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Ein emeritierter und ein amtierender Papst empfangen Kardinäle Ein emeritierter und ein amtierender Papst empfangen Kardinäle  (ANSA)

Benedikt XVI. – die zehn Jahre nach dem Pontifikat

Am 28. Februar 2013 um 20 Uhr hörte Papst Benedikt XVI. auf, Papst zu sein. Danach lebte er bis zu seinem Tod zurückgezogen in einem kleinen Kloster in den Vatikanischen Gärten. Öffentlich war er nur noch selten zu sehen und zu lesen – manchmal aber doch.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Als „einfacher Pilger, der die letzte Etappe seines Weges auf dieser Erde geht“ hatte sich Benedikt XVI. in seiner letzten öffentlichen Ansprache von den Gläubigen verabschiedet. Zum Ort für dieses stille Pilgerdasein erwählte sich der emeritierte Papst das Klausurkloster „Mater Ecclesiae“ in den vatikanischen Gärten. Hier lebte Benedikt in seinen letzten Jahren als Emeritus und Eremit umgeben von vier treusorgenden Schwestern, die ihm schon im Apostolischen Palast den Haushalt geführt hatten, und mit seinem bewährten Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein.

Benedikt entschied, auch als emeritierter Papst seine weiße Soutane zu behalten, einschließlich des Scheitelkäppchens, doch abzüglich des Schultermantels. Auch die roten Schuhe legte er ab. Als freundlichen und gebeugten alten Professor in Weiß und mit Sandalen erlebten ihn die Gäste, die ihn besuchten, Männer und Frauen, die er schon lange kannten; manch Foto entstand und wurde stolz auf sozialen Medien geteilt.

Einige öffentliche Auftritte

Anfangs trat der emeritierte Papst zu seltenen Anlässen auch öffentlich in Erscheinung, und zwar immer zusammen mit Papst Franziskus und auf dessen Einladung hin. So nahm Benedikt teil an der feierlichen Messe zur Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. am 27. April 2014. Ein großes Anliegen war dem Emeritus offenbar auch das von seinem Nachfolger ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit. Nicht genug, dass er zur Eröffnungszeremonie am 8. Dezember 2015 im Vatikan präsent war: Benedikt durchschritt als zweiter, hinter Franziskus, die Heilige Pforte der Barmherzigkeit im Petersdom. Seit ihm das Gehen zunehmend Schwierigkeiten machte und Benedikt zunächst auf einen Rollator, dann auf einen Rollstuhl angewiesen war, wurden diese Ausflüge in die Öffentlichkeit selten und blieben schließlich ganz aus.

Worte am Mikrofon

Hin und wieder ergriff Benedikt in den Jahren nach seiner Abdankung auch am Mikrofon das Wort. Im Juli 2015 empfing er in Castel Gandolfo eine Ehrendoktorwürde aus Polen, genauer von der katholischen Universität und dem Konservatorium von Krakau. Sein Leben lang hatte der emeritierte Papst klassische Musik geliebt, und so sprach er an jenem Sommertag in den Albaner Bergen über Musik, Schönheit und Glaube. Drei Ursprünge der Musik machte er aus: die Erfahrung der Liebe, die Erfahrung der Trauer und die Begegnung mit dem Göttlichen. „Wir wissen nicht, wie es mit unserer Kultur und mit der Kirchenmusik weitergeht“, schloss Benedikt mit einer kulturkritischen Note, „aber eines ist klar: Wo wirklich Begegnung mit dem in Christus auf uns zugehenden lebendigen Gott geschieht, wächst auch immer wieder Antwort, deren Schönheit aus der Wahrheit selber kommt.“

Die Nachbarschaft zweier Päpste: neu in der Geschichte

Denkwürdig auch die kleine Feier im Apostolischen Palast zum 65. Jahrestag der Priesterweihe für Joseph Ratzinger – Papst Benedikt. Sowohl der Jubilar als auch der amtierende Papst nahmen daran teil, beide hielten eine kleine Ansprache. „Sie, Heiligkeit, mögen fortfahren können, die Hand des barmherzigen Gottes zu spüren, der Sie trägt“, sagte Franziskus zu seinem emeritierten Vorgänger. „Mögen Sie die Liebe Gottes erfahren und bezeugen!“ und Benedikt sprach ein fast kindliches Dankeschön an Franziskus aus:

