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Papst an Bischöfe im Kongo: Hirten sein und für Gerechtigkeit eintreten

Der letzte öffentliche Termin in der Demokratischen Republik Kongo war für Franziskus an diesem Freitagmorgen das Treffen mit der örtlichen Bischofskonferenz. In seiner Rede betonte der Papst abermals, dass dieses Land „das grüne Herz Afrikas, eine Lunge für die ganze Welt“ sei. Die Bedeutung dieses ökologischen Erbes verpflichte zum Schutz der Schöpfung - und dazu, sie vor Wunden zu schützen, die durch räuberischen Egoismus verursacht würden.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Die kongolesische Kirche sei „jung, dynamisch, fröhlich, beseelt von missionarischer Sehnsucht, von der Verkündigung, dass Gott uns liebt und dass Jesus der Herr ist“. Doch er müsse auch ein „leider“ einfügen, so Franziskus zu Beginn seiner Ansprache vor der kongolesischen Bischofskonferenz. Zum Abschluss seines Kongo-Besuchs ermahnte er die kirchlichen Gastgeber zu einem prophetischen Auftreten gegen Gewalt und Korruption und rief sie dazu auf, zugleich Zurückhaltung beim direkten politischen Engagement an den Tag zu legen. Vor dem Hintergrund jahrzehntelanger blutiger Konflikte in dem autoritär regierten Land sei es Aufgabe der Kirchenführer, „das Gewissen wachzurütteln, das Böse anzuprangern und den Bedrängten und Hoffnungslosen Mut zu machen“.

Zum Nachhören - was der Papst sagte

Protagonistin der Nächstenliebe

Das sagte Franziskus an diesem Freitag vor den Bischöfen der 48 katholischen Diözesen des Landes. Mit dem Treffen endete der am Dienstag begonnene Besuch des Papstes in der Hauptstadt Kinshasa. Bis Sonntag setzt er seine Pastoralreise im Südsudan fort.

„eine Lunge, die der Weltkirche Atem verleiht“

Die kongolesischen Bischöfe würden eine Ortskirche vertreten, die in der konkreten Geschichte dieses Volkes präsent sei und die eine Protagonistin der Nächstenliebe sei; die katholische Kirche im Kongo sei eine Gemeinschaft, „die in der Lage ist, mit ihrem Enthusiasmus anzuziehen und anzustecken, und daher, genau wie eure Wälder, mit viel Sauerstoff, zu sein: Ihr seid eine Lunge, die der Weltkirche Atem verleiht“, würdigte der Gast aus Rom seine Zuhörer.

Kein zweideutiges Verhältnis zur Macht

„Angesichts der leidenden Menschen und der Ungerechtigkeit fordert das Evangelium, dass wir unsere Stimme erheben.“

Wie schon in seinen vorangehenden Ansprachen im Kongo beklagte der Papst Korruption, Ausbeutung, Parteidenken und Armut in dem rohstoffreichen Land. Wörtlich sprach er von einem „gekreuzigten“ Volk. „Angesichts der leidenden Menschen und der Ungerechtigkeit fordert das Evangelium, dass wir unsere Stimme erheben“, sagte er. Das „Feuer der Prophetie“ dürfe nicht durch ein zweideutiges Verhältnis zur Macht ausgelöscht werden.

Denn die Bischöfe des Kongos seien auch, „eine Kirche, die für ihr Volk leidet, eine Kirche, die wie Jesus auch die Tränen des Volkes abwischen will, indem sie die materiellen und geistigen Wunden des Volkes auf sich nimmt und das lebendige und heilende Wasser der Seite Christi über sie fließen lässt. Mit Ihnen sehe ich Jesus in der Geschichte dieses gekreuzigten und unterdrückten Volkes leiden, das von einer schonungslosen Gewalt heimgesucht wird, das von unschuldigem Schmerz gezeichnet ist, das gezwungen ist, mit den trüben Wassern der Korruption und Ungerechtigkeit zu leben, die die Gesellschaft verschmutzen, und das unter der Armut so vieler seiner Kinder leidet. Aber ich sehe auch ein Volk, das die Hoffnung nicht verloren hat“, hob der Papst in seiner Ansprache hervor.

