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Verhandlung im Zusammenhang mit den Finanzanlagen des vatikanischen Staatssekretariats in London Verhandlung im Zusammenhang mit den Finanzanlagen des vatikanischen Staatssekretariats in London 

Vatikan: Finanz-Prozess wird am 5. Oktober fortgesetzt

Der Prozess wegen der mutmaßlichen illegalen Verwendung von Geldern des vatikanischen Staatssekretariats hat im Gerichtssaal der Vatikanischen Museen begonnen. Nach sieben Stunden Debatten vor dem Richter wurde beschlossen, den Prozess am kommenden 5. Oktober fortzuführen. Die Verteidiger der zehn Angeklagten haben ihre vorläufigen Anträge gestellt.

Mario Galgano und Salvatore Cernuzio - Vatikanstadt

Im großen Gerichtssaal der Vatikanischen Museen fand am Dienstag die erste Anhörung des Prozesses im Vatikan wegen illegaler Geschäfte mit Geldern des Staatssekretariats statt. Konkret geht es um den Verkauf eines Gebäudes in der Sloane Avenue in London. Ausgehend von diesem misslungenen Geschäft untersuchte die vatikanische Justiz, ob bei der Verwendung der Gelder unrechtmäßig gehandelt wurde.

Zum Nachhören - um was geht es im Prozess?

Die Anhörung unter dem Vorsitz von Richter Giuseppe Pignatone dauerte sieben Stunden, und zwar von 9.41 Uhr bis 16.45 Uhr. Anwesend waren etwa dreißig Anwälten, Journalisten, Gendarmen und nur zwei der zehn Angeklagten: Monsignore Mauro Carlino, der aber nur am Vormittag im Gerichtssaal anwesend war, und Kardinal Giovanni Angelo Becciu, der ehemalige stellvertretende Staatssekretär, der der Veruntreuung, des Amtsmissbrauchs, der Mittäterschaft und der Anstiftung angeklagt ist. Der Kardinal, dem der Papst im September 2020 die Rechtsansprüche des Kardinalats entzogen hatte, nahm an der gesamten Anhörung teil. Am Ende der Anhörung erinnerte er daran, dass er „dem Papst, der mich vor Gericht gestellt hat“, immer gehorsam gewesen sei, und fügte an, er sei „gelassen“: „Ich bin zuversichtlich, dass die Richter die Tatsachen erkennen werden, und meine große Hoffnung ist, dass sie meine Unschuld anerkennen werden.“ Er gab außerdem bekannt, dass er seine Anwälte beauftragt hat, Monsignore Alberto Perlasca und Francesca Immacolata Chaouqui wegen Verleumdung zu verklagen.

Die Anwesenden im Gerichtssaal
Die Anwesenden im Gerichtssaal

Zu Beginn der Verhandlung kündigte Richter Pignatone die Verlängerung der Fristen für die Vorlage von Beweisen und Anträgen für die jeweiligen Verteidigungen an. Auch teilte der Anwalt des Angeklagten und ehemaligen Präsidenten der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde Aif (heute Asif), René Brülhart, mit, dass er verhindert sei, aus Zürich nach Rom zu kommen, sich aber bereit erklärte, am Verfahren weiter teilnehmen zu wollen. Anschließend erteilte Pignatone den Anwälten das Wort. Der erste war Fiorino Ruggio, der Cecilia Marogna, die Managerin aus Cagliari, die nicht anwesend war, verteidigte. Der Antwalt beantragte eine Vertagung und einen Ausschluss der Presse und Öffentlichkeit mit der Begründung, dass der italienische Nachrichtendienst DIS eine Untersuchung und damit die Anhörung von Marogna auf der Grundlage einer von ihr eingereichten Beschwerde angeordnet habe. Sie habe dies getan, so ihr Anwalt, da sie damit auf die Antwort eines von ihr gemachten Antrages an das vatikanische Staatssekretariat, die NATO und an den italienischen Staat um Entbindung von der Geheimhaltung abwarten wolle.

