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Kardinal Giuseppe Versaldi Kardinal Giuseppe Versaldi 

Kardinal Versaldi: „Identität nicht defensiv, sondern proaktiv"

Der Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen kommentiert die an diesem Dienstag veröffentlichte Instruktion über die „Identität“ der katholischen Schulen. Es gehe dabei um ganzheitliche Bildung, Solidarität und Dialog.

Salvatore Cernuzio - Vatikanstadt

Kardinal Giuseppe Versaldi, Präfekt der Kongregation für das katholische Bildungswesen, stellt im Interview mit Radio Vatikan direkt klar, dass katholische Schulen ein Angebot machen und nichts aufzwingen wollen. Dies werde auch in der neuen Handreichung zum katholischen Bildungswesen deutlich:

„Identität ist kein defensiver Begriff, sondern ein proaktiver Begriff. In dem Sinn, dass wir bestimmte Werte haben, die wir vorschlagen und niemandem aufzwingen, auch weil nicht wir die Schüler und Schülerinnen in unseren Instituten auswählen, sondern es sind umgekehrt sie und ihre Familien, die unsere Schulen auswählen.“

Dialog gehört zur katholischen DNA

Dialog sei ein „grundlegender Teil der katholischen Identität“, so der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation.

„Denn wir schauen auf den Lehrer, Christus, der 'Schule machte', indem er auf die Straße ging, Menschen traf und alle zusammenbrachte, auch diejenigen, die anders dachten. Ich zitiere einen großen Heiligen der Pädagogik, den heiligen Johannes Bosco: ,Erziehung ist eine Sache des Herzens‘. Mit diesem Dokument wollen wir Gemeinschaften bilden, in denen man sich stets um die Menschen kümmert, vor allem um die Schwächsten, und in denen das Zeugnis der Liebe zirkuliert, das das Hauptmerkmal der katholischen Kirche ist.“

Zu den Werte einer katholischen Schule zählten darüber hinaus „Ernsthaftigkeit, Disziplin, Forschung, Professionalität, aber vor allem dieses Klima der Nächstenliebe und des Respekts, das mit anderen erzieherischen Kräften verbunden sein muss“, so Kardinal Versaldi:

„Junge Menschen müssen sich begleitet fühlen, nicht in einem Klima der Strenge oder der Wissenschaftlichkeit, sondern von Menschen, die sie respektieren, ihnen Vorschläge machen, sie korrigieren und ihnen erlauben, sich als Bürger und als Christinnen frei und ganz zu entfalten.“

Begleiten und vernetzen

In den vergangenen zwei Jahren hat die Corona-Pandemie auch das Schulwesen verändert, weil die sozialen Beziehungen weniger wurden und alle auf sich selbst zurückgeworfen waren. Zum Nachteil junger Menschen, vermerkt Kardinal Versaldi: 

„Die Corona-Erfahrung hat die soziale Kommunikation verlangsamt, aber sie hat noch deutlicher gemacht, wie wichtig es ist, sozial zu sein: gemeinsam zu lernen, zu diskutieren, zu spielen, um eine soziale Idee zu verwirklichen, in der jeder seinen Beitrag leistet und den der anderen respektiert. Unsere katholischen Schulen sollten ein Beispiel dafür sein und auch ein Vehikel für Modelle des Dialogs, der Geschwisterlichkeit und der Demokratie, die in der Gesellschaft heranreifen. Wenn das nicht in der Schule gelernt wird, ist es auch in der Gesellschaft schwer umzusetzen.“

Sexualkunde an katholischen Schulen

Welchen Ansatz sollten katholische Schulen hinsichtlich der Sexualerziehung verfolgen? – wollte Radio Vatikan von dem Bildungspräfekten weiter wissen.

„Wir ziehen es vor, von einer affektiven Reifung zu sprechen, die natürlich auch die sexuelle Reifung einschließt, wobei die Sexualität in ihrem umfassenden Sinn verstanden wird, so wie Gott sie vorgesehen hat. Liebevolle Beziehungen müssen ein akzeptiertes Thema in unseren Schulen sein und dürfen nicht zensiert werden. Man sollte sie auch nicht dem weltlichen Trend überlassen, der wenig glaubwürdige Modelle präsentiert. Neben der Erziehung bedarf es daher einer Ausbildung, die den Respekt vor der Person und das wahre Konzept der Liebe vermittelt, bei dem es nicht um Nehmen und Besitzen geht, sondern um gegenseitiges Geben.“

Kooperation zwischen Schule und Familie

Affektive/sexuelle Erziehung hat also einen Platz an der Schule, kann aber nicht einfach an die Schule „delegiert“ werden. Es erfordert mehr Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrkräften, wie die neue Vatikaninstruktion bekräftigt. 

„Dies ist einer der wichtigsten Punkte. Nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Familie und Schule, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Verbänden und staatlichen Einrichtungen. Es ist dieser globale Bildungspakt, zu dem uns Papst Franziskus einlädt. Nur wenn es einen Dialog und ein ehrliches Einvernehmen über die grundlegenden Punkte der christlichen Anthropologie - die eine Anthropologie des Menschen ist - gibt, können wir uns selbst helfen zu wachsen. Es besteht also die Hoffnung, dass eine ganze Erziehungsgemeinschaft entstehen kann, die die Schule und die Familie einschließt. Vor allem die Familie, die die erzieherische Auswahl der Werte, die sie ihren Kindern vermitteln soll, verwaltet. Im Lauf der Zeit wurde diese Aufgabe jedoch, wie wir bereits sagten, häufig delegiert, was negative Folgen hatte.“

Schulung und Weiterbildung der Ausbilder

Konkret erreicht werden könne dies durch „Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Lehrenden“, so der Kardinal: „Unsere Lehrkräfte müssen ausgebildet werden, um Ideen zu vermitteln, aber auch, um Gemeinschaft zu schaffen, und daher auf den Dialog mit der Familie, der örtlichen Kirche und anderen Bildungseinrichtungen in der Umgebung vorbereitet sein. Unsere Lehrkräfte können also nicht einfach nur Beamte sein.“

Und wie passt die Bildung in den vom Papst gewünschten synodalen Weg?

„Sie liegt genau auf derselben Linie. Als Dikasterium wollen wir einen Beitrag leisten, der nicht autoritär ist, sondern auf Diskussion und Reflexion in freiem Geist abzielt, ohne Verschlüsse, mit dem Beitrag der römischen Kurie und der Ortskirchen. Mit diesem Beitrag reagieren wir auf die Bitte zahlreicher Bischöfe, die sich auf Ad-limina-Besuchen befanden und uns um Klärung und Aktualisierung der Beziehungen zwischen den Bischöfen und den katholischen Schulen baten, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Identität, aber auch im Hinblick auf die verschiedenen Disziplinarfragen, wenn Skandale oder Widersprüche auftreten.“

Gradualität bei Verstößen

Zu diesem letzten Punkt heißt es in dem Dokument, dass eine angestellte Person auch entlassen werden kann, wenn sie sich nicht an die Bedingungen der katholischen Schule und die Mitgliedschaft in der kirchlichen Gemeinschaft hält. Kardinal Versaldi erklärt: „Es ist das Gegenteil von dem, was es zu sein scheint. Gerade im Hinblick auf bestimmte Missverständnisse, die in den vergangenen Jahren aufgetreten sind, wollen wir im Bereich der Bildung den Grundsatz der Gradualität und der Verhältnismäßigkeit bekräftigen, um sicherzustellen, dass es nie zu einem Zusammenstoß, sondern immer zu einem Dialog kommt.“

(vatican news – pr)
 

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29. März 2022, 15:26