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Die Synodenteilnehmer stimmen über das Schlussdokument ab Die Synodenteilnehmer stimmen über das Schlussdokument ab 

Amazonien-Synode: Das steht im Schlussdokument

Die Amazonien-Synode im Vatikan ist mit einem Aufruf der Teilnehmenden zu einer ganzheitlichen Umkehr in der katholischen Kirche zu Ende gegangen. Das Schlussdokument, das der Vatikan Samstagabend veröffentlichte, spricht von vier Arten der Bekehrung: pastoral, ökologisch, kulturell und synodal. Angeregt wird auch die Weihe verheirateter Männer zu Priestern für entlegene Gemeinden sowie die Entwicklung eines amazonischen katholischen Ritus. Das Thema Frauendiakonat bleibt offen.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Das etwa 30 Seiten lange Schlussdokument der Amazonien-Synode gliedert sich in fünf Kapitel, wobei das erste die Basis der übrigen vier bildet. „Amazonien: vom Zuhören zur ganzheitlichen Umkehr“ ist es überschrieben. Es spricht vom Schrei der Armen, den „Attentaten gegen die Natur“, dem bedrohlichen Verlust des Regenwaldes, der Migration, der Ausbeutung und der Antwort der Kirche in dieser Lage. Heute habe „die Kirche die historische Chance, sich von den neuen Kolonialkräften zu unterscheiden, indem sie den amazonischen Völkern zuhört“ (15).

Darüber hinaus öffne „die sozio-ökonomische Krise neue Gelegenheiten, Christus in all seiner befreienden und humanisierenden Kraft“ zu verkünden. Der Schrei der Erde und der Schrei der Armen nötige der Kirche eine umfassende Bekehrung ab, persönlich ebenso wie gemeinschaftlich. Mittelpunkt dieser Bekehrung sei „das lebendige Evangelium, das Jesus Christus ist“ (19).

Neue Wege pastoraler Bekehrung

„Kirche ist Mission!“ (21), heißt es mit Ausrufezeichen in diesem Kapitel. Die Synode stellt hier ihr Grundlagenverständnis einer Kirche der Zukunft vor: eine samaritanische, barmherzige, solidarische Kirche, eine „magdalenische“ Kirche, „die sich geliebt und versöhnt fühlt und mit Freude und Überzeugung den gekreuzigten und auferstandenen Christus verkündet“ (22).

Es folgt ein Verweis auf Ökumene und den Dialog mit indigenen Religionen: die Beziehungen zu Pfingstkirchen, Charismatikern und Evangelikalen sei in Amazonien „nicht einfach“, die Anziehungskraft dieser Kirchen für katholische Gläubige müsse Anlass zur Gewissenserforschung sein (24). Bei einer Annäherung helfen könne das gemeinsame Interesse an Wort Gottes. Die Synode schlägt unter anderem gemeinsame Bibelübersetzungen in lokale Sprachen sowie theologische Treffen vor.

„Amazonien muss auch durch Amazonier evangelisiert werden“

Indigene Religionen indessen „verdienen gekannt und in ihren eigenen Ausdrücken und ihren Beziehungen zum Wald und zur Mutter Erde verstanden zu werden“ (25). In der Begleitung amazonischer Völker soll die katholische Kirche indigene Berufungen gezielt fördern: „Amazonien muss auch durch Amazonier evangelisiert werden“ (26).

Mehr Aufmerksamkeit müsse Migranten und Jugendlichen gelten. Die Kirche sehe in den jungen Menschen einen „theologischen Ort“, sie seien „Propheten der Hoffnung“, dialogorientiert und aufmerksam für „das gemeinsame Haus“, also die Schöpfung. Dank spricht die Synode den wandernden missionarischen Gruppen aus, die die Menschen in eine „Besuchspastoral“ miteinbeziehen. Diese Form der Seelsorge entspreche „den derzeitigen Möglichkeiten“ der Kirche in Amazonien.

Neue Wege kultureller Bekehrung


Wirklich „einheimische“ katholische Kirchen in Amazonien können nur dort entstehen, wo das Evangelium „inkulturiert“, also kulturell beheimatet ist. Solche Kirchen seien „vereint im einen Glauben an Christus und verschieden in ihren Weisen, diesen Glauben zu leben, zu zeigen und zu feiern“ (42).

