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Landwirtschaftliche Verluste und Lebensmittelverschwendung stoppen Landwirtschaftliche Verluste und Lebensmittelverschwendung stoppen 

UNO: Vatikan-Delegation ruft zu Nahrung für alle auf

Eine dreitägige Veranstaltung der Vereinten Nationen in Rom bringt Landwirte, Unternehmen, indigene Völker, die Zivilgesellschaft und Minister zusammen. Ordensschwester Alessandra Smerilli leitet die Delegation des Heiligen Stuhls. Im Interview mit Radio Vatikan prangert sie an, dass 70 Prozent der Gewinne aus dem weltweiten Handel mit Agrarprodukten in den Händen einiger weniger Unternehmen konzentriert seien.

Mario Galgano und Fabio Colagrande - Vatikanstadt

Diese Ungleichgewichte verhinderten einen echten Übergang zu Agrarökologie und nachhaltigen Lebensmittelsystemen, so Schwester Semerilli. Der von der italienischen Regierung ausgerichtete Vorgipfel der Vereinten Nationen zum Thema Lebensmittelsysteme hat am Montag in Rom im Vorfeld des letzten globalen Gipfels begonnen, der im September 2021 in New York stattfinden wird. Unter der Leitung von UN-Generalsekretär António Guterres will die dreitägige Veranstaltung ein „Volksgipfel“ sein, an dem Jugendliche, Landwirte, indigene Völker, die Zivilgesellschaft, Forscher, der Privatsektor, führende Politiker und Minister für Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit, Ernährung und Finanzen teilnehmen sollen. Ziel der Veranstaltung sei es, die neuesten wissenschaftlichen Ansätze zur Umgestaltung von Lebensmittelsystemen zu präsentieren, eine Reihe neuer Verpflichtungen durch gemeinsame Aktionen zu starten und neue Finanzmittel und Partnerschaften zu mobilisieren.

Zum Nachhören - was Sr. Smerilli über die UN-Konferenz sagt

Schnell und effektiv handeln

Zu den vorrangigen Anliegen des Vatikans in Bezug auf die Themen, die angesprochen würden, gehörten die Forderungen, auf globaler Ebene schnell und effektiv zu handeln. Das erläutert uns Schwester Alessandra Smerilli. Sie ist Untersekretärin des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen. Auch ist sie Koordinatorin der Arbeitsgruppe Wirtschaft der vatikanischen Kommission COVID-19 und deshalb Leiterin der Delegation des Heiligen Stuhls zu der dreitägigen UN-Veranstaltung. Im Gespräch mit uns sagt sie:

„Wir als Vertreter des Heiligen Stuhls haben einige wichtige Botschaften für die Diskussion anzubieten. Zunächst einmal ist das Recht auf Nahrung grundlegend für die Menschenwürde. Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Leben und ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Wenn wir uns versammeln, um die Eucharistie zu feiern, sollten wir uns daran erinnern, dass Brot und Wein, wie dies im Übrigen auch für alle anderen Lebensmittel gilt, zunächst die Frucht der Erde und das Werk von Menschenhand sind. Wenn wir als Familie gemeinsam essen, teilen wir das Leben, das Leben in einer seiner schönsten Formen der Fürsorge, der Ernährung. Wir können nicht zulassen, dass so viele unserer Brüder und Schwestern, Mitglieder unserer gemeinsamen Familie, hungrig zu Bett gehen müssen.“

Sr. Alessandra Smerilli
Sr. Alessandra Smerilli

„Darüber hinaus müssen widerstandsfähige und nachhaltige Lebensmittelversorgungs- und -vertriebsketten aufgebaut werden.“

Heute hätten wir die Möglichkeit, die Covid-19-Krise besser als zuvor zu überwinden, indem wir unser derzeitiges Lebensmittelsystem radikal umgestalten könnten, fügt die Ordensfrau an.

„Damit kann dies alles ökologisch nachhaltig werden und gleichzeitig den Bedarf der Weltbevölkerung auf faire und gerechte Weise decken. Unserer Ansicht nach sollte ein Lebensmittelsystem in der Welt nach der Pandemie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der die wirtschaftliche, ökologische, soziale, kulturelle und gesundheitliche Dimension von Lebensmitteln berücksichtigt. Dazu gehört auch ein starkes Engagement für die Lebensmittelerziehung. Sie sollte aber auch die Eigentumsrechte armer und indigener Gemeinschaften schützen und die Gemeinschaftsräume wie die Wälder und Ländereien, die traditionell von einer ganzen Gemeinschaft gemeinsam bewirtschaftet werden, bewahren. Darüber hinaus müssen widerstandsfähige und nachhaltige Lebensmittelversorgungs- und -vertriebsketten aufgebaut werden.“

Kleinbauern mit lokalen und nationalen Märkten verbinden

Und dazu gehöre konkret der Aufbau einer Infrastruktur, die Kleinbauern mit lokalen und nationalen Märkten verbinde, erläutert die italienische Ordensfrau. Gesunde und zugängliche Ernährung müsse ebenfalls gefördert werden. Zugängliche und nahrhafte Lebensmittel müssten für alle verfügbar sein, bekräftigt sie im Interview mit Radio Vatikan.