Gottesnähe und Prophetie

„Es darf nicht passieren, dass wir im Episkopat die Möglichkeit sehen, gesellschaftliche Positionen zu erklimmen und Macht auszuüben. Der hässliche Geist des Karrierismus...“

Den Bischöfen empfahl der Papst, das bischöfliche Amt durch „Gottesnähe und Prophetie für das Volk“ zu leben. „Lasst euch berühren und trösten von der Nähe Gottes“, so der Appell von Papst Franziskus. „Für uns, die wir den Ruf erhalten haben, Hirten des Volkes Gottes zu sein, ist es wichtig, uns auf diese Nähe des Herrn zu stützen, uns im Gebet zu strukturieren, stundenlang vor ihm zu stehen. Nur so bringen wir die uns anvertrauten Menschen dem Guten Hirten näher, und nur so werden wir wirklich zu Hirten, denn ohne ihn können wir nichts tun. Es darf nicht passieren, dass wir uns für autark halten, und schon gar nicht, dass wir im Episkopat die Möglichkeit sehen, gesellschaftliche Positionen zu erklimmen und Macht auszuüben. Der hässliche Geist des Karrierismus. Und vor allem: Lasst den Geist der Weltlichkeit nicht eindringen. Weltlichkeit ist das Schlimmste, was der Kirche passieren kann.“

Nachdrücklich trug Franziskus den Bischöfen Nähe zu Gott im Gebet und Nähe zu den Menschen auf. Ihre Rolle sei die von „Werkzeugen des Trostes und der Versöhnung für andere, um die Wunden der Leidenden zu heilen, den Schmerz der Trauernden zu lindern, die Armen aufzurichten und die Menschen aus so vielen Formen der Sklaverei und Unterdrückung zu befreien“. Dabei gehe es „nicht um eine politische Aktion“, unterstrich der Papst abermals. Zwar nehme die christliche Prophetie in vielen politischen und sozialen Aktionen Gestalt an; dies sei aber „im Allgemeinen nicht die Aufgabe der Bischöfe“.

Den Menschen zuwenden

Der Papst in Kinshasa
Der Papst in Kinshasa

„Pflegen wir“, so der Papst weiter, „unsere Nähe zum Herrn, um seine glaubwürdigen Zeugen und Sprecher seiner Liebe zu den Menschen zu sein“. Die Verkündigung des Evangeliums, die Belebung des pastoralen Lebens, die Führung des Volkes könne nicht in Prinzipien gelöst werden, „die von der Realität des täglichen Lebens weit entfernt sind“, sondern müssten „die Wunden berühren und die Nähe Gottes vermitteln“, damit die Menschen ihre Würde als Kinder Gottes entdecken und lernen könnten, betonte der Bischof von Rom und fügte an, dass man damit „erhobenen Hauptes“ vorwärts gehen könne, auch angesichts von Demütigung und Unterdrückung. „Wenn wir die Nähe zu Gott pflegen, werden wir uns den Menschen zuwenden und immer Mitgefühl für die uns Anvertrauten empfinden“, so Franziskus weiter.

„Wir müssen die giftigen Pflanzen des Hasses und des Egoismus, des Grolls und der Gewalt ausreißen...“

Der zweite Aspekt, den der Papst hervorhob, sei der der Prophetie für die Menschen. Die „bischöfliche Identität“ soll „durch das Wort Gottes entflammt sein, indem wir mit apostolischem Eifer zum Volk Gottes hinausgehen“. Es gehe um die Mitarbeit an einer neuen Geschichte, die Gott inmitten einer Welt der Perversion und Ungerechtigkeit aufbauen wolle. Auch seien die Bischöfe aufgerufen, ihrer prophetischen Stimme weiterhin Gehör zu verschaffen, damit sich das Gewissen herausgefordert fühle und jeder Einzelne zum Protagonisten und Verantwortlichen für eine andere Zukunft werden könne. „Wir müssen die giftigen Pflanzen des Hasses und des Egoismus, des Grolls und der Gewalt ausreißen, die dem Geld und der Korruption geweihten Altäre niederreißen, ein Zusammenleben auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden aufbauen und schließlich die Saat der Wiedergeburt säen, damit der Kongo von morgen wirklich das ist, wovon der Herr träumt: ein gesegnetes und glückliches Land, das nie wieder vergewaltigt, unterdrückt und blutig gemacht wird“, so der Papst.

