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„Papst will in Ungarn Pilger des Friedens sein“

Drei Tage lang reist Papst Franziskus, von Freitag an, nach Budapest. Damit will er sich für den Aufbau einer geschwisterlichen Gesellschaft in einem vom Krieg verwundeten Europa engagieren – auch mit Blick auf „die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“. Unser Interview mit Kardinalstaatssekretär Parolin.

Massimiliano Menichetti – Vatikanstadt

Für Franziskus wird es schon der zweite Ungarn-Aufenthalt in seinem Pontifikat sein: 2021 war er in Budapest, um den Eucharistischen Weltkongress mit einer feierlichen Messe zu beschließen. Nach Johannes Paul II. in den Jahren 1991 und 1996 ist er der zweite Papst, der eine apostolische Reise in dieses Land unternimmt. Wir sprachen darüber mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin.

Interview

Kardinal Parolin, die 41. apostolische Reise von Franziskus wird ihn nach Ungarn führen, ein Land, das fest im Glauben steht und unter der kommunistischen Diktatur gelitten hat. Warum diese Reise?

„Ich würde sagen: Diese Reise ist so etwas wie die glückliche Erfüllung eines Versprechens. Wie wir wissen, war der Heilige Vater bereits vor anderthalb Jahren in Budapest, und in diesem Zusammenhang hatte es neben der feierlichen Messe eine Reihe von Treffen gegeben: auf privater Ebene mit Vertretern von Staat und Regierung, dann mit den Bischöfen und schließlich mit Christen anderer Konfessionen und mit Vertretern der jüdischen Gemeinden. Mit seiner neuerlichen apostolischen Reise möchte der Heilige Vater in erster Linie seinen früheren Besuch in Budapest fortsetzen und abrunden... Geplant sind diesmal auch öffentliche Begegnungen mit dem Klerus, den Diakonen, den Seelsorgern, mit Ausgegrenzten - vor allem mit den vielen Flüchtlingen aus der benachbarten Ukraine -, mit Jugendlichen - wir stehen ja kurz vor dem Weltjugendtag von Lissabon - und schließlich mit der Welt der Kultur.“

„Der Papst will in erster Linie seinen früheren Besuch abrunden“

Der Besuch konzentriert sich auf die Hauptstadt Budapest, es wird keine weiteren Stationen geben. Warum hat man sich für diese Form der Reise entschieden?

„Sie wurde vor allem deshalb gewählt, weil so möglichst viele Treffen in der Hauptstadt konzentriert werden können, um weitere Stationen zu vermeiden und die verschiedenen Realitäten des Landes in Budapest zusammenzubringen – einer Stadt, die übrigens gerade in diesem Jahr ein wichtiges Jubiläum feiert, nämlich den 150. Jahrestag ihrer Gründung.“

Franziskus 2021 mit Viktor Orban in Budapest
Franziskus 2021 mit Viktor Orban in Budapest

„Reise wurde schon vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs geplant“

Der Heilige Vater wird sich im Herzen des vom Krieg verwundeten Europas aufhalten. Ungarn grenzt ja an die Ukraine. Welche Bedeutung hat die Anwesenheit des Papstes in dieser Hinsicht?

„Dieser Besuch ist schon seit einiger Zeit geplant und hat daher nicht in erster Linie mit der aktuellen Situation zu tun, die durch den Krieg in der Ukraine geprägt ist. Aber wie wir wissen, liegt dem Papst diese fortdauernde Tragödie sehr am Herzen; ich bin sicher, dass bei diesem Besuch keine Gelegenheit ausgelassen wird, die sich bieten könnte, um etwas für Frieden zu tun…“

„Sorge über schwierige Lage der Migranten auf der Balkanroute“

Das Land liegt im Zentrum der Migrationsströme; da ist einerseits die Balkanroute, andererseits sind da diejenigen, die vor dem Krieg zwischen Moskau und Kiew fliehen. In der Elisabethkirche wird es ein Treffen mit Armen und Flüchtlingen geben, wie Sie eben erwähnt haben. Wird der Besuch des Papstes noch mehr Menschen dazu bewegen, die Not wahrzunehmen und diesen Menschen zu helfen?

