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Papst in Matera: Die Predigt im Wortlaut

Wir dokumentieren hier in einer Arbeitsübersetzung die Predigt von Papst Franziskus bei der Messe zum Abschluss des zum Nationalen Eucharistischen Kongresses in Italien.

Die offizielle Übersetzung finden Sie wie gewohnt in Kürze auf der Seite www.vatican.va.

Der Herr versammelt uns um seinen Tisch, indem er sich zum Brot für uns macht: „Es ist das Brot des Festes auf dem Tisch der Kinder, [...] es schafft Teilhabe, es stärkt die Bande, es schmeckt nach Gemeinschaft" (Hymne 17. Nationaler Eucharistischer Kongress, Matera 2022). Doch das Evangelium, das wir gerade gehört haben, sagt uns, dass das Brot nicht immer auf dem Tisch der Welt geteilt wird; es verströmt nicht immer den Duft der Gemeinschaft; es wird nicht immer in Gerechtigkeit gebrochen.

Es tut gut, vor der dramatischen Szene innezuhalten, die Jesus in diesem Gleichnis beschreibt: auf der einen Seite ein reicher Mann, der in Purpur und Byssus gekleidet ist, seinen Reichtum zur Schau stellt und üppig schlemmt; auf der anderen Seite ein armer Mann, der mit Wunden bedeckt vor der Tür liegt und darauf hofft, dass ein paar Krümel von diesem Tisch fallen, um sich zu ernähren. Und angesichts dieses Widerspruchs fragen wir uns: Wozu lädt uns das Sakrament der Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens, ein?

Zunächst einmal erinnert uns die Eucharistie an den Primat Gottes. Der reiche Mann im Gleichnis ist nicht offen für eine Beziehung zu Gott: Er denkt nur an sein eigenes Wohlergehen, an die Befriedigung seiner Bedürfnisse, an den Genuss des Lebens. Und damit hat er auch seinen Namen verloren. Das Evangelium sagt nicht, wie er hieß: Ein Reicher, es benennt ihn mit einem Adjektiv. Den Namen des Armen hingegen nennt es: Lazarus. Der Reichtum bringt dich dahin, es nimmt dir sogar den Namen. Es ist kein Zufall, dass wir seinen Namen nicht aussprechen: Wir nennen ihn „reich", wir definieren ihn nur durch ein Adjektiv, denn er hat jetzt seinen Namen verloren, seine Identität ist nur noch durch die Güter gegeben, die er besitzt. Wie traurig ist diese Realität auch heute noch, wenn wir das, was wir sind, mit dem verwechseln, was wir haben, wenn wir Menschen nach ihrem Reichtum, ihren Titeln, ihren Rollen oder ihrer Kleidung beurteilen. Es ist die Religion des Habens und des Scheins, die oft die Szene dieser Welt beherrscht, uns aber am Ende mit leeren Händen zurücklässt. Denn dieser reiche Mann des Evangeliums hat nicht einmal einen Namen. Er ist nur mehr irgendjemand. Im Gegensatz dazu der arme Mann, er hat einen Namen, Lazarus, was „Gott hilft" bedeutet. Trotz seiner Armut und Ausgrenzung kann er seine Würde bewahren, weil er in einer Beziehung zu Gott lebt. Schon in seinem Namen steckt etwas von Gott, und Gott ist die unerschütterliche Hoffnung seines Lebens.

Hier liegt also die ständige Herausforderung, die die Eucharistie für unser Leben darstellt: Gott anzubeten und nicht sich selbst. Ihn in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Eitelkeit des Selbst. Uns daran zu erinnern, dass nur der Herr Gott ist und alles andere ein Geschenk seiner Liebe. Denn wenn wir uns selbst verehren, ersticken wir an unserem kleinen Selbst; wenn wir die Reichtümer dieser Welt verehren, ergreifen sie von uns Besitz und machen uns zu Sklaven; wenn wir den Gott des Scheins verehren und uns an der Verschwendung berauschen, wird uns früher oder später das Leben selbst die Rechnung stellen. Wenn wir dagegen den in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn Jesus anbeten, erhalten wir auch einen neuen Blick auf unser Leben: Ich bin nicht die Dinge, die ich besitze, und die Erfolge, die mir gelingen; der Wert meines Lebens hängt nicht davon ab, wieviel ich vorzeigen kann, und er wird auch nicht geringer, wenn ich versage und scheitere. Ich bin ein geliebtes Kind; ich bin von Gott gesegnet; er hat mich mit Schönheit bekleidet und will mich von allen Fesseln befreien. Lasst uns daran denken: Wer Gott anbetet, wird nicht zum Sklaven von jemandem. Entdecken wir das Gebet der Anbetung wieder: Es befreit uns und gibt uns unsere Würde als Kinder zurück.

