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Bei der Totenmesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz Bei der Totenmesse für den emeritierten Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz  (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Franziskus: „Im Zweifel befragte ich Benedikt“

In einem neuen Interview hat sich Papst Franziskus abermals über sein Verhältnis zu seinem Vorgänger Benedikt XVI. geäußert. Weitere Themen waren unter anderem Kritik an ihm, der Synodale Weg in Deutschland, Homosexualität, die China-Politik des Heiligen Stuhles und die physische Gesundheit des Papstes.

„Im Zweifel befragte ich Benedikt“

Mit dem Tod seines Vorgängers Benedikt XVI. habe er „einen Vater verloren“, sagte Franziskus in dem Interview mit der Agentur AP. „Für mich war er eine feste Burg. Im Zweifel ließ ich den Wagen kommen, fuhr zum Kloster und befragte ihn." Sollte er selbst jemals zurücktreten, wäre er „emeritierter Bischof von Rom" und würde „im Haus des Klerus in Rom leben, und das war's", erklärte Franziskus. Benedikts Amtsverzicht mache die nachfolgenden Päpste freier in einer diesbezüglichen Entscheidung. Sein Vorgänger sei auf gewisse Weise „Sklave“ „von der Vision eines Papstes, von einem System“ gewesen, denn Benedikt wäre vermutlich gerne nach Deutschland zurückgekehrt und hätte sich weiter der Theologie gewidmet. Dass er in Rom geblieben sei, bezeichnete Franziskus als „guten Kompromiss“.

Hier eine Zusammenfassung des Interviews zum Nachhören

Kritik hilft beim Wachsen

Kritik aus dem Inneren der Kirche an ihm, die zuletzt in Manifesten und Büchern zirkulierte, wertete Franziskus als Zeichen für Redefreiheit. Er hätte es aber lieber, wenn kritische Wortmeldungen „ins Gesicht gesagt werden, denn so wachsen wir alle, nicht wahr?" Mit einigen seiner Kritiker habe er sich persönlich ausgetauscht. Er halte nichts von einer „Diktatur der Distanz“, in der niemand dem Kaiser etwas entgegnen könne.

LGBTQ: Unterscheidung zwischen Sünde und Verbrechen

Homosexualität, sagte der Papst auf die entsprechende Frage, sei „kein Verbrechen", sondern „ein menschlicher Zustand". Zu den Rechten der LGBT-Gemeinschaft: „Wir sind alle Kinder Gottes und Gott will uns so, wie wir sind, und mit der Kraft, dass jeder von uns für seine Würde kämpft.“ Es gelte zwischen Sünde und Verbrechen zu unterscheiden. Sünde sei es auch, die Nächstenliebe zu vernachlässigen. Franziskus kritisierte in diesem Zusammenhang eine staatliche Kriminalisierung von Homosexuellen als „ungerecht“. „Ich glaube, es gibt mehr als 50 Länder, die eine gesetzliche Verurteilung haben, und von diesen haben, glaube ich, etwa zehn, etwas mehr oder weniger, die Todesstrafe.“ Unter Verweis auf den Katechismus appellierte Franziskus auch an katholische Bischöfe, die Homosexuelle und die LGBT-Gemeinschaft diskriminieren, in diesem Punkt umzukehren.

 

Bei seinen Generalaudienzen am Mittwoch empfängt Franziskus häufig Angehörige der LGBT-Gemeinschaft, wie er im Interview sagte. Sie kämen in Gruppen, begleitet von einer 80-jährigen Ordensfrau der Kleinen Schwestern Jesu, Schwester Geneviève, die als Seelsorgerin in einem Wohnwagen bei Schaustellern lebe. „Und sie bringt mir, ich sage nicht jeden Mittwoch, aber mindestens an zwei, drei Mittwochen im Monat, eine Gruppe von (LGBTQ-)Personen mit einem Priester, der auch dort arbeitet."

Missbrauch und der Fall Rupnik

Ausführlich ging Franziskus in dem Interview auf das Thema sexualisierte Gewalt durch Kleriker ein, besonders auf den Fall Marko Rupnik. Ordensfrauen beschuldigen den slowenischen Mosaikkünstler und Jesuiten, sie vor rund 30 Jahren erst in Slowenien und dann in Italien missbraucht zu haben. Weil er einer von ihnen danach offenbar die Lossprechung in der Beichte erteilte, war Rupnik zeitweise exkommuniziert. Die Strafe wurde zurückgenommen, nachdem er ehrliche Reue gezeigt habe, hieß es aus dem Jesuitenorden. Kritiker hatten geargwöhnt, dass Papst Franziskus selbst sich in das Verfahren eingeschaltet habe.

