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Papst wirbt in Ungarn für den europäischen Traum

Höflich, aber deutlich: So ist Papst Franziskus an diesem Freitag in Budapest aufgetreten. In seiner ersten Rede, die er in einem früheren Klostergebäude hielt, fand der Gast aus Rom vor Vertretern des ungarischen Staats und der Zivilgesellschaft zu klaren Worten: Ja zu Europa, nein zu Populismus, ja zu einem menschenwürdigen Umgang mit Migranten.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Franziskus wusste seine Stellungnahmen aber stets mit der ungarischen Geschichte und Tradition zu verbinden. Er berief sich wahlweise auf den Dichter Attila József, die ungarische Verfassung oder den heiligen Stephan, den König also, der um das Jahr 1.000 am Anfang ungarischer Staatlichkeit stand.

„Ein Land, das den Wert der Freiheit kennt“

Der Papst würdigte Ungarn („das heilige Pannonien“) als Land, „das den Wert der Freiheit kennt“; Budapest sei „heute eine der europäischen Städte mit dem höchsten Prozentsatz an jüdischer Bevölkerung“. Ungarn habe den Auftrag, „den Schatz der Demokratie und den Traum vom Frieden zu bewahren“. Politik dürfe nicht „eher die Gemüter erhitzen, als Probleme zu lösen“, sondern müsse „das Ganze, die Entwicklung aller, in den Blick nehmen“. Beredt bekannte sich Franziskus, ein Träger des Aaachener Karlspreises, zum Traum des geeinten Europa, den in der Regierung von Viktor Orbán nicht unbedingt jeder mitträumt.

„Es ist wesentlich, die europäische Seele wiederzuentdecken“

„In dieser heiklen historischen Lage ist Europa von grundlegender Bedeutung. Denn dank seiner Geschichte repräsentiert es das Gedächtnis der Menschheit und ist daher aufgerufen, die Rolle zu spielen, die ihm entspricht: Jene, die Fernstehenden zu vereinen, die Völker in seinem Inneren willkommen zu heißen und niemanden für immer als Feind stehen zu lassen. Es ist daher wesentlich, die europäische Seele wiederzuentdecken: die Begeisterung und den Traum der Gründerväter, Staatsmänner, die es verstanden, über ihre eigene Zeit, über nationale Grenzen und unmittelbare Bedürfnisse hinauszublicken…“

Franziskus mit Ministerpräsident Orbán
Franziskus mit Ministerpräsident Orbán

Europa dürfe „keine Geisel der Parteien“ sein, also weder ein „Opfer autoreferentieller Populismen“ noch eine „Art abstrakter Überstaatlichkeit, die das Leben der Völker vergisst“ und die eine „sogenannte Gender-Kultur“ oder ein „sinnwidriges Recht auf Abtreibung“ propagiere. Mit Blick auf das Nachbarland, „die leidgeprüfte Ukraine“, fragte der Papst, „wo die schöpferischen Anstrengungen für den Frieden bleiben“?

„Christliche Werte können nicht durch Starrheit bezeugt werden“

Ungarn solle sich nicht auf sich selbst zurückziehen. „Die christlichen Werte können nicht durch Starrheit und Verschlossenheit bezeugt werden, denn die Wahrheit Christi bringt Sanftmut und Freundlichkeit mit sich, im Geist der Seligpreisungen.“

Hoch über Budapest
Hoch über Budapest

Das gelte auch gegenüber Flüchtlingen und Migranten: Diese „epochale Herausforderung“ könne „nicht durch Zurückweisung eingedämmt werden“, sondern müsse „angenommen werden, um eine Zukunft vorzubereiten, die es, wenn sie keine gemeinsame ist, nicht geben wird“. Lob und Tadel für die Regierung Orbán waren in den Bemerkungen des Papstes gegeneinander abgewogen; so vergaß Franziskus einerseits nicht den Dank für das ungarische Engagement zugunsten von Christen im Nahen Osten, rief aber andererseits Christen im Land dazu auf, „sich nicht mit der Logik der Macht zu verbrüdern“.

Präsidentin fordert mehr Anstrengungen für Frieden in Ukraine

Ungarns Präsidentin Katalin Novák – eine frühere Vizepräsidentin der Orbán-Partei Fidesz – hatte in ihrer Begrüßung die neuerliche Visite des Papstes mit einem griechischen Begriff als „kairos“ gewürdigt. „Der richtige Moment und der richtige Ort, um sich zu begegnen, die Glocken zu läuten, einen gerechten Frieden zu proklamieren.“ Ungarn wolle den Besuch nutzen, um sich mit neuen Kräften auf den Weg zu „geistlicher und intellektueller Erneuerung und zum Frieden“ zu machen.

Die erste Rede in Budapest
Die erste Rede in Budapest

Der Krieg im Nachbarland zerreiße vielen Ungarn das Herz. „Wir Mütter wollen in erster Linie den Frieden gewinnen, nicht den Krieg. Wir wollen unsere Söhne, unsere Ehemänner nicht an die Front schicken! Wir sind noch nicht weit gekommen auf der Straße, die zum Frieden führt… Wo ist das Bewusstsein, dass es nötig wäre, den Krieg und die Gemüter nicht noch anzuheizen, sondern im Gegenteil abzukühlen?“

Hier zum Hören

(vatican news – sk)
 

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28. April 2023, 13:14