Neben dem Primat Gottes ruft uns die Eucharistie dazu auf, unsere Brüder und Schwestern zu lieben. Dieses Brot ist das Sakrament der Liebe schlechthin. Es ist Christus, der sich für uns aufopfert und zerbricht und uns auffordert, dasselbe zu tun, damit unser Leben zu gemahlenem Weizen und zu Brot wird, das unsere Brüder und Schwestern nährt. Der reiche Mann des Evangeliums versagt bei dieser Aufgabe; er lebt im Überfluss und schlemmt im Überfluss, ohne den stummen Schrei des armen Lazarus zu beachten, der erschöpft vor seiner Tür liegt. Erst am Ende seines Lebens, als der Herr den Spieß umdreht, wird er auf Lazarus aufmerksam, aber Abraham sagt ihm: „Zwischen uns und dir ist eine große Kluft entstanden" (Lk 16,26). Aber den hast du gegraben! Du selbst. Wir sind es, die wir mit unserem Egoismus Gräben schaffen. Es war der reiche Mann, der während seines irdischen Lebens eine Kluft zwischen sich und Lazarus grub, und jetzt, im ewigen Leben, bleibt diese Kluft bestehen. Denn unsere ewige Zukunft hängt von diesem gegenwärtigen Leben ab: Wenn wir jetzt einen Graben zu unseren Brüdern aufreißen, „schaufeln wir unser eigenes Grab" für später; wenn wir jetzt Mauern gegen unsere Brüder und Schwestern errichten, bleiben wir auch später in Einsamkeit und Tod gefangen.

Brüder und Schwestern, es ist schmerzlich zu sehen, dass dieses Gleichnis immer noch die Geschichte unserer Zeit ist: Die Ungerechtigkeiten, die Ungleichheiten, die ungleiche Verteilung der Ressourcen der Erde, der Missbrauch der Mächtigen gegenüber den Schwachen, die Gleichgültigkeit gegenüber den Schreien der Armen, der Abgrund, den wir jeden Tag graben und der Ausgrenzung erzeugt, können uns nicht gleichgültig lassen. Und so wollen wir heute gemeinsam erkennen, dass die Eucharistie die Prophezeiung einer neuen Welt ist, dass es die Gegenwart Jesu ist, die uns auffordert, uns zu engagieren, damit eine wirksame Umkehr stattfinden kann: von der Gleichgültigkeit zum Mitgefühl, von der Verschwendung zum Teilen, vom Egoismus zur Liebe, vom Individualismus zur Geschwisterlichkeit.

Wir träumen von einer solchen Kirche: einer eucharistischen Kirche aus Frauen und Männern, die das Brot für all jene brechen, die Einsamkeit und Armut ertragen müssen, für jene, die nach Zärtlichkeit und Mitgefühl hungern, für jene, deren Leben zerbröckelt, weil der gute Sauerteig der Hoffnung gefehlt hat. Eine Kirche, die vor der Eucharistie kniet und mit Staunen den Herrn anbetet, der im Brot gegenwärtig ist; die es aber auch versteht, sich mit Mitleid vor den Wunden der Leidenden zu beugen, die Armen aufzurichten, die Tränen der Leidenden abzuwischen und sich selbst zum Brot der Hoffnung und der Freude für alle zu machen. Denn es gibt keine wahre eucharistische Anbetung ohne Mitgefühl für die vielen „Lazarusse", die auch heute noch unter uns leben. Es sind viele, nicht wahr?

Brüder und Schwestern.aus dieser Stadt Matera, der „Stadt des Brotes", euch möchte ich sagen: Kehren wir zu Jesus zurück, kehren wir zur Eucharistie zurück. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, denn wenn wir Hunger nach Liebe und Hoffnung haben oder durch die Mühen und Leiden des Lebens zerbrochen sind, wird Jesus zur Nahrung, die uns nährt und heilt. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, denn während in der Welt weiterhin Ungerechtigkeit und Diskriminierung gegen die Armen herrschen, schenkt uns Jesus das Brot des Teilens und sendet uns täglich als Apostel der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens aus. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, um eine eucharistische Kirche zu sein, die Jesus in den Mittelpunkt stellt und zum Brot der Zärtlichkeit und Barmherzigkeit für alle wird. Kehren wir zum Geschmack des Brotes zurück, um uns daran zu erinnern, dass die Eucharistie, während unsere irdische Existenz verzehrt wird, die Verheißung der Auferstehung vorwegnimmt und uns zu dem neuen Leben führt, das den Tod besiegt.

Denken wir heute im Ernst an den Reichen und Lazarus. Das geschieht jeden Tag. Und oftmals - schämen wir uns - geschieht es in uns, dieser Kampf, unter uns, in der Gemeinschaft. Und wenn die Hoffnung schwindet und wir in uns die Einsamkeit des Herzens, die innere Müdigkeit, die Qual der Sünde, die Angst vor dem Scheitern spüren, kehren wir wieder zum Geschmack des Brotes zurück. Wir alle sind Sünder: jeder von uns trägt die eigenen Sünden. Aber, Sünder, kehren wir zurück zum Geschmack der Eucharistie, zum Geschmack des Brotes. Kehren wir zu Jesus zurück, beten wir Jesus an, nehmen wir Jesus auf. Denn er ist der Einzige, der den Tod besiegt und immer wieder unser Leben erneuert.

(vatican news)

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25. September 2022, 09:40