„Für mich war es eine große Überraschung und offene Wunde“

Dem widersprach der Papst in dem Interview. Überhaupt seien die Vorwürfe gegen Rupnik „für mich (...) eine große Überraschung und offene Wunde“ gewesen, so Franziskus. Das gesamte Verfahren sei durch die Jesuiten betreut worden, während der für rechtliche Fragen Zuständige des Dominikanerordens mit der Prozessaufnahme betraut wurde. Er selbst habe sich nicht in das Verfahren eingeschaltet, sondern er habe nur verfahrensrechtliche Zuständigkeiten geklärt in einem „kleinen Prozess, der in der Vergangenheit an die Glaubenskongregation herangetragen wurde.“ Er habe in diesem Zusammenhang dafür gesorgt, dass die Fälle vor demselben Gericht behandelt werden sollten: „Andernfalls trennen sich die Verfahrenswege und alles geht durcheinander“.

Mit Blick auf die Tatsache, dass die Glaubenskongregation in diesem speziellen Fall die Verjährungsfrist nicht aufgehoben habe, gab Papst Franziskus zu bedenken, dass es zwar richtig sei, die Verjährungsfrist „immer“ dann aufzuheben, wenn es sich um Fälle von sexuellen Missbrauchs Minderjähriger und „schutzbedürftiger Erwachsener“ handele.

Verjährungsfristen wichtige rechtliche Garantie

Aber bei Fällen, die Erwachsene beträfen – so wie das bei Rupnik der Fall gewesen sei - müssten hingegen die rechtlichen Garantien eingehalten werden, zu denen die Verjährungsfrist und die Unschuldsvermutung gehörten. Andernfalls werde die Justiz „manipulierbar“, so die Befürchtung des Papstes, der in diesem Zusammenhang nochmals einräumte, dass ihm selbst die Bedeutung des Themas Missbrauch durch Kleriker erst durch den Skandal in Chile 2018 wirklich bewusst geworden sei. Die Kinderschutzkommission im Vatikan arbeite hart und mit gutem Willen dafür, dass Kinderschutz in der gesamten Kirche etabliert werde.

Die Anstrengungen im Dialog mit China

Franziskus geht in dem Gespräch auch auf heikle diplomatische Fragen wie die Beziehungen des Vatikans zu China ein. „Wir müssen geduldig vorangehen“, wiederholte er. Man arbeite daran, die Beziehungen immer offener zu gestalten: Die chinesischen Autoritäten seien „manchmal etwas verschlossen, manchmal nicht“. Das Wichtigste sei jedoch, dass der Dialog nicht unterbrochen werde, unterstrich der Papst.

Mit Blick auf den streitbaren Hong Konger Kardinal Zen, den er am vergangenen 6. Januar im Vatikan empfangen hatte, betonte Franziskus, dass er mittlerweile seine Pastoralarbeit im Gefängnis verrichte und sich ständig dort aufhalte: „Er ist Freund der kommunistischen Wachen und der Gefangenen. Alle nehmen in gut auf“, so der Papst über Zen, der im Mai 2022 in China wegen seiner Unterstützung für die Demokratiebewegung selbst verhaftet wurde und derzeit einen Prozess durchläuft.

Der Kardinal durfte zum Begräbnis für Benedikt XVI. nach Rom reisen und konnte – anders als bei seinem letzten Aufenthalt im Jahr 2020 – den Papst sehen, der ihn in dem Interview mit AP als „eindrucksvoll“ bezeichnete. Er sei nicht nur „ein äußerst sympathischer Mann“ und „mutig“, sondern habe auch ein weiches Herz, so Franziskus. Vor der Statue der Jungfrau von Sheshan, die der Papst in seinen Räumen hat, habe der Kardinal vor Ergriffenheit geweint wie ein Kind. 

„Ich kann auch morgen sterben, aber es ist alles unter Kontrolle“

In dem Interview fehlte auch nicht ein Blick auf den Gesundheitszustand des 86-Jährigen. Dieser sei „gut“, wenn man sein Alter und die Tatsache in Betracht ziehe, dass die Darmerkrankung zurückgekommen sei, wegen der er im vergangenen Juli operiert worden war, so der Papst. Doch alles sei „unter Kontrolle”. Er habe sich zudem einen kleinen Knochenbruch am Knie zugezogen, als er gestürzt sei, verriet Franziskus in dem Gespräch weiter. Doch diese sei ohne Operation verheilt: „Dank einer guten Therapie und der Magnetbehandlung, des Lasers… ist der Knochen zusammengewachsen… Ich laufe schon wieder, ich behelfe mir mit dem Stock, aber ich laufe.“ Dies sei alles „normal“ für sein Alter: „Ich kann auch morgen sterben, aber es ist alles unter Kontrolle. Mein Gesundheitszustand ist gut. Und ich bitte immer um die Gnade, dass der Herr mir den Sinn für Humor gebe“.

(vatican news - gs/cs)

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25. Januar 2023, 19:11