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Franziskus mit der Hand-Reliquie des hl. Stephan von Ungarn Franziskus mit der Hand-Reliquie des hl. Stephan von Ungarn

Franziskus in Ungarn: Keine Angst vor der Säkularisierung

Papst Franziskus hat die katholische Kirche Ungarns dazu aufgerufen, mit „prophetischer Offenheit“ auf die immer säkularere Gesellschaft zuzugehen. Dabei kam er am ersten Tag seines Budapest-Besuchs auch auf das Stichwort „Entweltlichung“ zu sprechen.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Franziskus‘ Vorgänger Benedikt XVI. hatte 2011 bei einem Besuch in Freiburg zu einer „Entweltlichung“ der Kirche aufgerufen – und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Bei seiner Begegnung mit katholischen Kirchenvertretern in der Stephanskathedrale machte sich Papst Franziskus nun die Benedikt-Formel zu eigen.

„Es geht darum zu lernen, die Zeichen der Gegenwart Gottes in der Wirklichkeit zu erkennen, auch wenn diese nicht explizit vom christlichen Geist geprägt erscheint und herausfordernd daherkommt oder vieles in Frage zu stellen scheint. Und gleichzeitig geht es darum, alles im Licht des Evangeliums zu deuten, ohne dabei zu verweltlichen, sondern als Verkünder und Zeugen der christlichen Prophetie.“

„Alles im Licht des Evangeliums deuten, ohne dabei zu verweltlichen“

Zwar sei die „Glaubenstradition fest verwurzelt“ in Ungarn, doch auch hier mache sich der Säkularismus mit seinen Begleiterscheinungen („Materialismus“, „Hedonismus“) immer mehr bemerkbar. Die Versuchung sei in einer solchen Lage groß, eine „Kampfhaltung“ einzunehmen, so der Papst.

„Aber solche Gegebenheiten können für uns Christen auch eine Chance sein, denn sie regen den Glauben und die Vertiefung bestimmter Themen an, sie laden uns ein, danach zu fragen, wie diese Herausforderungen in einen Dialog mit dem Evangelium treten können, und nach neuen Wegen, Mitteln und Ausdrucksformen zu suchen.“

Die Highlights der Begegnung in unserem Video

Weder schwarzsehen noch naiv sein

In diesem Sinne habe Benedikt XVI. in seiner berühmten Freiburger Konzerthausrede bemerkt, „dass die verschiedenen Epochen der Säkularisierung der Kirche zugutekommen, weil sie zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben“, so Franziskus. „Die Säkularisierungen bedeuteten nämlich jedes Mal eine tiefgreifende Entweltlichung der Kirche“, zitierte er den am letzten Tag des Jahres 2022 verstorbenen Vorgänger.

Papst Franziskus kommt in Budapest auf die Entweltlichung-Forderung seines Vorgängers Benedikt zu sprechen - ein Beitrag von Radio Vatikan

Wer das Motto seiner Reise, nämlich „Christus ist unsere Zukunft“, zum Kompass nehme, der könne auf die „Stürme“ unserer Zeit „und auch auf die Glaubenskrise im Westen blicken, ohne in Resignation zu verfallen“, sagte Franziskus. Die Kirche dürfe sich weder zu einer „schwarzseherischen Lesart der gegenwärtigen Geschichte“ hinreißen lassen noch zu einer „naiven Sicht auf die heutige Zeit“. Die Schwarzseherei setzte er mit „Defätismus“, die Naivität mit „Verweltlichung“ gleich. Christen sollten in der Gesellschaft präsent sein, Zeugnis ablegen und Herausforderungen „ohne Angst oder Starrheit“ begegnen.

„Die Antworten kommen vom Herrn, nicht vom Computer“

Mit Sorge vermerkte Franziskus den auch in Ungarn zu beobachtenden Rückgang von geistlichen Berufungen. „Deshalb ist es wichtig, dass sich alle – Hirten und Laien – mitverantwortlich fühlen: zuallererst im Gebet, denn die Antworten kommen vom Herrn und nicht von der Welt, vom Tabernakel und nicht vom Computer.“ Eine deutliche Absage erteilte er innerkirchlicher Polarisierung: „Wenn wir distanziert oder gespalten sind, wenn wir auf unseren Positionen und in unseren Gruppen verharren, bringen wir keine Frucht. Es ist traurig, wenn man sich entzweit, weil man dann, statt als ein Team zu spielen, das Spiel des Feindes spielt…“

Statt einer Kathedrale nur eine Behelfskapelle

Ein paar Ansprachen vermittelten dem Besucher aus Rom einen Einblick in die heutige kirchliche Realität im „heiligen Pannonien“. Ein Priester erinnerte an die Zeit des kommunistischen Regimes; sein Bruder, ebenfalls Priester, ist im Alter von 26 Jahren vom Regime ermordet worden, es ist der 2018 seliggesprochene János Brenner. Ein griechisch-katholischer Priester (solche haben, anders als ihre römischen Pendants, keine Zölibatsverpflichtung) erzählte von seiner Ehe, die ursprünglich als „Kathedrale“ gedacht gewesen sei; allerdings sei daraus, so scherzte er, nur eine „Behelfskapelle“ geworden. Eine Katechetin schließlich erinnerte daran, wie wertvoll die pastorale Arbeit ist, die Laien vielfach leisten.

Auch eine Dominikanerin kam zu Wort, die in einer Stadt im Südosten Ungarns unterrichtet. „In dieser Region ist das Bild von einem Gott, der uns persönlich liebt und sich um uns kümmert, in den Köpfen der Menschen durch die Prüfungen der letzten Jahrhunderte verblasst. So werden wir täglich mit der physischen und vor allem der geistlichen Armut der Menschen konfrontiert.“

Prachtvoller Rahmen

Die prachtvolle Stephanskathedrale gab den Rahmen zu diesem Papstauftritt ab und konnte den Eindruck vermitteln, dass es mit der Säkularisierung im Land doch nicht so arg sei. 19. Jahrhundert, Neo-Renaissance-Stil, mit großer Kuppel - der Bau ist mit 96 Metern exakt genauso hoch wie das Parlamentsgebäude. In einer Seitenkapelle wird die mumifizierte Schwurhand des hl. Königs Stephan aufbewahrt, Ungarns beliebteste Reliquie...

(vatican news)

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28. April 2023, 18:18