„Wir erleben derzeit die größte Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg: Mehr als 8 Millionen ukrainische Flüchtlinge sind in die Europäische Union gekommen. Und Ungarn hat sich in dieser Situation verpflichtet, seine Grenzen für Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, offen zu halten. Mehr als 4 Millionen Menschen sind durch Ungarn gekommen, entweder direkt aus der Ukraine oder über Rumänien. Und obwohl nur wenige von ihnen im Land geblieben sind - die Zahlen sprechen von etwa 35.000 Personen –,hat die katholische Kirche vor Ort, insbesondere durch die Caritas, aber auch mit Hilfe der Regierung, ihr Bestes getan, um diese Flüchtlinge auf ihrem weiteren Weg in andere europäische Länder aufzunehmen und zu betreuen. Ein Teil dieser Arbeit bestand auch darin, zu verhindern, dass vor allem Frauen und Kinder Opfer des Menschenhandels werden.

Gleichzeitig ist die Kirche nach wie vor besorgt über die Lage der irregulären Migranten entlang der Balkanroute, über die schwierige Lage, in der sich viele von ihnen befinden, zum Beispiel an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien. Auch wenn viele der Menschen an der Grenze keine Flüchtlinge sind, so sind die meisten von ihnen doch schutzbedürftig und müssen mit dem Respekt behandelt werden, den sie als Menschen verdienen. Wir weisen aber auch darauf hin, dass dieses Problem nicht nur Ungarn betrifft, sondern alle Länder der Region – insbesondere die Länder an der Außengrenze der Europäischen Union, die mit zunehmenden Migrationsströmen aus Ländern mit Konflikten und extremer Armut konfrontiert sind. In diesem Sinne muss ganz Europa einen Weg finden, Verantwortung für diejenigen zu übernehmen, die innerhalb seiner Grenzen ein besseres Leben suchen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Migranten in ihren Herkunftsländern in Frieden und Sicherheit bleiben können, damit sie nicht gezwungen sind, zu fliehen oder Frieden, Sicherheit und menschenwürdige Arbeit im Ausland zu suchen.“

Eine Ehrengarde trägt 2022 eine Reliquie des hl. Stephan von Ungarn
Eine Ehrengarde trägt 2022 eine Reliquie des hl. Stephan von Ungarn

„Herausforderung: Den Glauben unter veränderten Umständen lebendig halten“

Die Vorfreude im Land ist groß: Kirche und Regierung arbeiten zusammen, um allen die Möglichkeit zu geben, an einer Begegnung mit dem Papst teilzunehmen. So wird zum Beispiel der Transport zu den Orten des Besuchs kostenlos sein. Wie sehen Sie den Glauben der Menschen in Ungarn?

„Es ist ein lebendiger und bewundernswerter Glaube, der vor allem mit vielen Heiligen verbunden ist, von St. Martin über St. Stephan bis zur heiligen Elisabeth. Aber es ist auch ein Glaube, der von Persönlichkeiten in der jüngeren Vergangenheit beispielhaft bezeugt wurde: Man denke an die verschiedenen Märtyrer und Bekenner des Glaubens, die mit der Zeit der atheistischen Verfolgung verbunden sind. Wie könnte man hier nicht an die emblematische Gestalt von Kardinal József Mindszenty erinnern! Ein Glaube also, der durch Leiden geprüft und jahrelang von einer Kirche im Untergrund praktiziert wurde, die dann nach Jahren der Unterdrückung wie ein Samenkorn gedeihen konnte.

Ungarn ist ein Land mit einem lebendigen Glauben, und unter den heutigen, veränderten Umständen muss es, sagen wir mal, diesen Glauben lebendig halten, wobei zu bedenken ist, dass wir in einem anderen Kontext leben als in der Vergangenheit. In einem Kontext, der - wie der Papst uns wiederholt in Erinnerung gerufen hat - nicht nur eine Zeit des Wandels, sondern ein Epochenwechsel ist. Wir stehen vor neuen Herausforderungen, die den Klerus betreffen, die die Jugendlichen betreffen: nicht mehr der Kommunismus, sondern scheinbar harmlosere Herausforderungen wie Materialismus und Konsumdenken.“

(vatican news)

Dies ist eine leicht gekürzte Fassung des italienischen Originals.
 

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27. April 2023, 15:10