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Generalaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Lesen Sie hier in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan die Katechese, die Franziskus an diesem Mittwoch gehalten hat, mit den spontanen Einschüben des Papstes. Die offizielle Fassung finden Sie wie immer in Kürze auf vatican.va.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Hören wir heute gut bei der Katechese zu, denn danach wird es noch eine Zirkusvorführung geben, eine kleine Unterhaltung für uns.

Wir setzen unsere Katechesenreihe über die Laster und Tugenden fort. Die geistlichen Väter im frühen Christentum lehren uns, dass – nach der Völlerei – der zweite „Teufel“, der immer an der Tür des Herzens lauert, der der Unkeuschheit ist, die das Griechische mit dem Begriff porneia beschreibt. Während die Völlerei die Unersättlichkeit beim Essen meint, geht es bei diesem zweiten Laster um die „Unersättlichkeit“ einem anderen Menschen gegenüber, um eine vergiftete Beziehung der Menschen untereinander also, besonders im Bereich der Sexualität.

Doch aufgepasst: Im Christentum gibt es keine Verurteilung der Sexualität, es gibt keine Verurteilung. Ein Buch in der Bibel, das Hohelied der Liebe, ist ein wunderbares Gedicht über die Liebe zwischen zwei Verlobten. Diese schöne Dimension, die sexuelle Dimension, die Dimension der Liebe unseres Menschseins ist jedoch nicht ohne Gefahren, und so musste ja auch schon Paulus dieses Thema in seinem ersten Brief an die Korinther ansprechen. Dort schreibt Paulus: „Allgemein hört man von Unzucht unter euch, und zwar von Unzucht, wie sie nicht einmal unter den Heiden vorkommt“ (5,1). Der Vorwurf des Apostels bezieht sich auf den ungesunden Umgang einiger Christen mit der Sexualität.

Doch schauen wir uns die menschliche Erfahrung an, die Erfahrung des Verliebtseins. Hier sind heute viele Neuvermählte, ihr könnt uns dazu sicher einiges erzählen! Keiner von uns weiß, warum dieses Geheimnis geschieht, und warum es eine so überwältigende Erfahrung im Leben des Menschen ist, da verliebt sich jemand in einen anderen, da gibt es diese Verliebtheit: Es ist eine der überraschendsten Realitäten unseres Daseins. Die meisten Lieder, die wir im Radio hören, handeln davon: von einer Liebe, die zum Strahlen bringt; der Liebe, die man immer sucht und nie findet; von Liebe, die voller Freude ist – oder einer Liebe, die uns verzweifeln lässt und zum Weinen bringt.

Wenn die Verliebtheit nicht vom Laster beschmutzt wird, ist sie eines der reinsten Gefühle. Ein verliebter Mensch ist großzügig; er freut sich, wenn er Geschenke machen kann, schreibt Briefe und Gedichte.

Er hört auf, an sich selbst zu denken, um sich ganz dem anderen zu widmen. Das ist schön! Und wenn man einen verliebten Menschen fragt, warum er liebt, wird er keine Antwort haben: in vielerlei Hinsicht ist seine Liebe bedingungslos, ohne jeden Grund. Ja, manchmal kann eine Liebe so groß sein, dass sie auch ein wenig naiv ist: Der Liebende kennt das Gesicht des anderen nicht wirklich; er neigt dazu, ihn zu idealisieren, ist bereit, Versprechungen zu machen, deren Tragweite er nicht sofort begreift. Dieser „Garten“ voller Wunder ist aber nicht gegen das Böse gefeit. Er wird durch den Teufel der Lust verunreinigt, und dieses Laster ist aus mindestens zwei Gründen besonders abscheulich.

Vor allem, weil es die zwischenmenschlichen Beziehungen zerstört. Beispiele dafür gibt es in den täglichen Nachrichten mehr als genug. Wie viele Beziehungen, die auf erdenkliche gute Weise begonnen haben, sind dann zu vergifteten Beziehungen geworden, zu einer besitzergreifenden Begierde ohne Respekt und ohne jeglichen Sinn für Grenzen. In solchen Liebesbeziehungen fehlt es an Keuschheit: eine Tugend, die nicht mit sexueller Enthaltsamkeit zu verwechseln ist - die Keuschheit hat nichts mit sexueller Enthaltsamkeit zu tun -, sondern bedeutet, dass man den anderen niemals besitzen will. Lieben heißt, den anderen zu respektieren; sein Glück zu wollen; Rücksicht auf seine Gefühle zu nehmen; sich in einen Körper, eine Psyche, eine Seele hineinzuversetzen, die nicht die unseren sind und die man wegen der ihnen innewohnenden Schönheit betrachten muss. Lieben bedeutet genau das: die Liebe ist schön. Die Wollust dagegen verhöhnt all das: die Lust plündert und raubt; sie verschlingt alles in Windeseile, will nicht auf den anderen hören, sondern nur auf die eigenen Bedürfnisse und das eigene Vergnügen; die Lust hält jedes Werben für langweilig, sucht nicht die Synthese zwischen Vernunft, Trieb und Gefühl, die uns helfen würde, unser Dasein klug zu leben. Wer der Lust nachgibt, sucht nur nach Abkürzungen: Er versteht nicht, dass der Weg zur Liebe langsam zurückgelegt werden muss, und dass erst diese Geduld, die nichts mit Langeweile zu tun hat, unsere Liebesbeziehungen glücklich macht.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum die Lust ein gefährliches Laster ist. Von allen menschlichen Freuden hat die Sexualität eine besonders starke Stimme. Sie bezieht alle Sinne mit ein; sie bewohnt sowohl den Körper als auch die Psyche, und das ist eine schöne Sache. Wenn sie aber nicht mit Geduld diszipliniert wird; wenn sie nicht in eine Beziehung, eine Geschichte eingebettet ist, in der sie zwei Menschen in einen Liebestanz verwandeln, dann wird sie zu einer Reaktionskette, die den Menschen der Freiheit beraubt. Das sexuelle Vergnügen, das ein Geschenk Gottes ist, wird durch die Pornographie untergraben: eine Befriedigung ohne Beziehung, die zu Formen von Abhängigkeit führen kann. Wir müssen die Liebe verteidigen, die Liebe des Herzens, des Verstandes, des Leibes, reine Liebe, bei der sich einer dem anderen schenkt. Und darin liegt die Schönheit der Sexualität.

Den Kampf gegen die Begierde – die „Objektifizierung“ des anderen – zu gewinnen, kann ein lebenslanges Unterfangen sein. Aber der Lohn, der uns am Ende dieses Kampfes erwartet, ist der wichtigste von allen: denn es geht darum, jene Schönheit zu bewahren, die Gott in seine Schöpfung eingeschrieben hat, als er die Liebe zwischen Mann und Frau ersann, bei der es nicht darum geht, den anderen zu benutzen, sondern einander zu lieben. Diese Schönheit, die uns glauben macht, dass es besser ist, eine gemeinsame Geschichte zu schreiben als sich auf die Jagd nach Abenteuern zu machen - es gibt soviele Casanovas: es ist besser, eine gemeinsame Geschichte aufzubauen als Abenteuern hinterherzu jagen. Es ist besser, die Zärtlichkeit zu pflegen als sich dem Dämon des Andere-Besitzen-Wollens zu beugen; dass es besser ist zu dienen als zu erobern - wahre Liebe will nicht besitzen, sie schenkt sich hin. Denn dort, wo es keine Liebe gibt, ist das Leben nur trist, nur triste Einsamkeit. Danke.

(vaticannews-skr)
 

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17. Januar 2024, 10:39

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