„Danke vor allen Ihnen, Heiliger Vater! Vom ersten Moment Ihrer Wahl an, in jedem Moment meines Lebens hier beeindruckt mich Ihre Güte, sie trägt mich wirklich, in meinem Innersten. Mehr als die Vatikanischen Gärten mit ihrer Schönheit ist Ihre Güte der Ort, an dem ich wohne: ich fühle mich behütet. Danke auch für die Worte des Dankes, für alles. Und hoffen wir, dass Sie mit uns allen auf diesem Weg der Göttlichen Barmherzigkeit fortschreiten können und uns so den Weg Jesu zeigen, den Weg zu Jesus, zu Gott.“

Eine harmonische Nachbarschaft führten sie, Franziskus und Benedikt, der amtierende und der abgedankte Papst. Sie wohnten nur wenige hundert Meter voneinander entfernt, auf demselben Hügel, im selben Staat, und waren einander freundschaftlich verbunden – ein Novum in der Kirchengeschichte. Franziskus suchte oft den Rat seines Vorgängers, kam vor Reisen, zu Weihnachten und zu Ostern auf einen Sprung vorbei. Auch an Benedikts Sterbebett eilte Franziskus.

Einige Interviews und Texte

Aktiver, als viele nach seinem Rücktritt dachten, war Benedikt indessen mit seinen schriftlichen Äußerungen. So erschien 2016 der Interviewband „Letzte Gespräche“ mit Peter Seewald. Der bayerische Journalist hatte bereits zuvor zwei vielbeachtete Gesprächsbücher mit dem - damals amtierenden - Papst veröffentlicht. In den „letzten Gesprächen“ nun erteilte der Emeritus offen Auskunft über seinen Rücktritt, über Details seiner Biografie, über seine angeschlagene Gesundheit und seine Sicht auf Entwicklungen der Kirche. In einem weiteren Interview, das der Emeritus seinem Biografen Elio Guerriero gewährte, erwähnte er das „wunderbar väterlich-brüderliche Verhältnis“ zu Papst Franziskus.

Über die Gemeinschaft des Glaubens, die sich nicht selbst schafft, sprach Benedikt in einem theologisch profunden Interview mit dem Jesuiten Jacques Servais. In einem Brief an den betagten, im Vatikan lebenden Kardinal Walter Brandmüller verteidigte Benedikt mit klaren Worten den Schritt seines Amtsverzichts, den sein bayerischer Landsmann öffentlich kritisiert hatte.

Die Missbrauchskrise erreicht den emeritierten Papst

Streitbar und kritisch trat der emeritierte Papst auch in einem langen Text vom Jahresbeginn 2019 auf, in dem er die Missbrauchskrise der Kirche analysierte. Benedikt machte dafür die 68-er Bewegung und einen Niedergang der katholischen Moraltheologie zwischen den 1960-er und 1980-er Jahren verantwortlich. Erzbischof Gänswein versicherte, Benedikt habe den rund 16 Seiten langen Brief selbst verfasst.

 

Die Missbrauchskrise in Deutschland erfasste den hochbetagten Emeritus ein Jahr vor seinem Tod direkt: Er sei als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) nicht gegen einen Täter im Priesterstand vorgegangen, lautete eine konkrete Anschuldigung aus einem Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl zu Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum München und Freising. Benedikt bat in einer persönlichen Antwort Betroffene von Missbrauch in der katholischen Kirchen um Verzeihung, Vertuschungsvorwürfe gegen sich wies er aber entschieden zurück.

Gebet und Anteilnahme bis zuletzt

An den Sitzungen seines Ratzinger-Schülerkreises, die ihm noch als Papst viel Freude gemacht hatten, nahm Benedikt als Emeritus nicht mehr teil, doch empfing er seine ehemaligen Schüler noch auf Jahre hinaus im Kloster „Mater Ecclesiae“. Am häufigsten kam ihn dort sein Bruder Georg besuchen. Benedikts physischer Radius schränkte sich mehr und mehr ein. Doch sein Gebet und seine Anteilnahme am Geschick der Kirche blieben wach bis zuletzt

(vatican news)

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01. Januar 2023, 15:28