wurden unterbrochen und der Strom fiel aus. Der Nuntius in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, weist darauf hin, dass die Kirchen in diesen Notsituationen konkrete Zentren für den Bevölkerungsschutz werden.

„Nach siebeneinhalb Monaten intensiven Krieges sind wir in gewisser Weise psychologisch gewappnet, also beeindrucken uns die Angriffe etwas weniger; aber es schmerzt, denn mit jeder Rakete und mit jeder Bombe sterben Menschen, neben den anderen Schäden (die diese hinterlassen, Anm. d. Red.)“, berichtet der Nuntius in der Ukraine, Visvaldas Kulbokas, im Gespräch mit Radio Vatikan.

Nach den langen Monaten im Krieg sei den Menschen bewusst, dass es „jeden Moment, jeden Tag“, zu neuen Attacken kommen könne, wie sie an diesem Montag nicht nur Kiew, sondern mehr als ein Dutzend andere Orte getroffen haben. Telefonverbindungen waren zusammengebrochen, viele Menschen waren ohne Strom und Wasser, wichtige Infrastukturen wurden getroffen. „In Kiew konnten einige Mitarbeiter der Nuntiatur nicht zur Arbeit kommen, und auch die gesamte Stadt ist zu großen Teilen gelähmt worden, denn während des Alarmzustands ist es per Gesetz verboten, Gruppen zu bilden, einkaufen zu gehen oder technische Dienstleistungen zu erbringen. Und so ist die Stadt buchstäblich zu großen Teilen gelähmt.“

Menschen begutachten in der Kiewer Innenstadt die Schäden, die der Angriff hinterlassen hat.
Menschen begutachten in der Kiewer Innenstadt die Schäden, die der Angriff hinterlassen hat.

Die Schäden, die die russische Vergeltung für einen vorgeblichen ukrainischen Anschlag auf der Krim-Insel angerichtet hat, werden erst nach und nach sichtbar, einige angegriffene Regionen waren nach den Einschlägen telefonisch nicht erreichbar, während die Sorgen der Angehörigen ins Unermessliche stiegen. All dies, so Erzbischof Kulbokas, stelle in gewisser Weise auch eine spirituelle Erfahrung dar: „Im Monat Oktober vertrauen wir uns der Jungfrau Maria an, auf dass sie Fürsprache für uns halte, damit sie Frieden für uns und für die ganze Welt erbitte. Aber hier in der Ukraine ist es ein ständiger Monat Oktober, es ist eine spirituelle Erfahrung, die uns umkehren lässt, die uns immer mehr mit Gott vereint sein lässt.“

Dies gelte sicherlich nicht für alle Menschen im Land, doch er habe viele Zeugnisse von verzweifelten und hoffnungsvollen Gebeten für die Toten und Verschleppten erhalten, für den Trost, den das Vertrauen auf Gott den Menschen bringe, so der Nuntius. „Und dann, während ich gerade spreche, ist meine Hoffnung, dass auch viele Gläubige und Nichtgläubige auf der ganzen Welt vereint sind, um Gott um Frieden zu bitten.“

Die Vereinten Nationen sind am Montag zu einer Dringlichkeitssitzung über den Ukraine-Krieg zusammengekommen
Die Vereinten Nationen sind am Montag zu einer Dringlichkeitssitzung über den Ukraine-Krieg zusammengekommen

In diesen Stunden sind die Vereinten Nationen in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Krieg in der Ukraine befasst; erwartet wird eine Resolution, mit der die jüngste Annexion der durch Russland besetzten Gebiete verurteilt werden soll. Doch während die Weltgemeinschaft auf Frieden hofft, muss in der Ukraine konkret für die Sicherheit der Menschen gearbeitet werden. So habe beispielsweise eine Mitarbeiterin der Nuntiatur die Messe in der griechisch-katholischen Kathedrale besucht; nach der Messe hätten die Priester die Menschen darum gebeten, in der Kirche zu bleiben und sich im Untergeschoss in Sicherheit zu bringen. Dort seien sie während der fünf Stunden, in denen der Alarmzustand herrschte, geblieben.

„In diesem Fall werden auch die Kirchen mit ihrem Untergeschoss Teil des Systems für den Zivilschutz, wie im Fall der römisch-katholischen Kirche St. Nikolaus im Zentrum von Kiew, oder der griechisch-katholischen Kathedrale, die über ein gutes Untergeschoss verfügt, in dem Sinn, dass viele Menschen dort Schutz finden können. Die Hilfe gilt nicht nur den Menschen, die in die Messe kommen, sondern auch denen, die in der Umgebung leben.“

Lange Schlangen an der Essens-Ausgabe der Caritas in Charkiv
Lange Schlangen an der Essens-Ausgabe der Caritas in Charkiv

Auch die Caritas sei sehr aktiv in der Nothilfe, nicht nur dort, wo es zu akuten Angriffen kam, sondern vor allem in den Gebieten, die lange besetzt waren und in denen konstante Unterstützung nötig ist, berichtet der Vatikandiplomat. „Ich weiß, dass auch aus Kiew Konvois kommen, die manchmal hunderte von Kilometern zurücklegen, um den Regionen zu helfen, in denen es nichts gibt, in denen keine Produktion möglich ist, keine Arbeit… Manchmal sind die Menschen, die dort geblieben sind, auf die Hilfen angewiesen, die aus anderen Regionen kommen.“

Großes Vertrauen setzten die Mütter und Ehefrauen der Verschleppten auf Papst Franziskus, betont der Nuntius. Wie er selbst jüngst bei einem Gespräch mit Jesuiten in Kasachstan erklärt hatte, hat er sich bereits für die Vermittlung im Gefangenaustausch eingesetzt.

„Aber was hat Papst Franziskus beim Angelusgebet letzten Sonntag gesagt? Er hat in einem sehr bedeutsamen Absatz den ,gerechten Frieden‘ hervorgehoben. Der Papst, wenn er von Frieden spricht, spricht immer von diesem Frieden, der nicht nur Fassade ist, sondern ein wirklicher Frieden. Wir wollen nicht nur den Anschein von Frieden, wir wollen einen wirklichen Frieden, eine wahre Umkehr der Herzen, vor allem derjenigen, die den Krieg begonnen haben.“ Und genau hieraus speise sich seine Überzeugung, dass die „größte Waffen eben das Gebet sei“, unterstreicht Nuntius Kulbokas: „Meiner Meinung nach gibt es keinen anderen Ausweg als das Gebet und die Umkehr derjenigen, die verantwortlich für diesen Krieg sind.“

(vatican news - cs)

 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

11. Oktober 2022, 10:03