Die Verhandlung  im Gerichtssaal
Die Verhandlung im Gerichtssaal

Ambra Giovene, der Anwalt von Torzi, reichte eine Kopie des Antrags auf „rechtmäßige Verhinderung“ seines Mandanten an der Anhörung ein. Torzi könne nicht teilnehmen, weil er in Untersuchungshaft sei, zu der auch eine elektronische Fußfessel gehöre. Er sei seit dem 28. April 2021 wegen eines Auslieferungsersuchen Großbritanniens in U-Haft: „Er kann sich nicht aus London entfernen“, so sein Anwalt. Der andere Anwalt, Marco Franco, entgegnete: „Selbst wenn Torzi vom britischen Richter die Genehmigung bekäme, vor Gericht zu erscheinen, würde er am Flughafen Fiumicino verhaftet werden.“ Die Verteidigung bestand daraufhin auf der Vertagung.

Unzulässige Anklage

Rechtsanwalt Luigi Panella, der den Finanzier Enrico Crasso und seine drei Unternehmen (Prestige Family Office Sa, Sogenel Capital Investment, Hp Finance) verteidigte, sprach mehr als eine Stunde. Er ging auf die Erhebung einer Zivilklage durch die vatikanische Güterverwaltung APSA und die Vatikanbank IOR ein, die nach Ansicht des Anwalts „unzulässig“ seien, da sie „eine allgemeine Formulierung“ eines Antrags auf Entschädigung für finanzielle und nicht-finanzielle Schäden gerichtet hätten, ohne die konkreten Gründe und Anschuldigungen dafür zu erläutern. Panella erklärte daraufhin, dass es nicht möglich sei, dass sich drei Parteien, die denselben Staat vertreten, getrennt und jede von ihnen eine Entschädigung fordere. „Das Risiko besteht darin, die Entschädigung zu verdreifachen“, so der Anwalt. Er beklagte daraufhin das Fehlen „zahlreicher Akten“ - unter den bereits 28.000 hinterlegten Dokumenten - die den Angeklagten bis heute nicht zur Verfügung stünden oder unlesbar seien, darunter neun USB-Sticks mit Kontoauszügen und Bankunterlagen aus der Schweiz. Der Anwalt wies auch darauf hin, dass den Angeklagten nicht die nötige Zeit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung gewährt wurde.

Die Verhandlung  im Gerichtssaal
Die Verhandlung im Gerichtssaal

Panella wies auch darauf hin, dass für die Straftaten der Geldwäsche, die dem Finanzier Crassus und seinen Unternehmen im Ausland und nicht auf vatikanischem Territorium zur Last gelegt werden, keine Zuständigkeit bestehe. Schließlich beanstandete er, die Rechtmäßigkeit des Rescriptums (persönliches Schreiben) von Papst Franziskus vom 2. Juli 2019. Der Papst ermächtigte damit, gegen die Angeklagten vorzugehen und Maßnahmen zu ergreifen, darunter auch vorsorgliche Maßnahmen. Nach Ansicht des Juristen handele es sich bei einem Rescriptum um einen „Verwaltungsakt“, so dass „Zweifel an der Eignung eines Verwaltungsakts zur Abweichung von der Rechtsordnung bestehen“. Anders ausgedrückt: was der Papst geschrieben habe, könne nicht in einem Rechtsverfahren gelten. Drei weitere Schreiben (Reskripte) des Papstes hätten das Strafverfahren „nur für diesen Prozess“ eingeführt, was den Vatikan laut Anwalt des Angeklagten Crasso „zu einem Sondergericht“ machen würde.

Einweisungsverfügung für nichtig erklären

Alle anderen Anwälte schlossen sich den Anträgen von Anwalt Panella an und verlangten, dass die Einweisungsverfügung für nichtig erklärt würden. Der Anwalt Cataldo Intrieri, der Fabrizio Tirabassi, einen ehemaligen Beamten des Staatssekretariats, verteidigt, wies darauf hin, dass die seinen Mandanten betreffenden Dokumente fehlten, wie z. B. der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, der im Oktober 2019 im Staatssekretariat ausgestellt wurde, sowie der Bericht über die Computerausrüstung von Tirabassi: „Der Inhalt wurde entnommen, ohne dass wir konsultiert wurden“, so der Anwalt. Und er erinnerte daran, dass in der Wohnung von Tirabassi und seinem Vater Geld beschlagnahmt wurde, das nach Ansicht des Anwalts „nicht pfändbar gewesen wäre, weil es bereits vor 2013 dort war“. Außerdem, so Intrieri, fehle die Akte des römischen Untersuchungsgerichts, in der die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme und die Rückgabe des Eigentums an die Eigentümer festgestellt worden sei.