„Es ist auch wichtig, die Ressourcen für heutige und künftige Generationen zu erhalten. Der Übergang zu einem Kreislaufmodell der Lebensmittelproduktion, das natürliche Systeme regeneriert, fördert die Gesundheit, verbessert die natürlichen Ökosysteme und schützt natürliche Lebensräume, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Aber ein Lebensmittelsystem muss auch integrativ sein. Frauen, junge Menschen, Kleinerzeuger und andere, die heute ausgegrenzt und zurückgelassen werden, müssen einen Platz am Tisch haben, wenn politische Maßnahmen und Entscheidungen getroffen werden, die sie betreffen. Wir glauben auch, dass die wichtige Rolle der Familie anerkannt werden muss. In der Familie lernen wir, die Früchte der Erde zu genießen, ohne sie zu missbrauchen, und wir entdecken die besten Mittel, um einen Lebensstil zu fördern, der das persönliche und kollektive Wohl respektiert.“

Und noch einen Punkt nennt die Vatikan-Vertreterin bei der Konferenz: das Wissen der Vorfahren zu achten. Das sei bei bei indigenen Stämmen wichtig, die ihre Nahrung in den Wäldern sammeln, oder bei den nomadischen Hirten. Ihr Wissen müsse „geschätzt und respektiert werden“:

„Wir brauchen eine starke und respektvolle Interaktion zwischen Wissenschaft und traditionellem Wissen, die beide grundlegende Säulen der Lebensmittelsysteme sind. Das traditionelle Wissen von Kleinbauern und indigenen Völkern darf nicht vernachlässigt oder ignoriert werden, und ihre direkte Beteiligung ermöglicht es allen, ihre tatsächlichen Prioritäten und Bedürfnisse besser zu verstehen.“

Die drei "C"s: Conflict - Covid - Climate Change

Die Ernährungssicherheit sei eng mit der Frage des Klimawandels und damit mit den in der Papst-Enzyklika Laudato si' geäußerten Anliegen verbunden. So ließen sich in der heutigen Welt die drei Hauptursachen für den Hunger in drei 3 englische „C“s zusammenfassen: Conflict (Konflikt), Covid-19 und Climate Change (Klimawandel).

„Ihre kombinierten verheerenden Auswirkungen auf alle Stufen der Lebensmittelversorgungskette sind alarmierend. Schätzungen zufolge wird die Pandemie allein durch ihre Auswirkungen auf die Kaufkraft der Verbraucher, die eingeschränkten Möglichkeiten der Kleinbauern, Lebensmittel zu produzieren und Zugang zu den Märkten zu erhalten, und die zunehmende Lebensmittelverschwendung 132 Millionen Menschen in die Unterernährung stürzen. Am härtesten trifft die Hungersnot natürlich die Menschen, die durch Krieg, Konflikte, soziale Unruhen und Arbeitslosigkeit bereits gefährdet oder vertrieben sind. Diese Zahlen offenbaren ein System, das nicht funktioniert. Wie können wir weiterhin die Augen vor dieser Ungerechtigkeit verschließen? Wie Papst Franziskus am Welternährungstag im Oktober 2020 feststellte, ist der Hunger für die Menschheit nicht nur eine Tragödie, sondern auch eine Schande. In der Tat, wie er in Fratelli tutti schreibt, ist Hunger ein Verbrechen, da Nahrung ein unveräußerliches Recht ist.“

Auch aus diesem Grund habe das vatikanische Dikasterium für integrale menschliche Entwicklung und die vatikanische Covid-Kommission eine Veranstaltung im Vorfeld des Gipfels gefördert, in Zusammenarbeit mit der Jugend von „Economy of Francesco“. „Wir wollen, dass die Stimme, die Erfahrung und die Vorschläge der jungen Menschen gehört werden“, so Smerilli. Die Veranstaltung mit dem Titel „People and planet: Youth bringing meaning and action to food justice“ findet an diesem Dienstag, 27. Juli, um 19.30 Uhr statt.

(vatican news)

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27. Juli 2021, 12:29