In diesem Kapitel ergreift die Synode klar Partei für eine Allianz mit den amazonischen Völkern. Sie spricht von der Notwendigkeit, „Attentate gegen das Leben und die Gemeinschaften Indigener“ anzuzeigen und Projekte zu demaskieren, die deren Rechte einschränken. „Die Anwesenheit der Kirche in den indigenen und traditionellen Gemeinden braucht das Bewusstsein, dass die Verteidigung der Erde keinen anderen Zweck hat als die Verteidigung des Lebens“ (46). Für die Kirche sei diese Verteidigung des Lebens, der Gemeinschaften, der Gebiete und der Rechte der Indigenenvölker „ein Prinzip des Evangeliums“ (47).

Volksfrömmigkeit sei ein wichtiges Verbindungsglied vieler amazonischer Völker zu ihren spirituellen und kulturellen Wurzeln, fährt das Dokument fort. Diese Ausdrücke des Glaubens müssten in der Kirche „wertgeschätzt, begleitet, gefördert und manchmal gereinigt“ werden, da sie als „privilegierte Momente der Evangelisierung“ zur Begegnung mit Christus führen (52). Zum Reichtum der indigenen Kultur gehöre auch die indigene Theologie.

„Wir weisen eine Evangelisierung im Kolonialstil zurück“

Klar weist das Synodendokument die Vorstellung zurück, Kirche könne heute noch gleichsam als Kolonialherrin, von oben herab, auftreten. „Wir alle sind dazu eingeladen, uns den amazonischen Völkern auf Augenhöhe zu nähern, ihre Geschichte, ihre Kulturen, ihren Stil des ,guten Lebens´ zu respektieren. Kolonialismus ist das Auferlegen bestimmter Lebensarten von einem Volk auf das andere, wirtschaftlich, kulturell oder religiös. Wir weisen eine Evangelisierung im Kolonialstil zurück. Die Frohe Botschaft von Jesus verkünden heißt, die Samen des Wortes anzuerkennen, die in den Kulturen angelegt sind.“ (55).

Neue Wege ökologischer Bekehrung

„Unser Planet ist ein Geschenk Gottes“, beginnt dieses Kapitel (65) und lenkt den Blick auf dringend erforderliches Handeln angesichts einer „sozioökologischen Krise“ im noch nie dagewesenen Ausmaß. Sich als katholische Kirche mit der unbegrenzten Ausbeutung des „gemeinsamen Hauses und seiner Bewohner“ auseinanderzusetzen, sei dringend. Zur ganzheitlichen Ökologie gebe es keine Alternative, sie sei nicht irgendein zusätzlicher Weg, den die Kirche wählen könne, um die Zukunft dieses Gebiets zu sichern: „Sie ist der einzige mögliche Weg.“ (67)

Die Synode beklagt die Kriminalisierung von Führungspersonen, die die Rechte der angestammten Bevölkerung verteidigen. Die Verteidigung der Menschenrechte, für Einzelne wie für Gemeinschafen, sei für Christen nicht einfach optional (70), sondern „eine Erfordernis des Glaubens“. Auch wenn es nicht immer möglich sei, das vorherrschende zerstörerische Entwicklungsmodell zu ändern, müsse die Kirche zumindest klar machen, auf welcher Seite sie steht und „wie sie die politische und ethische Dimension“ ihres Glaubens übermittelt. Die Synode ruft auch zu einer „radikalen Energiewende“ hin zu nachhaltigen Quellen auf.

„Wir wollen eine Spiritualität der ganzheitlichen Ökologie“

Drei Absätze des Kapitels gelten neuen Modellen für gerechte, solidarische und nachhaltige Entwicklung. Das neue Paradigma müsse „sozial inklusiv“ sein und wissenschaftliche wie traditionelle Erkenntnisse zu vereinen wissen, auch das überlieferte Wissen der Indigenen mit ihrer Kosmovision (73). Jedes einzelne Vorhaben zum Abbau von Rohstoffen in Amazonien müsse auf seinen Wert für das Gebiet und seine Bevölkerung hin bewertet werden. Profit dürfe nicht höher stehen als Umweltfragen und Menschenrechte. Die Soziallehre der Kirche umfasse schon längere Zeit auch die ökologische Frage, heute sehe sie sich „bereichert mit einem umfassenderen Blick“. Wie Indigene mit ihren Lebensgebieten umgehen und sie schützen, sei eine gute Leitlinie für die Umkehr zur ganzheitlichen Ökologie (79). „Wir wollen eine Spiritualität der ganzheitlichen Ökologie annehmen“, heißt es an einem Punkt.