Die Verhandlung  im Gerichtssaal
Die Verhandlung im Gerichtssaal

Daraufhin ergriff Salvino Mondello, ein Anwalt, das Wort und erklärte, dass sein Mandant Monsignore Carlino „ganz anderer Verbrechen angeklagt worden sei, als in der Anklageschrift aufgeführt“. Dann war Fabio Viglione, der Anwalt von Kardinal Becciu, an der Reihe, der sich über das Fehlen von Aufzeichnungen der Verhöre von Monsignore Alberto Perlasca (einschließlich Videos der Verhöre) in den Akten beschwerte, sowie über „eine Reihe von Akten, die sich auf forensische Kopien zahlreicher von Perlasca selbst benutzter Computergeräte beziehen“. Dem schloss sich Staatsanwalt Leonardo Mazza an, demzufolge die fünf Verhöre von Perlasca - von dem, wie er sagte, „alle Spuren verloren gegangen sind“ - null und nichtig sowie „das Ergebnis einer offensichtlichen verfahrensrechtlichen Verletzung der Garantierechte“ seien. Insbesondere gelte dies für das erste Verhör vom 31. August 2020, zu dem der Monsignore freiwillig und ohne Verteidiger erschien.

Auf der anderen Seite sagte Rechtsanwalt Giandomenico Caiazza, Verteidiger des Maklers Raffaele Mincione, dass sie in den Akten „fast zufällig“ von der Existenz eines am 19. Juni 2020 ausgestellten Haftbefehls gegen Mincione erfahren hätten. „Dieser Haftbefehl wurde nie vollstreckt, sondern nach der gleichen Logik wie der von Torzi ausgestellt“. Der Anwalt deutete an, dass Mincione verhaftet worden wäre, falls er an diesem Tag zur Vernehmung erschienen wäre: „Dies ist eine Methode, die eine regelrechte Warnung vor ähnlichen Vorladungen zur Vernehmung im Vatikanstaat hervorrufen wird“, so der Anwalt.

Starke moralische Konnotation

Paola Severino, ehemalige italienische Justizministerin und Anwältin der Zivilklägerin des Staatssekretariats, antwortete auf die Ausführungen der Anwälte und bekräftigte die Rechtmäßigkeit der Einbindung der Apsa als Zivilkläge aufgrund des Motu proprio des Papstes vom 26. Dezember 2020, mit dem die Gelder und Anlagen des Staatssekretariats auf die Verwaltung des Vermögens des Apostolischen Stuhls übertragen wurden. „Im Falle der Entschädigung des Staatssekretariats, das nicht mehr im Besitz von Vermögenswerten ist, wurden Ausnahmen von der Legitimität befürchtet. Daher musste die Apsa als Kläger eingreifen.“ In Bezug auf die Tatsache, dass der Vatikan an sich ein „Sondergericht“ sei, erinnerte die Professorin an die „starke moralische Konnotation“ des laufenden Prozesses und betonte mehrfach in Bezug auf die Gültigkeit der Reskripte des Papstes, dass „der Papst der Gesetzgeber ist, wie es bei allen Prozessen im Vatikan der Fall war und ist“.

Die Anwesenden  im Gerichtssaal
Die Anwesenden im Gerichtssaal

Ebenfalls im Gerichtssaal anwesend war Rechtsanwalt Roberto Lipari, der betonte, dass das IOR „eine geschädigte Partei“ sei: „Die Aufgabe des IOR ist es, das für religiöse und karitative Werke bestimmte Vermögen zu schützen. Die unrechtmäßige Verwendung der Vermögenswerte des IOR beeinträchtigt die Fähigkeit des IOR - das weder zum Heiligen Stuhl noch zum Staat Vatikanstadt gehört -, neue Kontakte und Beziehungen zu möglichen Hilfesuchenden aufzubauen“. Anders ausgedrückt: Das IOR ist keine Staatsbank, sondern eine Einrichtung, die kirchliche Dienste tue und die durch unrechtmäßige Verwendungen dies nicht mehr tun könne.