Keine politische Aktion

Dies dürfe jedoch - so die Warnung von Franziskus – „nicht zu einer politischen Aktion werden. Die christliche Prophezeiung wird in vielen politischen und sozialen Aktionen verkörpert, aber die Aufgabe der Bischöfe und Pastoren im Allgemeinen ist dies nicht. Es ist die Verkündigung des Wortes, um das Gewissen zu wecken, das Böse anzuprangern und den Bedrängten und Hoffnungslosen Mut zu machen. Es ist eine Ankündigung, die nicht nur aus Worten besteht, sondern aus Nähe und Zeugnis: Nähe zu den Priestern, Zuhören bei den pastoralen Mitarbeitern, Ermutigung des synodalen Geistes zur Zusammenarbeit. Und das Zeugnis, denn die Pfarrer müssen in allem glaubwürdig sein, vor allem in der Pflege der Gemeinschaft, im sittlichen Leben und in der Verwaltung der Güter.“

Bischöfe müssten wissen, wie sie Harmonie schaffen könnten, ohne sich selbst auf ein Podest zu stellen, „ohne Härte, aber mit gutem Beispiel vorangehend in gegenseitiger Unterstützung und Vergebung, zusammenarbeitend als Modelle der Brüderlichkeit, des Friedens und der evangelischen Einfachheit“. „Lassen wir die Wirtschaft aus dem Weinberg des Herrn heraus! Wir sind Hirten und Diener des Volkes Gottes, keine Verwalter von Dingen, keine Geschäftsleute“, mahnte der Papst.

„Ich bitte euch“, fuhr Franziskus fort, „den Dialog mit Gott nicht zu vernachlässigen und nicht zuzulassen, dass das Feuer der Prophetie durch Berechnungen oder Zweideutigkeiten mit der Macht oder durch ein ruhiges Leben und Gewohnheiten ausgelöscht wird. Vor den Menschen, die leiden, und vor der Ungerechtigkeit fordert uns das Evangelium auf, unsere Stimme zu erheben“. Und der Papst erinnerte an das Beispiel von Christophe Munzihirwa, einem mutigen Pfarrer und prophetischen Sprecher, der sein Volk mit seinem Leben beschützt habe, denn seine Saat, die in diesem Land gepflanzt wurde, „wird zusammen mit der von so vielen anderen Früchte tragen“.

Zeugen der Barmherzigkeit und Versöhnung

Der Papst in Kinshasa
Der Papst in Kinshasa

„Es ist gut, sich in Dankbarkeit an die großen Hirten zu erinnern, die die Geschichte eures Landes und eurer Kirche geprägt haben, die euch evangelisiert haben und euch im Glauben vorausgegangen sind“, schloss er. Sie seien ihre Wurzeln, die alle im evangelischen Eifer stärken würden. Deshalb müssten Bischöfe „Propheten der Hoffnung für die Menschen“ sein und übereinstimmende Stimmen des Trostes des Herrn, sowie freudige Zeugen und Verkünder des Evangeliums, Apostel der Gerechtigkeit, Samariter der Solidarität sein.

„Geht das Risiko der Vergebung ein. Immer.“

Als Zeugen der Barmherzigkeit und der Versöhnung seien sie inmitten der Gewalt, die nicht nur durch die Ausbeutung der Ressourcen und die ethnischen und Stammeskonflikte, sondern auch und vor allem durch die dunkle Macht des Bösen, des Feindes Gottes und der Menschen, ausgelöst werde. „Aber lassen Sie sich nicht entmutigen: Der Gekreuzigte ist auferstanden, Jesus siegt, ja er hat die Welt bereits besiegt. Seid barmherzig, vergebt immer. Geht das Risiko der Vergebung ein. Immer. Und so werdet ihr Vergebung für die ganze Gesellschaft säen“, sagte der Papst.

Mit Blick auf Priester und andere pastorale Mitarbeiter rief Franziskus die Bischöfe zu einer „Ermutigung zum synodalen Geist“ auf. Die Vorbereitungen auf eine im Herbst in Rom beginnende Bischofssynode zum Thema Synodalität erwähnte er in seiner Rede ebenso wenig wie Kirchenreformen allgemein. Franziskus nannte jedoch die wachsende Katholikengemeinden des afrikanischen Kontinents eine Lunge der Weltkirche. Er habe im Kongo „eine junge, dynamische, freudige Kirche“ erlebt, schloss er den Kreis seiner Rede. Etwa die Hälfte aller Kongolesen gehört nach Vatikanangaben der katholischen Kirche an. Zwei Drittel der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre.

(vatican news)

Der Papst in Kinshasa
Der Papst in Kinshasa

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03. Februar 2023, 10:38