Zwei konkrete Beiträge empfiehlt die Synode: Zunächst einen Weltfonds einzurichten, der die Gemeinschaften in Amazonien für ihre ökologische Arbeit entschädigt und sie zugleich vor ausbeuterischen Vorhaben von Konzernen schützt (83). Zweitens ist aus Sicht der Synode eine ökologisch-pastorale Dokumentationsstelle einzurichten, die der Verteidigung des Lebens dient. An den Papst ergeht die Bitte, im Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen eine eigene Unterabteilung für Amazonien einzurichten, die mit der neuen Dokumentationsstelle zusammenarbeitet.

Neue Wege synodaler Bekehrung


Damit die Kirche wirklich miteinander voranschreitet, braucht sie heute eine Umkehr zur synodalen Erfahrung (88), hält die Synode fest. Den Weg zu diesem neuen MIteinander bereite eine Kultur des Dialogs und des Zuhörens, der geistlichen Unterscheidung, des Konsens „um Räume und Modalitäten geteilter Entscheidung zu finden und auf die pastoralen Herausforderungen zu antworten“. So werde sich im Leben der Kirche eine geteilte Verantwortung „im Geist des Dienens“ herausbilden. Die Synode stellt diese Aufgabe als dringlich heraus, um „Klerikalismus und willkürliche Eingriffe“ zu überwinden.

Besonders hebt die Synode die Mitverantwortung der Laien hervor. „Wir erkennen die Notwendigkeit an, die Räume für die Teilhabe von Laien zu stärken und zu erweitern, beim Beraten wie auch beim Entscheiden“ (94). Für die amazonische Kirche sei es dringend, „Dienste an Männer und Frauen gleichermaßen“ zu verleihen. Die Synode empfiehlt ein neues Modell der seelsorgerlichen Verantwortung: Der Bischof könne für begrenzte Zeit in Gemeinden ohne Priester die Ausübung der Seelsorge an eine Person ohne Weihe aus der Gemeinde selbst übertragen, und zwar als Rotationsmodell, um „Personalismen“ zu vermeiden (96). Überdies bitten die Synodenväter darum, Frauen offiziell als Lektorinnen und Akolythen im Gottesdienst zuzulassen sowie in Amazonien ein neues Amt für Frauen einzuführen, nämlich „die weibliche Gemeindeleiterin“ (102).

Das Dokument vermeidet den Begriff „Viri probati“

Vorsichtiger gibt sich das Dokument mit dem Diakonat der Frau. Das Thema sei bei den Beratungen vor der Synode und der Synode selbst sehr präsent gewesen, heißt es audrücklich. Man bitte darum, die Erfahrungen aus Amazonien mit der Studienkommission teilen zu können, die im Auftrag von Papst Franziskus geprüft hatte, welche Aufgaben den Diakoninnen der Ukirche historisch zukamen und was das für die Zukunft heiße. „Wir erwarten ihre Ergebnisse“, heißt es in Punkt 103.

Unter dem Titel „Eucharistie als Quelle und Höhepunkt der synodalen Kommunion“ schließlich befürwortet die Synode die Priesterweihe verheirateter Diakone, wobei das Dokument den Ausdruck „Viri probati“ vermeidet. „Wir schätzen den Zölibat als Gabe Gottes“, heißt es (111), „und wir beten um viele Berufungen zum zölibatären Priestertum.“ Allerdings: Rechtmäßige Unterschiede schädigten die Einheit der Kirche nicht, sondern dienten ihr, wie auch die Vielfalt der existierenden Riten und Disziplinen bezeuge. Deshalb schlage man angesichts des Priestermangels und der sakramentalen Notlage in Amazonien vor, Kriterien zu erstellen, „um geeignete und von der Gemeinde anerkannte Männer, die ein fruchtbares Ständiges Diakonat innehaben, zu Priestern zu weihen“. Diese Priester mit bereits bestehender Familie könnten „in den entlegensten Regionen des Amazonas das Wort verkünden und die Sakramente feiern“.

Auch einen neuen „amazonischen Ritus“ schlägt die Synode vor (116-119). Eine eigens eingerichtete Kommission müsse diese Frage in den Blick nehmen. Der neue Ritus würde an die Seite der 23 bereits bestehenden Riten treten und „das liturgische, theologische, disziplinäre und geistliche Erbe Amazoniens“ zum Ausdruck binrgen; an dieser Stelle verweist das Schlussdokument der Synode auf das, was „Lumen Gentium“ für die Ostkirchen festhält.

(vatican news)

 

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26. Oktober 2019, 20:59