Gian Piero Milano, der vatikanische Staatsanwalt, kam seinerseits auf die Frage des päpstlichen Reskripts zurück, das, wie er erklärte, ein Akt sei, der „die höchste Befehlsgewalt“ des Papstes zum Ausdruck bringe: „Wenn wir diesen Prozess mit der Brille des Juristen betrachten, haben wir eine deformierte Vision dieser Ordnung und wir können der zivilen Ordnung nicht konforme Bedeutungen zuschreiben“, stellte er klar. In Bezug auf den „besonderen Charakter“ des Vatikanischen Gerichtshofs für das laufende Verfahren sagte er stattdessen: „Er würde zu einem Sondergerichtshof werden, wenn er sich das Vorrecht anmaßen würde, Handlungen zu unternehmen, die sich jeder Bewertung entziehen würden.“

Punkt für Punkt auf die Einwände eingegangen

Sein Stellvertreter Alessandro Diddi äußerte sich ausführlicher: „Wenn wir Fehler gemacht haben, sind wir bereit, sie zu korrigieren.“ Anschließend ging er Punkt für Punkt auf die Einwände der Anwälte ein. Zunächst einmal stellte er klar, dass die Verteidigung nicht auf den Unterschieden zwischen dem italienischen und dem vatikanischen System beruhen sollte:

„Lassen Sie uns die Regeln klarstellen: Ständig auf ein System zu verweisen, das nicht in Kraft ist, lenkt davon ab, was wir in den kommenden Monaten von hier aus tun werden.“ Unter Hinweis auf die Wirksamkeit der päpstlichen Reskripte erklärte Diddi, dass der Haftbefehl gegen Torzi und Mincione genau auf der Grundlage dieser päpstlichen Bestimmung erlassen wurde. Der letztgenannte Haftbefehl wurde ausgestellt, weil in jenen Tagen im Juni 2020, in einer „entscheidenden“ Phase der Ermittlungen, ein „Versuch der Irreführung“ der beiden Makler stattfand. „Wir sahen uns gezwungen, vorsorglich einzugreifen“, so der stellvertretende Staatsanwalt.

Er erklärte außerdem, dass das gesamte beschlagnahmte Computermaterial derzeit in einem Tresor im Büro der vatikanischen Staatsanwaltschaft aufbewahrt werde und dass die Tatsache, dass einige Akten nicht vorgelegt wurden, darauf zurückzuführen sei, dass nach den geltenden Gesetzen Verfahrensakten und nicht beschlagnahmte Akten eingereicht werden könnten: „Das einzige Material, das nicht gepfändet werden kann, ist eine riesige Menge an Computermaterial, das in einem kleinen Haus, einem Palast, in einem Raum voller Geräte aufbewahrt wird.“ Diddi bekräftigte jedoch seine Bereitschaft, vorbehaltlich der Genehmigung durch das Gericht alle angeforderten Unterlagen zu vervielfältigen. Abschließend erklärte er, er sei stolz darauf, dass „in anderthalb Jahren Ermittlungen kein einziges Mal Informationen nach außen gedrungen sind“.

Die Entscheidung des Gerichtes

Nach fast eineinhalb Stunden Ratssitzungen hob der Richter Pignatone den Haftbefehl des Vatikans gegen Mincione auf und behielt sich das Recht vor, über die Ausnahmen und Anträge der Anwälte zu entscheiden. Anschließend stellte er die offizielle nicht vorher entschuldigte Abwesenheit bei der ersten Anhörung der Personen fest, mit Ausnahme des Maklers Gianluigi Torzi, der aufgrund einer rechtmäßigen Verhinderung nicht anwesend war, sowie die Anwesenheit von Kardinal Becciu und seinem ehemaligen Sekretär Carlino.

(vatican news)

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28. Juli 2021, 11:36